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BlackWoman im Käfig in der Wüste – ausgehend von diesem Film entwickelt „The Survival of Kindness“ seine Parabelgeschichte, die nichts mit Realismus, aber viel mit der Realität zu tun hat.

Das Überleben der Freundlichkeit (2023)

Eine Filmkritik von Harald Mühlbeyer

Wüstes Land

BlackWoman in einem Käfig mitten in der Wüste. Das ist ein Bild, das sich einbrennt. Gefangen in der Sonne, gefangen unter dem weiten Sternenhimmel, zusammengekauert auf dem Blechboden. Ameisen, die aus ihren Ritzen in der stocktrockenen Erde krabbeln, die einen Krieg gegen andere Ameisen führen. Und die schwarze Frau hinter Gittern. „Das Überleben der Freundlichkeit/The Survival of Kindness“ ist eine Parabel auf Unterdrückung und Rassismus, und Regisseur Rolf de Heer versteckt seine Metaphorik nie hinter einer realistischen Darstellung.

Der Beginn des Films: Modelle von Hütten, Soldaten, fliehende und tote Frauen. Kleine Figuren in Miniaturlandschaft. Man hört unverständliches Gemurmel und Lachen. Dann blitzt ein Messer, eine Kuchenschaufel: Was wir sehen, ist eine schön dekorierte Feiertagstorte, und das Murmeln und Lachen, das sind Gestalten hinter Gasmasken. BlackWoman wird in die Wüste verschleppt und alleingelassen. Erklärungen gibt es nicht und braucht es nicht. Wie will man rassistische Gewalt erklären? BlackWoman weiß sich zu helfen. Mühevoll, mit viel Geduld, kann sie ein Gitterstück lösen, reibt es mühevoll, mit viel Geduld über den Käfigboden, ein improvisierter Schraubenzieher, mit dem die Käfigtür ausgehängt werden kann. Ihre Wanderung beginnt, barfuß über Staub und Steine.

Der Film ist eine Erzählung dieser Reise, keine reale Reise, eine Reise als Gleichnis. Immer wieder Tote. Immer wieder Ruinen. Sie wandert. Sie nimmt Leichen ihre Schuhe ab, tauscht zu große Stiefel für etwas Wasser gegen passendere, findet schließlich die richtigen für sich – das alles mit fast unbeteiligtem, auf jeden Fall unbeeindrucktem Gesicht. An einem Dachbalken hat sich einer erhängt, unter einer Brücke hängt ein anderer. Kranke sind zu sehen, mit großen roten Geschwüren. Ein Alter bringt halb verdorrte Leichname in einem Karren zu ausgehobenen Gräbern. Hütten, ein Dorf.

Ein Museum – die Wanderung von BlackWoman ist auch eine durch die Geschichte der Kolonialisierung. Im Museum findet sie Kleidung von damals, als die weißen Herren uneingeschränkt die Macht hatten. Inzwischen, in der Gegenwart des Films, haben die weißen Herren (weiter oder wieder) die uneingeschränkte Macht, sie haben die Gasmasken, die vielleicht vor den Geschwüren schützen, sie auf jeden Fall entmenschlichen. Sie treiben Schwarze zusammen, packen sie in Käfige, erschießen sie willkürlich.

Zwei Punkte kamen für Rolf de Heerzusammen, Covid und Black Lives Matter – Proteste hätte es bedurft, aber die strengen Coronaregeln in Australien verhinderten Versammlungen. Mit kleinem Team, genauestens covidkonform, drehte De Heer in Südaustralien und Tasmanien, entlang der Locations, die er gefunden hat, Wüste und Wald, Schlucht und Industrieanlage.

Das Überleben der Freundlichkeit/The Survival of Kindness ist ein Film ohne Sprache, ein Film mit vielen Sprachen: Erst am Ende redet BlackWoman, und ihr Gegenüber kann sie nicht verstehen. Was gesprochen wird, egal von welcher Figur, ist eine erfundene Sprache, deren Ausdruck universell verständlich ist – man kennt so etwas eher von Kinderfilmen um Shaun das Schaf oder die Minions, hier ist es ein fundamentaler Punkt: Kommunikation funktioniert nicht direkt, nur unter Zeichen und im Tonfall, und der ist oft genug aggressiv, vor allem, wenn der Sprecher Gasmaske und Gewehr trägt.

Rolf De Heer schafft es, eine eigene Welt zu schaffen, die aus unserer Welt entsprungen ist. Er findet große Bilder – ein paradiesischer Bergsee ist darunter und ein Eisenbahnwaggon –, und er findet eine Geschichte, die in die Zeit passt. Im letzten Drittel begegnet BlackWoman – herausragend gespielt von Mwajemi Hussein, kongostämmige Geflüchtete mit scharfem Deadpan-Blick – zwei anderen, indischstämmigen Marginalisierten, ein Trio der Außenseiter, in dem so etwas wie Solidarität zu finden ist. Eine Freundlichkeit, die wohl kaum überleben kann.

Was dem Film, der klug analysiert und die Analyse in Gleichnis verpackt, fehlt, ist ein durchgehender zwingender Sog. Dass Realismus beiseitegeschoben ist, ist absolut geboten – doch die grundlegende Parabelidee ist vielleicht doch etwas dünn für einen Spielfilm.

 

Das Überleben der Freundlichkeit (2023)

In einem Käfig auf einem Wagen in der Wüste wird „BlackWoman“ ausgesetzt und dem Tod überlassen. Aber die Frau ist nicht bereit zu sterben. Scheinbar ziellos reist sie durch Zeiten von Pest und Verfolgung. Sie durchquert die Wüste, besteigt Berge und erreicht eine Stadt. „BlackWoman“ empfindet die Stadt aber als noch unsicherer als die Wüste. Als sie erneut gefangen wird, muss sie anscheinend einen neuen Fluchtweg finden

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