Das Mädchen und der Künstler

Eine Filmkritik von Verena Schmöller

Die Idee, die Schönheit, das Menschliche

Wenn Bildende Kunst und Kino sich treffen, dann ist das oft eine spannende Sache. Regisseur Fernando Trueba ist es in besonderem Maße gelungen, die beiden Künste miteinander zu verknüpfen. Mit sinnlich-einfühlsamen Bildern schafft er wahre Bildkunstwerke auf der Leinwand: Jede Einstellung ist aufs Neue eine Freude für das Auge. Und auch die Geschichte von Das Mädchen und der Künstler kann sich sehen lassen und überzeugt als eine ausgewogene Mischung aus Historienfilm, fiktivem Künstlerportrait und Melodram.
Es ist 1943, der spanische Bürgerkrieg ist vorbei, der Zweite Weltkrieg aber in vollem Gange. Die junge Spanierin Mercé (Aida Folch) hilft Kriegsflüchtlingen über die Grenze nach Spanien und kommt an einem Vormittag in ein kleines französisches Dorf nahe der Grenze. Sie fällt auf in ihren abgetragenen Kleidern und mit ihren zerkratzten Beinen. Und Lea (Claudia Cardinale), die Frau des Künstlers Marc Cros (Jean Rochefort), schaut auf und spricht sie an: Denn Mercé ist aus genau dem Holz geschnitzt, das ihren Mann zu künstlerischen Höchstleistungen antreibt. Lea bietet Mercé Verpflegung und einen Schlafplatz im Atelier in den Bergen an, wenn sie Marc fortan als Modell zur Verfügung steht.

Mercé ist zunächst skeptisch und hat auch sichtlich Angst davor, sich vor den Augen eines Mannes auszuziehen und nackt zu posieren. Doch allmählich wird der Job zum Alltag für Mercé. Der Künstler und sein Modell benötigen kaum Worte, um an die Arbeit zu gehen. Marc kommt ins Atelier und bereitet seine Utensilien vor, Mercé kriecht aus dem Bett und stellt, setzt, legt sich aufs Podest. Marc fertigt Skizzen an, malt Ölbilder, macht kleine Skulptur-Modelle und wagt sich — nach einer langen Suche nach dem richtigen Kunstwerk — an die große Skulptur, von der er so lange schon träumt.

Diese Suche nach der Idee treibt den Künstler seit langem um, und er philosophiert auch gerne darüber, versucht, in Worte zu fassen, was doch so unfassbar für ihn ist. Etwas, für das er in der Regel 15 Jahre lang braucht. Deshalb, so treibt er Mercé an, zählt jede Minute, deshalb muss er als Künstler jeden Moment, jeden Lichtfall ausnutzen, um die Idee weiterzuverfolgen. Eine kleine Skizze von Rembrandt ist das große Vorbild für den französischen Künstler: Weil Rembrandt wusste, wie er mit wenigen Pinselstrichen ganze Geschichten erzählen, profunde Charaktere zeichnen konnte.

Und dann plötzlich ist das da, wonach Marc so lange gesucht hat: In einer einzigen Haltung Mercés, einer kleinen Geste der Erschöpfung. Da leuchten die Augen des altgewordenen Künstlers auf, und er beginnt mit neuer Schaffenskraft zu zeichnen und Modelle anzufertigen. Als die Skulptur fertig ist, bleibt die Leere, das zeigt Trueba in seinem Film sehr deutlich, und lässt es Marc auch in Worte fassen: „Wenn man etwas versteht, muss man gehen“, Perfektion sei da fehl am Platz.

Der Film konzentriert sich auf die Beziehung zwischen Künstler und Modell, und doch speist Trueba viele kleine Nebenplots in die Geschichte ein, die sie um verschiedene Dimensionen bereichern: Da ist die Geschichte der Freundschaft zwischen dem französischen Künstler und dem deutschen Nazi-Offizier, der eigentlich Kunstprofessor ist und vor dem (Kriegs-)Tod noch sein Buch über Marc Cros fertigschreiben möchte. Oder die Episode um den Flüchtling mit den verhängnisvollen Büchern im Gepäck, den Mercé über die Grenze begleitet.

Die größte Stärke des Films ist jedoch seine Bildkraft. In Schwarz-Weiß gedreht, erzielt er ganz „natürlich“ eine besondere Wirkung, die jedoch durch wohlarrangierte Großeinstellungen an Schönheit gewinnt, wie man sie selten noch auf der Leinwand sieht. Das Spiel mit Vorder- und Hintergrund, mit gemalter oder modellierter Kunst im Bild (das selbst wiederum zum Kunstwerk wird), mit Schärfe und Unschärfe, mit den Blicken des Künstlers und den Gegenblicken des Modells — immer in Nahaufnahme und immer mit äußerster Konzentration füreinander. Das sind Bilder, die man nicht vergisst, die sich aber auch — weil es so viele davon sind — mischen und überlagern in ein großes Ganzes, so dass der Eindruck vom Kunstwerk Film bleibt. Trueba ist mit Das Mädchen und der Künstler ein großartig fotografierter Film gelungen, der das auf die Leinwand projiziert, von dem er spricht: Die Idee, die Schönheit, das Menschliche.

Das Mädchen und der Künstler

Wenn Bildende Kunst und Kino sich treffen, dann ist das oft eine spannende Sache. Regisseur Fernando Trueba ist es in besonderem Maße gelungen, die beiden Künste miteinander zu verknüpfen. Mit sinnlich-einfühlsamen Bildern schafft er wahre Bildkunstwerke auf der Leinwand: Jede Einstellung ist aufs Neue eine Freude für das Auge.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen

Thomas Köhler · 01.01.2014

in Zeiten von rasenden Bilderfluten in den Medien ist dieser Film eine Augenweide- Zeit zu schauen,die Athmospäre der Orte in sich aufzunehmen, überragende Kameraeinstellungen und große Dichte,
dies mit Geräuschen der Natur unterlegt und (fast?) ohne Musik...
auch das Schwarz-Weiss gibt dem Film die Authentizität der Zeit wieder... ausgezeichnet! deshalb wurde der Film zu Recht ausgezeichnet...