Das Geheimnis des magischen Silbers

Eine Filmkritik von Lida Bach

Aus den blauen Bergen kommen wir...

In der Halle des Bergkönigs geht Sorge um. Die uralten Augen von König Fjellkonge können das Blau nicht mehr erkennen. Für die Blauwichtel, die im eisigen Norden im Blauen Berg hausen, bedeutet es, dass die Herrschaft des Bergkönigs (Finn Schau) zu Ende geht. Doch seine junge Tochter Blaurose (Ane Viola Semb) fühlt sich noch nicht bereit für den Thron. Der Weg zu einem Heilmittel, das die Weisen des Berges ihr Eigen nennen, führt die ängstliche Blaurose zu den Menschen.
Der Fels spricht. Gewaltige Gesichter, die an die Steinbeißer in Michael Endes Unendliche Geschichte erinnern, entstehen aus dem Stein. Die Klüfte des Blauen Berges scheinen menschliche Züge zu besitzen. Das Zwielicht des Gespenstischen und Rätselhaften, in dem die nordischen Mythen schillern, verleiht der märchenhaften Kindergeschichte Das Geheimnis des magischen Silbers einen ernsthaften Grundton. Karg und harsch ist das Szenario, durch das die Figuren streifen. Die schroffen Felswände spiegeln die rauen Traditionen wider, in die Blaurose hineinwächst. „Wichtel sind immer hilfsbereit“, lautete eines der obersten Gebote im Blauen Berg. Doch Unterstützung findet die Prinzessin einzig bei einem Hausgnom, dessen Mütze die „falsche“ Farbe hat. Der junge Rotwichtelkönig Dreng (Johan Tinus Lindgren) führt Blaurose zu einem menschlichen Gehöft. In der Menschenwelt ist Reichtum mächtiger als die geheimen Kräfte der Natur. Das blankpolierte Metall jedoch sät doppelt Zwietracht. Ohne es zu wollen bricht Blaurose die Gesetze von menschlicher und mythischer Welt. Nicht nur das Augenlicht des Bergkönigs droht nun zu verlöschen, sondern alles Licht auf Erden. Für ihr Vergehen wird die Prinzessin verstoßen – doch Blaurose gibt den Kampf gegen die zweifache Finsternis nicht auf.

Der Wechsel von Licht und Dunkel wird zur umfassenden Metapher in Katarina Launings und Roar Uthaugs Kinoadaption der populären norwegischen Fernsehserie um die Blauwichtel. Der nur durch Das Geheimnis des magischen Silbers mögliche Prozess verweist auf den Übergang von der Kindheit zur Erwachsenenreife der jungen Hauptprotagonisten Blaurose und Dreng. Gleichzeitig steht es für die realen und symbolischen Facetten von Sehen und Erkennen und das Besiegen innerer Ängste. Die Suche der jungen Heldin nach dem Dieb des magischen Silbers bezeichnet ihren Selbstfindungsprozess. Ihre Scheu vor ihrer zukünftigen Rolle der Bergkönigin steht im Kontrast zum Verhalten Drengs. Obwohl nicht minder unsicher als seine neue Freundin, greift er begierig nach der Herrscherkrone. Die Fähigkeit, eigene Schwächen zu erkennen und unausgesprochene Konflikte wahrzunehmen, ist die besondere Stärke Blauroses.

Diesen Umgang mit Konflikten und das Lösen von Auseinandersetzungen haben die Wichtel nahezu verlernt. Dass ihr König in doppelter Weise seine Welt aus den Augen verliert, verdrängt das Bergvolk aus seinem Alltag. Die furchtsame Blaurose ist als einzige dazu fähig, sich dem bevorstehenden Tod ihres Vaters zu stellen. Unterschwellig scheint der Zwang zu permanenter Güte die negativen Facetten des kleinen Volkes zu wecken. Ihre Gemeinschaft gleicht einer Miniaturversion der menschlichen. Es scheint der sinnbildliche Bezugsverlust der Menschen zu den kulturellen Wurzeln zu sein, der die Wichtel verpuffen lässt, sobald Menschenaugen sie erblicken.

Nicht bombastische Effekte, sondern die von Volksglaube und Sage inspirierten Szenenbilder verleihen der Handlung trotz des ruhigen Erzählflusses einiges an Spannung. Unter den kühlen Farben der Landschaft wohnt der Bildsprache des Fantasy-Abenteuers eine tiefe Wärme inne. Das Geheimnis des magischen Silbers verbirgt sich in dem mythenschweren Halbdunkel der Szenerie, welches das Kinderabenteuer mehr zum Sagen- als zum Märchenfilm macht. Gegenüber den computergenerierten Großproduktionen von Disney und Pixar, die zur Weihnachtssaison in die Kinos drängen, mag der Überraschungserfolg aus Norwegen unscheinbar wirken. Dass im Film wie in der Sage der Zauber des Fantastischen oft im Verborgenen zeigt, weiß Das Geheimnis des magischen Silbers indes am Besten.

Das Geheimnis des magischen Silbers

In der Halle des Bergkönigs geht Sorge um. Die uralten Augen von König Fjellkonge können das Blau nicht mehr erkennen. Für die Blauwichtel, die im eisigen Norden im Blauen Berg hausen, bedeutet es, dass die Herrschaft des Bergkönigs (Finn Schau) zu Ende geht.
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