Das Bildnis des Dorian Gray

Eine Filmkritik von Tomasz Kurianowicz

Die zwei Seiten eines Jünglings von makelloser Gestalt

Verfilmungen des einzigen zu Lebzeiten veröffentlichten Romans von Oscar Wilde, der seinen Autor mit einem Schlag berühmt machte, gibt es viele. Und dies bereits seit dem Beginn der Filmgeschichte, die erste datiert aus dem Jahre 1915. Doch kaum eine ist so düster und nah an der schwarzen Schauerromantik des Fin de siècle angesiedelt wie Oliver Parkers Neubearbeitung – übrigens nicht dessen erste Verfilmung einer Vorlage des großen irischen Dramatikers: 1999 hatte er Ein perfekter Ehemann / An Ideal Husband mit Cate Blanchett, Julianne Moore und Rupert Everett verfilmt, 2002 folgte dann Ernst sein ist alles / The Importance of Being Earnest, ebenfalls mit Rupert Everett, Judi Dench, Reese Witherspoon und Colin Firth, der nun in Das Bildnis des Dorian Gray die Rolle von Lord Henry Wotton übernommen hat. Parker kann also durchaus als Experte für Wilde-Adaptionen gelten. Das Ergebnis ist durchaus sehenswert, auch wenn ausgewiesene Kenner des Romans von Oscar Wilde das Fehlen mancher Passagen und wichtigen Nebenhandlungen schmerzlich vermissen werden und just eben jene Konzentration auf das Spektakuläre der Story bemängeln, die der Autor mit Dialogen voller federnder Leichtigkeit in einer auch heute noch lesenswerten Balance hielt.
Auf den ersten Blick orientiert sich Parkers Verfilmung recht eng an der Vorlage: Angesiedelt im London des späten 19. Jahrhunderts, erzählt der Film die Geschichte des ebenso schönen wie naiven Jünglings Dorian Gray (Ben Barnes), der unter dem Einfluss des verführerisch-durchtriebenen Lord Henry Wotton (Colin Firth) die Freuden des ruchlosen Lebens entdeckt. Selbstverliebt schließt er einen Teufelspakt, durch den sein von Basil Hallward (Ben Chaplin) gemaltes Porträt an seiner statt altert, während er zumindest äußerlich keinerlei Anzeichen seiner Exzesse trägt. In seiner Jagd nach Sensationen und Genüssen schreckt Dorian vor nichts zurück und geht sogar buchstäblich über Leichen.

So weit, so gut und vor allem bekannt. Der Teufel bzw. die Änderungen gegenüber Oscar Wildes Buch stecken vor allem im Detail: So stirbt Grays Geliebte Sybil Vane (Rachel Hurd-Wood) im Film nicht wie im Buch an Gift, sondern geht ins Wasser – was ohne Frage wesentlich „filmischer“ ist. Neu ist ebenfalls, dass Lord Henry, im Buch noch ein kinderloser, wenngleich verheirateter Genießer, im Film eine Tochter hat, die gewissermaßen als moralische Instanz fungiert. Vergleichsweise harmlos nehmen sich diese Feinheiten allerdings gegenüber dem aus, was Das Bildnis des Dorian Gray darüber hinaus auszeichnet – und das erinnert durchaus an einen anderen Film der jüngsten Vergangenheit, der ebenfalls einer berühmten Romangestalt aus dem viktorianischen Zeitalter gewidmet war – Sherlock Holmes. So wie Guy Ritchie seinen Detektiv von einem zerrissenen Feingeist zu einem ziemlich derangierten Actionhelden umfunktionierte und dessen geistige Größe allenfalls im Schnelldurchlauf vorführte, so ähnlich geht auch Parker vor: Statt geistreicher, aber filmisch unspektakulärer Plaudereien, setzt er auf prächtige Dekors, Schockeffekte und eine ausufernde Bebilderung der Dekadenz seines Helden, die an Drastik und Deftigkeit kaum etwas zu wünschen übrig lassen. Und so ist Das Bildnis des Dorian Gray auch weniger als minutiöse Verfilmung von Wildes Roman zu verstehen, sondern vielmehr als lockere Hommage, die deutlich auf ein jüngeres Publikum schielt, das den Roman noch nicht kennt.

