Control (2007)

Eine Filmkritik von Monika Sandmann

Ein brillanter Film über den Sänger Ian Curtis und seine Band Joy Division

Vom Verlust der Kontrolle und einem bis heute rätselhaften Suizid erzählt der Film des Holländers Anton Corbijn. Es ist die Geschichte von Ian Curtis, Sänger der britischen Band Joy Division. Mit nur 23 Jahren nahm sich Curtis das Leben. Die Gründe sind nur zu vermuten. Und auch der Film gibt keine eindeutige Antwort. Nur eine Ahnung von den düsteren inneren Mächten, die in Curtis kämpften und ihm wohl keine andere Wahl ließen, als sich ganz aus dem Leben zu verabschieden.

Der Film bleibt bewusst und konsequent bei seinem Protagonisten. Einem verwirrt und verschüchterten jungen Mann, dem die Melancholie auch noch sehr gut steht. Sam Riley spielt Curtis. Und die äußere Ähnlichkeit der Beiden ist schon frappierend. Riley war bisher nur im Fernsehen zu sehen: zum Beispiel in Law and Order-Folgen. Das ändert sich. Zur Zeit dreht er mit Regisseur Gerald McMorrow Franklyn und es müsste schon mit dem Teufel zugehen, wenn sich Riley nicht innerhalb Kürze zu den ganzen Großen des Business mausert. Er ist DIE Entdeckung des Films.

Dabei war er beruflich hauptsächlich als Musiker unterwegs. Ein Umstand, den sich Corbijn zunutze machte. Er ließ Riley selbst singen. Auch die Band-Darsteller hängten sich so in ihre Arbeit, dass Corbijn auf jegliches Playback verzichtete und quasi Live-Konzert-Mitschnitte filmte. Ein Höchstmaß an Glaubwürdigkeit. Man möchte fast sagen, Riley ist Curtis. So wie er sich auf der Bühne bewegt, aggressiv-verloren gegen seinen untergründigen Schmerz ansingt, sich verzweifelt in eine scheinbare Ausweglosigkeit katapultiert und von epileptischen Krämpfen geschüttelt wird, meint man, dass Riley tatsächlich kennt, was er da spielt.

Und dann gibt es die sanften, lichten Momente, in einem konsequent schwarz-weiß gefilmten Werk. Wenn Curtis verschämt die Hand Debbies (Samantha Morton) hinter dem Rücken seines Kumpels ergreift. Wenn sich die Beiden scheu anlächeln und später auf einer Wiese ausgelassen fangen spielen. Oder wenn er sich in die junge Belgierin Annik verliebt, die die feixend-rotzige Band interviewt. Alexandra-Maria Lara spielt sie. Lara ist kaum wieder zu erkennen in ihrem 70th Make-up. Ihren Rehaugen, dem sanften Blick und der hauchzarten verletzlichen Aura kann sich Curtis aka Rileys nicht entziehen. Im Film wie im realen Leben.

Doch Curtis ist verheiratet mit Debbie. So spontan er um ihre Hand angehalten hat, so beiläufig hat er ihrem Wunsch, ein Baby zu haben, nachgegeben. Viel zu früh, wie er schmerzlich fühlt. Hin- und hergerissen zwischen der Liebe zu ihr und dem Abscheu eines bürgerlichen Lebens, dem er sich längst nicht gewachsen fühlt. Panisch flüchtet er aus dieser Zweisamkeit in sein wildes Musikerleben und hin zu Annik, um doch wieder zu Debbie zurück zu kehren, die verzweifelt um ihre Liebe kämpft. Eine Liebe, die so groß ist, dass sie selbst Curtis unflätiges Benehmen nicht zerstören kann. Dass sich Curtis im gemeinsamen Haus das Leben nimmt, wird so zwangsläufig.

Tatsächlich ist es das Haus in Manchester, in dem Ian und Deborah Curtis lebten. Am Originalschauplatz inszenierte Corbijn Curtis´ Selbstmord. Das Drehbuch, geschrieben von Matt Greenhalgh, basiert auf Deborahs Biografie Touching from a distance, die sich mit Corbijns Prämisse, keinen Film über sie, sondern über Ian zu machen, einverstanden erklärte. Doch natürlich ist es auch ein Film über sie und alle, die dem Sänger nahe standen. Dessen Freitod am 18. Mai 1980, kurz bevor die Band zu ihrer ersten großen Tour in die USA aufbrechen wollte, bleibt für alle unerklärlich.

