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Ein Klassiker in moderner Musical-Kostümierung: Joe Wrights „Cyrano“ ist eine Adaption, die zwar ihre Schwächen hat, in der jedoch ein großartiger Peter Dinklage als melancholischer Degenheld brilliert.

Cyrano (2021)

Eine Filmkritik von Matthias Pfeiffer

Gefechte der Liebe

Tolstois „Anna Karenina“ kleidete er in brechtsches Gewand. Gary Oldman machte er in „Die dunkelste Stunde“ zu Winston Churchill in den schweren ersten Wochen seiner Amtszeit. Nun nimmt sich Joe Wright mit „Cyrano“ dem Klassiker „Cyrano de Bergerac“ von Edmond Rostand an und wandelt das komödiantische Versdrama zum Musical-Film. An sich ist das nicht allzu weit hergeholt, das 1897 entstandene Werk war schließlich schon immer eine beliebte Grundlage für verschiedenste Vertonungen. Und Wrights Film basiert ja selbst auf dem gleichnamigen Musical von Aaron und Bryce Desssner, das 2018 uraufgeführt wurde. Also im Grunde nichts Neues? Das kann man so auch wieder nicht sagen.

Die augenscheinlichste Neuerung ist wohl Cyrano de Bergerac selbst, der nicht wie im Original mit einer übergroßen Nase geschlagen, sondern kleinwüchsig ist. Ein Draufgänger ist der Edelmann (Peter Dinklage) nichtsdestotrotz. Zur Verteidigung der schönen Künste sabotiert er schon mal eine mittelmäßige Theatervorstellung und im Duell ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass der Gegner von seinem Degen durchbohrt wird. Aber da ist noch eine andere Seite, eine feinfühlige und sensible, die sich in wunderschönen Versen Luft macht. Als Inspiration dient ihm die unerfüllte Liebe zu seiner langjährigen Freundin Roxanne (Haley Bennett). Aufgrund seiner Körpergröße ist die Sache für ihn von Grund auf vergebene Liebesmüh. Auch seine Angebetete hat in romantischer Hinsicht ein Päckchen zu tragen. Ihr macht der schmierige Aristokrat Le Guiche (Ben Mendelsohn) Avancen, die sie mehr und mehr in Bedrängnis bringen.

Als wäre das nicht schon genug Herzeleid, wird die Lage noch komplizierter, als plötzlich der junge Kadett Christian (Kelvin Harrison Jr.) die Bildfläche betritt und es zwischen ihm und Roxanne schon im ersten Moment funkt. Und wer wird natürlich als Vertrauensmann hineingezogen? Der arme Cyrano, der die Kompanie leitet, in der Christian dienen soll. Hoch und heilig muss er der Angebeteten versprechen, auf den Neuling besonders acht zu geben und den Kuppler zu spielen. Herzensgut wie er im Grunde ist, verspricht er das natürlich und greift seinem Konkurrenten sogar auf besondere Weise unter die Arme: Da Roxanne eine unbändige Vorliebe für die Poesie hat, stellt er dem in dieser Hinsicht eher einfachen Christian die eigenen Verse zur Verfügung. Und wirklich beginnt die Liebe Früchte zu tragen – ganz zum Leidwesen des armen Poeten. Und dann ist da ja noch De Guiche, der auch zu seinem angeblichen Recht kommen will.

Diesen ganzen Filmstoff nun auf seinen Realismus hin zu prüfen, gäbe nun nicht sehr viel Sinn. Natürlich ist es unwahrscheinlich, dass ein Mann von 1,35 m Körpergröße eine Kadetteneinheit leitet und zehn Gegner auf einmal erledigt. Genauso fraglich ist es, ob ein dunkelhäutiger Mann wie es Christian hier ist, sich im 18. Jahrhundert durch Frankreich bewegen konnte, ohne dass es jemanden kümmert. Nun, Star Wars beurteilt man allerdings auch nicht nach astrophysikalischen Maßstäben. Und mit Peter Dinklage hat Joe Wright wirklich eine Topbesetzung gefunden. Das Wechselspiel zwischen Sentimentalität und heroischem Auftreten beherrscht er bis ins letzte Detail. Wenn sein Gesicht in Großaufnahme auf der Leinwand erscheint, ist es schon schwer ihm die Liebesleiden nicht abzunehmen. Man muss allerdings auch sagen, dass er mit dieser Leistung den Rests des Casts mühelos überstrahlt. Die tiefe Emotionalität, mit der Dinklage hier spielt, sieht man weder bei Bennett noch bei Harrisson Jr., weshalb die wirklich besondere Note hier in erster Linie von ihm ausgeht.

Und wo es gerade um Besonderheiten geht, hier wären wir auch schon bei der Musik. Die Gesangsarbeit beherrschen durch die Bank alle DarstellerInnen, die Songs selbst bleiben jedoch nicht wirklich hängen, sondern wirken wie die übliche moderne Musical-Blaupause. Eine Szene zu Anfang sticht jedoch hervor, als Cyrano im voll besetzten Theater das Duell mit einem gehässigen Adeligen sucht. Was Peter Dinklage hier hervorbringt, kann man schon fast als Battle Rap bezeichnen. Und auch die Solo-Nummer, die Ben Mendelsohn als von Eifersucht zerfressener De Guiche gibt, überzeugt mit einer tief diabolischen Härte. Ansonsten plätschert alles zu sehr vor sich hin, schneidet sogar mehr als einmal den Bereich des totalen Kitschs.

Cyrano ist nun wirklich kein perfekter Film, seine Stärken machen jedoch einiges wieder wett. Freunde von gelungenem Schauspieler-Kino werden mit der gebeutelten Hauptfigur von der ersten bis zur letzten Minute mitleiden. Auch muss man sagen, dass Kulissen und Kostüme mit großer Liebe zum Detail in Szene gesetzt sind. Das merkt man vor allem in besagter Theaterszene, die als barocke Groteske wunderbar funktioniert. Und natürlich wagt Wright mit seiner Verfilmung nicht so viel wie Jean-Paul Rappeneau mit seinem Cyrano von Bergerac, den er durchweg in den Originalversen in Szene setzte. Als unterhaltsamer Kostümfilm mit Herzschmerz-Schlagseite funktioniert diese Adaption jedoch allemal.

Cyrano (2021)

Frankreich, Ende des 17. Jahrhunderts: Der Offizier Cyrano de Bergerac (Peter Dinklage) ist nicht nur seiner Zeit voraus, er ist auch begabt − mit der Schreibfeder ebenso wie mit dem Degen. Doch aufgrund seiner äußeren Erscheinung ist er überzeugt, dass seine enge Freundin, die schöne Roxanne (Haley Bennett), seine Liebe niemals erwidern wird, und bringt es nicht übers Herz, ihr seine Gefühle zu gestehen. Eines Tages vertraut sie ihm an, dass sie sich in den gutaussehenden Kadetten Christian (Kelvin Harrison Jr.) verliebt hat. Fortan hilft Cyrano ihm, Roxanne zu umwerben, indem er in Christians Namen Briefe an sie schreibt – und so seinen eigenen Emotionen Ausdruck verleiht.

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