Dennoch ist Oliver Parkers Adaption kein reines Werk der Schauwerte, sondern auch ein Schauspielerfilm: Es ist vor allem Colin Firth, der sich derzeit mit seiner Rolle in A Single Man nachdrücklich für weitere höhere Weihen empfohlen hat, der auch diesen Film mit seinem Spiel veredelt. Sein sinistrer Lord Henry Wotton ist ein dermaßen charmanter Verführer und Verderber, dass man vor allem an ihm seine helle Freude hat und Lust bekommt, das Buch wieder einmal in die Hand zu nehmen. Und sei es allein deshalb, um den dann doch erheblichen Unterschieden zwischen dem Roman und seiner Leinwandadaption nachzuspüren.

(Paul Collmar)
_____________________________________________________________________

Wenn man sich in den USA auf den Weg ins berühmte „Chicago Art Institute“ macht, innehält und sich dort mit der beeindruckenden Sammlung amerikanischer Malerei auseinandersetzt, dann wird man nicht nur feststellen, dass das 20. Jahrhundert als Epoche zweifelsohne den Amerikanern gehört. Nein, man wird auch Zeuge einer partikularen Erfahrung: Gemeint ist eines der Gemälde von Ivan Albright; eine psychedelische, manisch-agile Interpretation von Oscar Wildes berühmter Erzähl-Studie Das Bildnis des Dorian Gray, die Theaterautoren, Filmemacher und andere experimentierfreudige Apologeten zu vielfachen Deutungen und Umdeutungen des monströsen Stoffes herausgefordert hat.

Das Bild entstand im Kontext einer Ausschreibung: Der Chicagoer Künstler Albright wurde in den 1940er-Jahren vom Filmemacher Albert Lewins gefragt, ob er nicht bereit wäre, das Titelmotiv für seine aktuelle Filmadaption zu malen. Anlass für den Künstler, ein wirkungsmächtiges Bild zu kreieren, das voll von kruden Details, raunenden Einzelmomenten und irisierenden Farbkombinationen ist – ein Gemälde, das selbst heute noch als filmische Projektion verstanden werden kann, weil es aufgrund seiner einmaligen Dichte und Allegorik zu einer ungeheuer dynamischen und einzigartigen assoziativen Auseinandersetzung reizt.

Zu den 14 Filmadaptionen hat sich unlängst eine weitere hinzugesellt: Oliver Parkers bislang nur für Europa angekündigte und nun in Deutschland anlaufende Version des „Dorian Gray“-Motivs. Die dramatischen Eckpunkte der Handlung sollten bekannt sein: Ein gut betuchter Jüngling und Vertreter der viktorianischen Oberschicht, gespielt von Ben Barnes, lässt vom Maler Basil Hallward (Ben Chaplin) ein Selbstporträt anfertigen, das die makellose Schönheit seines Aussehens einfangen soll. Der Aristokrat und Dandy Lord Henry (Colin Firth) wird aufmerksam auf den jungen Schöngeist und beschließt, den anfangs noch naiv-unschuldig gezeichneten Dorian zu seinem persönlichen Lebensprojekt, zu der Menschwerdung einer ästhetizistisch-hedonischten Geisteshaltung zu machen. Dorian vertraut den auf Habsucht, Eitelkeit und Selbstliebe fußenden Tiraden des Großbürgers blind. Nun breitet sich langsam in ihm der Wunsch aus, seine wundersame Schönheit, die ihm Zugang zu den feinsten Kreisen Londons eröffnet, auf ewig zu konservieren. Der Zauber geht auf: Anstelle seiner selbst, trägt nun das ominöse Gemälde Züge seines körperlichen Verfalls. Während das Bild hässlicher, abstoßender, ja grässlicher wird, vergnügt sich Dorian ohne Spätfolgen in Bordellen, genießt das trunksüchtige Leben und verliert jeden Sinn für moralisches Empfinden. Um das Geheimnis seiner ewigen Jugend zu hüten, verzichtet er nicht nur auf gefestigte, ehrliche Liebe, sondern setzt sich darüber hinaus über jede Form menschlicher Tugend hinweg. Ja, auch das Morden wird zur legitimen Strategie für die Aufrechterhaltung seiner wild gewordenen Hybris. Doch die zunehmende Selbstverehrung geht mit psychischen Destruktionsmomenten einher: Dorian Gray wird mit der Ewigkeit diesseitigem Lebens konfrontiert und stellt folgerichtig die Nachteile einer rastlosen Existenz fest, die nichts Schönes und Vergnügliches mehr zu offenbaren vermag.

