Das kalte Herz (2016)

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Ein Schwarzwald-Märchen aus düsterer Zeit

Fantasy-Abenteuer finden ihre Schauplätze direkt vor der Haustür, wenn sie in die Welt der heimischen Mythen eintauchen. Wilhelm Hauff schuf 1827 in seinem Kunstmärchen Das kalte Herz eine eigentümliche Verbindung zwischen den Kohlenbrennern, Holzfällern, Glasmachern des Schwarzwalds und den Geistern, die es nach Meinung nicht weniger Menschen dort ebenfalls gab. Diese klassische Geschichte über das rechtschaffene Leben und die korrumpierende Habgier wurde bereits mehrmals verfilmt, zum Beispiel 1950 von Paul Verhoeven als erster Farbfilm der DEFA. Der Regisseur Johannes Naber (Der Albaner, Zeit der Kannibalen) präsentiert nun eine neue Version, die sich mit großem Ernst sowohl in die realistischen als auch in die märchenhaften Aspekte dieses Stoffs von anno dazumal versenkt.

Peter Munk (Frederick Lau) steht als Köhler in der sozialen Hierarchie ganz unten. Einer wie er mit seinem rußgeschwärzten Gesicht darf sich keine Hoffnung auf die Tochter des reichen Glasmachers machen. Aber gerade sie, die schöne Lisbeth (Henriette Confurius), lächelt Peter aufmunternd zu. Wie gerne würde Peter mit Lisbeth auf dem Dorffest tanzen wie Bastian (David Schütter), der Sohn des Holzhändlers, der den Titel des Tanzbodenkönigs trägt! Peter sucht das Glasmännchen (Milan Peschel) im Wald auf, von dem es heißt, dass es Sonntagskindern wie ihm drei Wünsche erfüllen kann. Peter wünscht sich, der beste Tänzer zu sein, beim Würfeln im Gasthaus stets so viel Geld in den Taschen zu haben wie Bastians Vater Etzel (Roeland Wiesnekker) und außerdem will er die schönste Glashütte bekommen.

Bei Wilhelm Hauff sind Peters Wünsche von der Sehnsucht nach Prestige und dem Wohlleben im Wirtshaus bestimmt. Der Film schwächt den moralisierenden Ton der Vorlage, die Tugenden wie Fleiß und Bescheidenheit anmahnt, deutlich ab. Indem er Peter im Gegensatz zu Hauff als hoffnungslos Verliebten schildert, erleichtert der Film die Einfühlung in die seelische Not dieses jungen Mannes. Weil er aber auch weiterhin die 500 Gulden nicht aufbringen kann, die Lisbeths Vater für die Heirat verlangt, geht Peter zum berüchtigten Holländer-Michel (Moritz Bleibtreu). Dieser böse Mann, der in einer Schlucht in der Verbannung haust, schneidet den Menschen, die ihn um Hilfe ersuchen, das Herz aus der Brust und ersetzt es durch einen Stein. So besitzt er bereits die Herzen der reichsten Männer in der Region. Fortan von allen Skrupeln des Herzens befreit, wird es auch Peter rasch zu einem Vermögen bringen. Doch der Preis, den er dafür bezahlt, ist hoch.

Diese Kritik an einem ungezügelten Kapitalismus wirkt schon beinahe wieder modern. Mit dem Naturschutzgedanken, der dem Glasmännchen im Film sehr wichtig ist, wird ein weiterer aktueller Bezug hergestellt. Auf stilistischer Ebene macht sich der Einfluss der Gegenwart ebenfalls bemerkbar. Das Merkwürdige, das der Geisterwelt anhaftet, wird durch Verfremdung betont: Das Glasmännchen und seine Truppe kommen halbnackt und mit bemalten Gesichtern wie Urwaldbewohner daher. Und die Gesichter der Menschenfrauen zieren feine Tätowierungen, die ebenfalls einem kulturellen Crossover geschuldet sind. Die Musik setzt mit ihrem entrückten Frauengesang und den tuschartigen Dissonanzen, wenn es bedrohlich wird, starke Akzente.

Obwohl der Film nur eine Altersfreigabe von 12 Jahren bekommen hat, geht es darin nicht martialisch zu wie in Snow White and the Huntsman mit seinem ähnlich düster-realistischen Setting. Die wenigen Zweikämpfe hier werden mit Stöcken wie auf einem sportlichen Turnier ausgetragen. Frederick Lau, Henriette Confurius und die anderen Darsteller überzeugen, aber die Inszenierung verlangt den Charakteren oft theatralische Posen, das Innehalten in schmerzlicher Versunkenheit ab. Solche Eigenschaften werfen die Frage auf, welche Zielgruppe der Film überhaupt ins Visier genommen hat. Bei all der Sorgfalt und Hingabe, mit der er gestaltet wurde, scheint ihm mit zunehmender Dauer ein wenig das Maß für Spannung und Lebendigkeit abhanden gekommen zu sein.
 

Das kalte Herz (2016)

Fantasy-Abenteuer finden ihre Schauplätze direkt vor der Haustür, wenn sie in die Welt der heimischen Mythen eintauchen. Wilhelm Hauff schuf 1827 in seinem Kunstmärchen „Das kalte Herz“ eine eigentümliche Verbindung zwischen den Kohlenbrennern, Holzfällern, Glasmachern des Schwarzwalds und den Geistern, die es nach Meinung nicht weniger Menschen dort ebenfalls gab. Diese klassische Geschichte über das rechtschaffene Leben und die korrumpierende Habgier wurde bereits mehrmals verfilmt, zum Beispiel 1950 von Paul Verhoeven als erster Farbfilm der DEFA.

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Meinungen

Heinz · 28.10.2016

Super Film. Bitte weiter so. Gute Message.
Deutsche, Norwegische, schwedische, italienische, französische, spanische Filme usw., die etwas anderes aussagen als brutale Gewalt, Schusswaffen, obercoole Sprüche, verrückte Stunts, brachiale Auto (renn)-Szenen, schwarz-weiße, sentimentale Gefühlsduselei, einer rettet in soundsoviel Zeit (die wohl primitivste Art, künstlich Spannung zu erzeugen) die Welt, Horror, Science Fiction, endlose Schlägereien usw., das Repertoire ist begrenzt.
Aus USA seit zig Jahren immer die gleichen 10-15 Stories, die gleichen paar Charaktere, die gleichen Stimmen und Tonfälle, zum Erbrechen in leichten Varianten wiederholt.
Man kann sich nur wünschen, dass die Filmemacher anderer Länder (und vielleicht der eine oder andere auch in USA) wieder mehr nuanciertere, künstlerische, tiefergehendere Filme drehen, ohne Hightech, nicht auf Quantität angelegt um Leute mit Effekten u.a. zu überwältigen, sondern mit wirklicher Qualität.
Es gibt eben noch anderes als Gewalt, abgeschmackte Jokes und Sentimentalität.