Das Mädchen Rosemarie

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Dienstag, 8. Januar 2012, 3sat, 20:15 Uhr

Innerhalb der Themenwoche „Sex & Macht“, die mit zahlreichen dokumentarischen wie fiktiven Stoffen aufwartet und am Montag, den 7. Januar 2013 um 20:15 Uhr mit der Dokumentation Staatsaffären um Sex und Macht von Michael Wech startet, zeigt 3sat am kommenden Dienstag den deutschen Spielfilm Das Mädchen Rosemarie in Schwarzweiß, welcher der wahren Geschichte eines ungehörigen Skandals nachempfunden ist, der über Jahrzehnte hinweg immer wieder Anlass für die unterschiedlichsten Beschäftigungen mit dieser Materie bot, bis hin zu einem Musical, einer Hörspielepisode und der Ausstellung „Alles über Rosemarie“ des Deutschen Filmmuseums im Jahre 2008.
Dass mächtige Männer sich gern mit Mätressen umgaben, ist ebenso ein Klischee wie eine historisch verbriefte Gegebenheit. Jenseits des Adelstandes wird auch über den modernen Mann von Welt und Geld gemunkelt und berichtet, dass er sich gern außerhalb der ehelichen Zweisamkeit mit einer meist recht ansehnlichen Dame trifft, die im Gegenzug dafür mit kleinen und vor allem größeren Geschenken oder Barschaften bedacht wird. Im Frankfurt am Main der 1950er Jahre erlangte mit Rosemarie Nitribitt eine junge Frau den zweifelhaften Ruf, gleich mit mehreren einflussreichen Herren zugleich eine derartige Verbindung zu unterhalten, und ihr mysteriöser Tod bot seinerzeit Anlass zu reichlich Skandal und Spekulationen. Der Regisseur Rolf Thiele hat 1958 unter dem Titel Das Mädchen Rosemarie einen Spielfilm über das Schicksal der Prostituierten der gehobenen Kreise inszeniert, der die weit verbreitete Annahme unterstützt, dass Rosemarie von ihren Gönnern ermordet wurde, da sie in erpresserischer Absicht allzu eifrig brisante Informationen über deren Geschäfte angesammelt hatte.

Sie ist blond, arm und verfügt sowohl über eine gute Portion an Dreistigkeit als auch über eine Statur und ein Auftreten, die die begehrlichen Blicke so manchen Mannes auf sich ziehen: Die junge Rosemarie (Nadja Tiller), die mit den beiden musikalischen Kleinganoven Horst (Mario Adorf) und Walter (Jo Herbst) in einer Kellerwohnung haust, treibt sich nur allzu gern in der Halle des noblen Palast-Hotels herum, um das Augenmerk der dort abgestiegenen Geschäftsmänner auf sich zu richten. Das gefällt dem gerissenen Concierge Kleie (Hubert von Meyerinck) ganz und gar nicht, denn er selbst besitzt mit seinem umfangreichen Notizbuch voller einschlägiger Adressen und Telefonnummern das Monopol der Vermittlung junger Schönheiten an zahlungskräftige Kunden. Dennoch gelingt es Rosemarie während einer musikalischen Darbietung mit ihren beiden Kumpanen unweit des Hotelhofes, die Blicke der dort tagenden Herrenrunde zu erheischen, und prompt schmeißt ihr der einflussreiche Generaldirektor Willy Bruster (Gert Fröbe) ein bedeutungsvolles Zettelchen mit der Nummer seiner Limousine zu. Doch als die Wagenkolonne der mächtigen Industriellen an ihr vorüberfährt, steigt Rosemarie irrtümlich zum zurückhaltenden Konrad Hartog (Carl Raddatz) ins Automobil, der zunächst wenig begeistert von der unerwarteten Gesellschaft ist. Und damit beginnt der Auf- beziehungsweise Abstieg der anfangs noch naiven, nichtsdestotrotz äußerst ehrgeizigen Frau, bei dem sich die Machtverhältnisse tüchtig verschieben …

Das Mädchen Rosemarie ist ein visuell hoch stilisierter, zynisch-heiterer Film über die obskure Moral und Wertpräferenz der High Society der 1950er Jahre, dessen Bissigkeit sich noch einmal im großartigen Schluss offenbart, der mit lakonischer Ironie die Anfangsszene im Hotel wieder aufgreift. Begleitet wird die im Grunde tragische Geschichte von den Gesangseinlagen der beiden Gauner Horst und Walter – ganz hinreißend verkörpert von Mario Adorf und Jo Herbst, der auch am Drehbuch und den Liedtexten mitwirkte – mit gepfefferten Reden voller Widerborstigkeit und Provokation, die das Geschehen auf ihre Art kommentieren. Wenn die Prozession der mächtigen Herren wiederholt selbstgefällig das Bild bevölkert, verleiht diese konforme Ritualität dem Film einen Symbolismus, der charakteristisch für einige seiner starken Bilder ist, die weit über ihre Wirkung als Running Gag hinausweisen.

Mit einem ganz wunderbar aufspielenden Ensemble mit Karin Baal, Horst Frank und Werner Peters in kleineren Rollen gewann der Film 1958 sowohl den Preis der deutschen Filmkritik als auch beim Filmfestival von Venedig, wo er im Wettbewerb lief, den Preis der italienischen Filmkritiker, 1959 einen Golden Globe für den Besten fremdsprachigen Film und wurde für Rolf Thiele als Besten Regisseur beim Festival Internacional de Cine de Mar del Plata in Argentinien ausgezeichnet. Neben den mitunter surrealistisch anmutenden Bildkompositionen, die entfernt an den Meister derartiger Arrangements Luis Buñuel erinnern und inmitten dieser fein-derben Persiflage betören, ist es auch das überaus kalkuliert erscheinende Agieren Nadja Tillers als Rosemarie, das diesen köstlichen Film ganz entscheidend prägt.

Das Mädchen Rosemarie

Innerhalb der Themenwoche „Sex & Macht“, die mit zahlreichen dokumentarischen wie fiktiven Stoffen aufwartet und am Montag, den 7. Januar 2013 um 20:15 Uhr mit der Dokumentation „Staatsaffären um Sex und Macht“ von Michael Wech startet, zeigt 3sat am kommenden Dienstag den deutschen Spielfilm „Das Mädchen Rosemarie“ in Schwarzweiß, welcher der wahren Geschichte eines ungehörigen Skandals nachempfunden ist, der über Jahrzehnte hinweg immer wieder Anlass für die unterschiedlichsten Beschäftigungen mit dieser Materie bot.
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