Mit Blick auf Albrights extravagante und eigensinnige malerische Interpretation des epochalen Dorian-Gray-Motivs fällt in Oliver Parkers Film um so augenscheinlicher sein defizitäre Charakter auf: Der Regisseur hat auf komplexe Nebenstränge in Oscar Wildes feinsinniger Studie verzichtet, um sich vollständig auf das Spannende und Schockante zu konzentrieren. Ganz klar: Wildes Erzählung hat es in sich, ist der perfekte Filmstoff für spektakuläre Inszenierungen und auch heute noch minutiöser Kommentar auf die nicht minder selbstfixierte Gegenwartskultur. Doch wirft die Vorlage eben auch andere Fragen auf, die sich nicht so leicht in einer eindimensional strukturierten Handlung auflösen lassen: Warum hat der Regisseur, der eine getreue Umsetzung samt viktorianischen Kostümen und altertümlichen Requisiten dem eigenen Blick vorgezogen hat, die etwas sperrigeren Denkfragmente des irischen Autors fast ausschließlich weggelassen? Wie etwa die Auseinandersetzung um Seele, Homosexualität und Psychologie? All das Reflexive, all das Subversive fehlt, so dass der Film zwar durchaus Spannung zu erzeugen vermag, letztlich aber etwas holzschnittartig und ungestüm ins katastrophale Ende stolpert. Die Musik, überall wie eine aufdringliche Tante keifend, wird wie sämige Sauce über die Bilder gegossen, um keinerlei Zweifel über das seelische Innenleben der Figuren zuzulassen. Das ist manchmal schade, manchmal ärgerlich. Aber vor allem: eine verpasste Chance, auch wenn man – zugegebenermaßen – bereit ist, bis zur letzten Sekunde im Kinositz auszuharren. Dafür ist Oscar Wildes Vorlage einfach zu gut.

Das Bildnis des Dorian Gray

Verfilmungen des einzigen zu Lebzeiten veröffentlichten Romans von Oscar Wilde, der seinen Autor mit einem Schlag berühmt machte, gibt es viele. Und dies bereits seit dem Beginn der Filmgeschichte, die erste datiert aus dem Jahre 1915. Doch kaum eine ist so düster und nah an der schwarzen Schauerromantik des Fin de siècle angesiedelt wie Oliver Parkers Neubearbeitung – übrigens nicht dessen erste Verfilmung einer Vorlage des großen irischen Dramatikers:
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen

Miriam · 25.04.2010

Sehr schöne Verfilmung und alles andere als eintönig.
Die Aussage und die Quintessenz des Filmes kommen sehr gut rüber, ganz gleich ob andere Dinge wie die Sexualität detaillierter beschrieben werden. Denn das ist nichts negatives, im Gegenteil - man bekommt so einen besseren Eindruck in das Leben der Figur Dorian Gray.

c***movies · 20.04.2010

Eine sehr eintönige, unspektakuläre Verfilmung, die nicht annähernd das Buch wiederspiegelt! Für mich persönlich, sehr enttäuschend und langweilig!

ARTiBERLIN · 14.04.2010

Literaturadaptionen sind eine Königsdisziplin des Filmeschaffens, umso mehr, wenn es darum geht, den philosophischen Unterbau eines Klassikers wie "Das Bildnis des Dorian Gray" filmisch adäquat umzusetzen. Man darf gespannt sein, ob es dieser aktuellen Version gelingt, nicht zum bloßen Effekte-Spektakel verkommt, wie es der Trailer (leider) nur zu deutlich anzeigt. Wer stattdessen mehr an Independent-Events interessiert ist, der ist bei www.artiberlin.de bestens aufgehoben.