Darshan - Die Umarmung

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Spirituelles und harte Realitäten aus Indien

Auf den ersten Blick erscheint die Geschichte der Mata Amritanandamayi, mittlerweile von ihren Anhängern schlicht Amma (Mutter) genannt, ähnlich der vieler indischer Gurus, die von zahlreichen Menschen als Heilige verehrt werden. Amma gibt ihre Lehre überwiegend wortlos weiter: Sie umarmt Menschen, inzwischen über 21 Millionen, heißt es. Doch die Botschaft dieser Frau aus dem südindischen Bundesstaat Kerala, Trägerin des Gandhi-King-Preises für Gewaltlosigkeit der Vereinten Nationen, enthält auch einen engagierten, sozialkritischen Pragmatismus.
Der Begriff Darshan stammt aus dem Sanskrit und bedeutet zunächst „schauen“, „sehen und gesehen werden“, ist aber meist mit der Anschauung eines Heiligen oder einer Gottheit verbunden. In der religiösen Praxis ist es auch die Begegnung zwischen Schüler und Meister, die das Ziel hat, einen Zustand geistiger Offenheit zu inspirieren, der die Wahrnehmung um eine zusätzliche Perspektive erweitert. Ammas Darshan manifestiert sich in ihrer Umarmung. Ganze Tage bringt die hinduistische Führerin damit zu, ihre Anhänger zu umarmen, und zu manchen Zeiten warten 20.000 Menschen in der Umgebung ihres Ashrams darauf, dieses liebevolle Ritual zu empfangen. Damit sind jedoch die Aktivitäten der heute 52-Jährigen keineswegs erschöpft.

Als Tochter einer ärmlichen Fischerfamilie fiel Amma bereits sehr früh durch große Religiosität auf. Von ihren Eltern wird sie als eine Art störrisches Wunderkind beschrieben, das im Alter von sechs Monaten bereits laufen und sprechen konnte; mit zwei Jahren habe sie dann Gebete rezitiert. Amma war ein fröhliches Mädchen, das sehr viel sang und tanzte, aber immer wieder in Konflikte mit ihren Eltern geriet, da sie häufig von der Familie selbst dringend benötigte Lebensmittel an Bedürftige verschenkte, worin die Beginne ihres sozialen Engagements gesehen werden.

Heute hat Amma die Position einer der wichtigsten religiösen Führerinnen des Hinduismus inne, wird ehrenvoll als Mahatma betitelt wie einst Gandhi und ist eine begehrte Rednerin auf internationalen Friedens- und Religionskongressen. Innerhalb der indischen Gesellschaft setzt sie sich vor allem für die Bekämpfung der Armut, die Gleichberechtigung der Geschlechter und die Alphabetisierung ein. In vielen ihrer Aktivitäten setzt sie sich über die Grenzen des hinduistischen Kastenwesens hinweg, was ihr nicht nur Freunde beschert. Neben der Errichtung ganzer Dörfer für Obdachlose, zahlreicher Krankenhäuser, Schulen und sogar Universitäten hat sie ein Hilfswerk für allein erziehende Mütter gegründet, das in ganz Indien tätig ist.

Mit Darshan — Die Umarmung stellt der niederländische Regisseur Jan Kounen den ersten Teil seiner Dokumentarfilm-Serie Another Reality vor, die er gemeinsam mit Manuel de la Roche produziert. Nach einigen Kurzfilmen, Musikvideos und Werbespots vor allem für das Fernsehen und seinem ersten Spielfilm, Dobermann, stieß Kounen bei der Suche nach geeigneten Drehorten für seinen zweiten Film Blueberry in Peru und Mexiko auf die Shipibo, den Stamm einer indigenen Volksgruppe. Diese Begegnung faszinierte ihn derart, dass er mehrere Monate mit ihnen verbrachte, um schließlich eine Dokumentation über diese Menschen, vor allem die Schamanen unter ihnen, zu drehen, Other Worlds. Damit hat sich Kounen vollständig diesem Genre zugewandt. Der zweite Teil der Serie Another Reality ist einer der ältesten religiösen Traditionen der Himalaya-Region gewidmet, vier andere Teile über außergewöhnliche mystische Personen sind geplant. „Es geht um das Universum derjenigen, die eine andere Realität als die uns bekannte, erforschen, denken und leben“, erläutert Kounen seine Projekte.

Der Dokumentarfilmer hat Amma auf einer Reise nach Kalkutta, Benares, Delhi und Jaipur begleitet und damit auch eindrucksvolle Impressionen der modernen indischen Gesellschaft eingefangen. Gerade hier zeigen sich die völlig unterschiedlichen Ebenen, auf denen Amma wirkt. Die spirituelle Mahatma ist eine Reformerin und sozialpolitisch engagierte Kämpferin und hat ihren Anhängern und der unterprivilegierten indischen Bevölkerungsschicht weit mehr zu geben als eine Umarmung.

Die Dokumentation Darshan — Die Umarmung wird in den Originalsprachen (franz., engl., malayam) mit deutschen Untertiteln gezeigt. Sie transportiert die Begeisterung des Regisseurs für das Phänomen einer spirituellen Frau, die soziale Welten bewegt und lädt gerade den westlichen Zuschauer ein, sich für eine kleine Weile einer ganz anderen Realität zuzuwenden.

Darshan - Die Umarmung

Auf den ersten Blick erscheint die Geschichte der Mata Amritanandamayi, mittlerweile von ihren Anhängern schlicht Amma (Mutter) genannt, ähnlich der vieler indischer Gurus, die von zahlreichen Menschen als Heilige verehrt werden.
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Meinungen

· 15.02.2008

Wer Amma kennen lernen möchte, kann zu Ihrem "Darshan" (Ihre Umarmung) im Oktober in die Maimarkthalle in Mannheim gehen oder nach München (evtl. wieder Zenithhalle).Wir gehen seit 6 Jahren zu Ihr. Jeder macht bei Amma seine eigenen Erfahrungen. Es ist jedesmal anders und neu!

· 10.02.2007

ich fand den film sehr gut. kommt irgendwie was rüber, was mit worten nicht so einfach zu beschreiben. bei mir hat sich auch die begegnung mit anderen menschen (zumindest für eine zeit) verändert.

· 21.12.2005

Ich fand den Film ziemlich oberflächlich. Das die Anzahl der Umarmungen mitgezählt wird, fand ich eher peinlich - als ginge es darum, ins Guinness Buch der Rekorde zu kommen.
Ansonsten hat Amma ein wunderbares Lächeln und Lachen, lässt sich nur wenig interviewen und ist allzeit von meditierenden und singenden Anhängern umgeben.

pavinova · 03.12.2005

Ich fand den Film sehr beeindruckend, schöne Bilder und tiefe Einblicke in die indische Kultur. Amma so nahe zu erleben hat mich sehr beeindruckt.