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Basierend auf einer wahren Geschichte und mit einer äußerst vitalen Mischung aus Spielfilm, dokumentarischen Elementen und Animationssequenzen erzählt Sven O. Hill in Coup von einem Gentleman-Gauner in Rockerkutte – und das ist vor allem sehr lustig und herrlich schräg.

Coup (2019)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

True Crimes

Wer sich ein wenig mit Podcasts auskennt, weiß, das True-Crime-Storys dort gerade schwer angesagt sind. Und auch im Fernsehen und bei diversen Streaminganbietern hat diese ganz besondere Gattung zahlreiche Fans. Nominell zumindest und auf dem Papier könnte man auch Sven O. Hills Film Coup“, der 2019 bei den Hofer Filmtagen mit dem Förderpreis Neues Deutsches Kino ausgezeichnet wurde, als True-Crime-Story bezeichnen. In Wirklichkeit aber bildet dies nur den äußeren Rahmen für einen Film, der sehr zeitgeistig die Atmosphäre der 1980er Jahre treffsicher einfängt und der zugleich eine Liebeserklärung an die schrägen und unangepassten Hamburger Jungs (und Mädels) ist, die in der Zeit dort abhingen.

„Nach einer wahren Geschichte, basierend auf Original-Interviews“, so ist gleich am Anfang des Filmes zu lesen, doch es dauert ein Weilchen, bis man Coup in seiner Machart auf die Schliche kommt. Dabei begann alles eigentlich ganz einfach, durch einen Zufall und über fünf Ecken, wie man das eben so kennt. Von einem Bekannten hörte der Filmemacher nämlich die Geschichte eines Ex-Bankangestellten, der in den 1980ern ein großes Ding durchgezogen hatte und mit einigen Millionen auf dem Konto nach Australien verschwunden war, den dann aber die Liebe und das Heimweh wieder zurücktrieben nach Hamburg. Weil „Hamburg, meine Perle“ – eh klar. Seltsamerweise aber war das Ding, der Coup, den der Ex-Banker durchgezogen hatte, nie groß in die Schlagzeilen geraten – und spätestens da war das Interesse Hills endgültig geweckt.

Und so sehen wir gleich zu Beginn eben jenen Ganoven die Elbe entlanglaufen und von seiner Beziehung zu Hamburg plaudern. Diese Interviews beziehungsweise Monologe bilden eine fast durchgängige Tonspur, während sich das Bild zunehmend von dem realen Vorbild löst und stattdessen in die fiktionalisierte und inszenierte Spielhandlung wechselt. In der sehen wir den 22-jährigen Rüdi (Daniel Michel), der es sich zwischen langweiligem Job bei der Bank und seiner Freizeit als Rocker eigentlich recht bequem eingerichtet hat. Bis ihn die Frage seines Freundes Tobi (Tomasz Robak) kalt erwischt, ob Rüdi denn noch Lust habe auf seine Arbeit. Wenn er ehrlich ist, kann er sich wirklich etwas Besseres vorstellen. Und weil er in einer Bank arbeitet, weiß er genau, welche Grauzone es bei seinem Job gibt, die er für sich ausnutzen kann. Zwar gelingt der Coup, doch die Flucht nach Australien verläuft anders als geplant, da Rüdis Freundin (Paula Kalenberg) mit dem gemeinsamen Kind nicht nachkommen will. Und so nimmt das Schicksal seinen Lauf, meint es aber mit dem ausgekochten Schlitzohr und Nebenberufsrocker dann doch ganz gut.

Immer wieder findet Sven O. Hill für seinen überaus verschmitzt-humorvollen Genre- und Stilmix herrlich spröde Einstellungen und Szenenarchitekturen, die mal an Klaus Lemke, dann wieder an skandinavische Großlakoniker wie Aki Kaurismäki erinnern. Wenn etwa das etwas verlodderte Triumvirat im piekfeinen Büro einer Luxemburgischen Großbank Platz nimmt und dort eine mit allen Wassern gewaschene Beraterin (Fabienne Elaine Hollwege) an den Rand des Verlusts jeglicher Contenance treibt, sprüht diese Szene förmlich vor subversivem Witz und der schieren Lust daran, möglichst unvereinbare Gegensätze lustvoll aufeinandertreffen zu lassen.  Für die Animationssequenzen, die natürlich auch aus der schieren Notwendigkeit eines kleinen Budgets und fehlender zeitgenösssischer Aufnahmen entsprang, zeichnet übrigens Xaver Böhm verantwortlich, dessen überaus sehenswertes Spielfilmdebüt O Beautiful Night 2019 für einige Furore sorgte.

Selten, viel zu selten sind Filme wie Coup mittlerweile im durchkonfektionierten deutschen Kino geworden. Und es steht zu befürchten, dass sich daran so schnell nicht etwas ändern wird. Dennoch und vielleicht gerade deswegen steht dieser Film nicht nur in der Tradition widerspenstiger deutscher Filmautor*innen, sondern zeigt zugleich, dass deren Erbe nach wie vor höchst lebendig ist – wenn sich nur jemand traut, diese allen Trends zum Trotz auf die Leinwand zu bringen.

Coup (2019)

Sommer 1988: Ein 22-jähriger Bankangestellter, Familienvater, Rocker, raubt seiner Bank Millionen. Aber nicht mit Pistole und „Hände hoch“, sondern indem er eine Sicherheitslücke entdeckt und mit einem ausgetüftelten Coup die Beute zur Seite schafft. Mit den geklauten Millionen setzt er sich nach Australien ab und weiht erst von dort aus am Telefon seine Lebensgefährtin ein. Sie will aber nicht zu ihm nachkommen. Damit hat er nicht gerechnet. Sein Aufenthalt im australischen Luxushotel wird zum goldenen Käfig. (Quelle: AG KIno)

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