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Johannes Naber hat offensichtlich ein gutes Händchen für scharfe Satiren. Nach „Zeit der Kannibalen“ erzählt er — zugespitzt natürlich — die auf Tatsachen basierende Geschichte, wie der BND nach 9/11 den US-Geheimdiensten mit erfundenen Beweisen für die Massenvernichtungswaffen im Irak einen Krieg auslöste.

Curveball - Wir machen die Wahrheit (2020)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Kriegstreiber unter sich

„Im Krieg ist die Wahrheit das erste Opfer“ — dieser Satz eines/r unbekannten Urheber/in schwebt wie ein unsichtbares Motto über Johannes Nabers Agenten-Farce „Curveball — Wir machen die Wahrheit“. Die wilde Geschichte um einen BND-Agenten und einen angeblichen Kronzeugen für Saddams Husseins Biowaffenprogramm beruht zwar auf Tatsachen, wie schon die lakonische Schrift im Vorspann „Eine wahre Geschichte. Leider!“ andeutet, wurde sie aber spürbar zugespitzt und satirisch komprimiert.

Der BND-Agent und Experte für Biowaffen Wolf (Sebastian Blomberg) ist fest davon überzeugt, ja geradezu besessen von der Idee, dass der Irak unter Saddam Hussein im Besitz von Massenvernichtungswaffen in Form von biologischen Kampfstoffen ist. Doch seine Suche als Teil einer UN-Mission bleibt erfolglos. Wolf aber glaubt weiterhin, dass da etwas sein muss und dass man einfach nicht genau genug geschaut hat. Möglicherweise rührt sein Bedauern über das schmähliche Ende der Mission aber auch daher, dass damit seine Affäre mit der US-amerikanischen CIA-Agentin Leslie (Virigina Kull) aufhört — wer weiß das schon so genau in einem Business, bei dem es niemand mit der Wahrheit so genau nimmt?

Einige Zeit später — Wolf ist zu diesem Zeitpunkt wieder zurück in der drögen und mausgrauen BND-Zentrale in Pullach bei München — ergibt sich eine neue Spur: Wie Wolfs Abteilungsleiter Schatz (Thorsten Merten) berichtet, gibt es einem Asylbewerberheim einen geflohenen Iraker, der behauptet, genaue Kenntnisse über Husseins Biowaffenprogramm zu haben. Und das sei damals nicht entdeckt worden, weil die Labore sich in LKWs befunden hätten, die im Falle eine Inspektion einfach woanders hingefahren worden waren. Also macht sich Wolf gemeinsam mit dem Verbindungsoffizier Retzlaff (Michael Wittenborn) auf den Weg, um den wertvollen Zeugen zu vernehmen. Und danach sind die BND-Verantwortlichen stolz darauf, endlich einmal einen Wissensvorsprung vor den Amis zu haben. Doch sagt Rafid (Dar Salim), Deckname „Curveball“ wirklich die Wahrheit? Oder biegt sich jede/r diese so hin, wie er oder sie es gerade braucht? Jedenfalls geht es schnell drunter und drüber, und als die Anschläge in den USA am 11. September 2001 die Welt erschüttern, bekommen die „Erkenntnisse“ noch einmal eine ganz neue Brisanz. 

Politsatiren — zumal gute — sind eine Seltenheit im deutschen Kino. Und natürlich reicht Curveball — Wir machen die Wahrheit nicht an US-amerikanische Vorbilder wie Wag the Dog oder Männer, die auf Ziegen starren heran. Wie auch, schließlich fehlt einer ordentlichen deutschen Behörde wie dem BND jeglicher Glamour und Coolness-Faktor, was Johannes Naber und sein Kameramann Sten Mende immer wieder gerne betonen und in vorwiegend graue und erdbraune Bilder tauchen und diese mit ausgesucht scheußlichen Accessoires wie Brillengestellen der billigsten Art und Klamotten mit enormem Fremdschamfaktor noch weiter in Richtung einer Karikatur treiben. 

Die DarstellerInnen wie Sebastian Blomberg, Dar Salim, Thorsten Merten, Michael Wittenborn und Virginia Kull haben sichtlich Spaß am Spiel und treiben die muntere Geschichte mit ihren gut geschriebenen Dialogen durchaus unterhaltsam voran, wobei man sich höchstens an einigen Stellen ein bisschen mehr Mut zur völligen Eskalation des Geschehens gewünscht hätte. Vermutlich entspricht das leicht Gebremste und Verkrampfte, das den Film in manchen Passagen fast ein wenig zu hemmen scheint, genau den Wesenszüge seiner kleinkrämerischen Wahrheitsverwalter und -gestalter*innen, die meinen, die Zügel fest in der Hand zu halten und die doch nur kleine Rädchen sind in einem großen Spiel, dessen Ausmaße sie kaum je durchschauen. Weil sich aber alle ihren kleinen, je eigenen Vorteil von den ganzen Tricks und Manipulationen erhoffen, machen sie eben doch alle mit. 

„Die Wahrheit löst sich auf. Und alle finden es normal“, so heißt es am Ende — und dies ist ein Satz, der immer noch auf erschreckende Weise passt und viel über unsere Gegenwart erzählt. Heute vielleicht sogar noch mehr als damals. 

Curveball - Wir machen die Wahrheit (2020)

1999. Obwohl er mit der UN-Kontrollmission schon den ganzen Irak erfolglos danach abgesucht hat, ist BND-Biowaffenexperte Arndt Wolf (Sebastian Blomberg) besessen von der Idee, dass Saddam Hussein heimlich Massenvernichtungswaffen herstellt. Doch außer ihm interessiert sich beim deutschen Geheimdienst niemand so richtig für das Thema. Das ändert sich, als Wolf einen irakischen Asylbewerber, Codename ,Curveball‘ (Dar Salim), als Informant zugeteilt bekommt. Denn der berichtet, er sei bei der Biowaffenfabrikation im Irak dabei gewesen. Eine Sensation für den krisengeschüttelten BND. Auf groteske, fast surreale Weise erzählt „Curveball“, wie in der Folge eine gefakte Information Vorgänge in Gang setzt, die die Welt nachhaltig verändern. Eine wahre Geschichte. Leider.

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Meinungen

Paul Rosdy · 06.10.2021

Ein. Sehr guter Film.

sven jösting · 03.10.2020

was für ein guter Film, klar: Drama, Kommödie + Kriegsfilm.....gerade im Rahmen Filmfest Hamburg gesehen. Es klingt unglaublich, wie auf der Basis von Fake News mal eben ein Krieg angezettteltt wird, wei man - die Amis, Regierung Bush - da unbedingt einen Krieg will. es mögen wohl 1 Mio - indirekt wie direkt - an Todesfällen damit in Zusammenhang stehen wie auch die Destablisierung des mittlerern Ostens. Wie lächerlich sich ein geheimmdienst - BND - machen kann, unglaublich. Und keiner wird dafür zur Rechnschaft gezogen. Der Film ist klasse gemacht, sicherlich in Teilen überspitzt aber es klingt so, wie es denn auch war.