Anton Corbijn, der bislang als Fotograf (Cover von U2, Depeche Mode) und Musikvideofilmer für Nirvana, Coldplay, Red Hot Chili Peppers und Johnny Cash unterwegs war – das Wort „Starfotograf“ verbittet er sich — lernte die Band in ihrer Anfangszeit kennen. Es war ihm ein persönliches Anliegen, diesen Film zu machen, ihn so zu machen, wie er es wollte.

Als von Mythen befreites, alle Brüche aufnehmendes Portrait eines Ausnahmetalents der 70er Jahre. Die energiegeladene, kraftvolle Musik mit ihren depressiv-melancholischen Texten, die schwarz-weiß Ästhetik, die das Lebensgefühl des Auf- und Umbruchs im tristen Manchester einfängt und die hinreißenden Darsteller machen Control zu einem coolen Meisterwerk, das sein Entree als Eröffnungsfilm der „Quinzaine des Réalisateurs“ auf dem diesjährigen Filmfestival in Cannes gab und auf der Cologne Conference den TV-Spielfilmpreis erhielt. Es wird sicher nicht sein letzter Preis sein.
 

Control (2007)

Vom Verlust der Kontrolle und einem bis heute rätselhaften Suizid erzählt der Film des Holländers Anton Corbijn. Es ist die Geschichte von Ian Curtis, Sänger der britischen Band Joy Division. Mit nur 23 Jahren nahm sich Curtis das Leben.

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Meinungen

Ich · 12.02.2008

Bin seid meiner Jugend und das ist schon eine Weile her,Joy division Fan.Ich kenne also die Geschichte um diese Band. Aber noch nie hat mich ein Film so bewegt und nach denklich gemacht, wie dieser. Mein Kompliment für diesen wunderbaren Film.Danke

stella maris · 30.01.2008

der film ist genial- großartig
weiß jemand, ob es das filmplakat irgendwo zu kaufen gibt???

stella maris · 30.01.2008

ich kann mich nicht daran erinnern wann ich das letzte mal solch einen brillianten film gesehen habe.
danke an anton für dieses geschenk, danke an die großartigen schauspieler. Sam riley - er könnte durchaus ian curis sein -
Ab 12. feb. gibt es den film auf dvd im handel

björn-alexander lösekann · 20.01.2008

niemand hätte diesen film besser machen können, als anton corbijn ! perfekt in szene gesetzt von einem der besten schwarz-weiss fotografen unserer zeit ! auch die schauspieler glänzen in ihren rollen, besonders sam riley, der den zuschauer zuweilen vergessen lässt, das da nicht ian curtis zu sehen ist! egal was 2008 noch in die kinos kommen mag, dieser film ist schon zum jahresbeginn DAS kino highlight des jahres !
absolut sehenswert !!!

m@ffm · 17.01.2008

Als einer derjenigen, die JD & und ihre MUSIK im wahrsten Sinne seit dem ersten Hören immer "verehrt" haben, ist ein Urteil über den Film sehr perspektivisch. Trotzdem: Längst überfällig, sich dieser authentischsten Gruppe auf diesem absolut angemessenem ästhetisch hohen Niveau zu widmen. Doch an die Musik und die realen Geschehnisse kann auch der Film nur erinnern - aber das in beeindruckendster Weise. ***

thelonious · 14.01.2008

gerade weil corbijn nicht jede szene auspielt und verknüpft sondern tolle und schlaue sprünge macht wirkt vieles skizzenhaft aber doch intensiv - nur die off kommentare haben mich etwas gestört... die bildsprache ist sowieso top - nur muss man sich im deutschen zunächst an die stimme von "frodo" gewöhnen..)))

354skank · 12.01.2008

Ein Film von höchster atmosphärischer Dichte - und überaus intensiv. Der offenbare Anspruch des Regisseurs, dieses kurze Musikerleben klischee- und glamour-, aber frei auch von jeder verlogenen "das waren geile Zeiten"-Romantik zu gestalten, sein nüchterner - aber auch am Schicksal dieser jungen Leute anteilnehmender - Blick, und die beeindruckende Präsenz der Darsteller - zuvörderst Sam Riley und Samantha Morton - heben diesen Film weit aus der Kino-Normalität heraus. Die Kamera ist poetisch -und doch ganz der Realität verpflichtet. Und die Musik ist noch immer schön. Toller Film.

Katrin · 11.01.2008

Toller Film. Schon früher fand ich Joy Division grossartig, es war toll, die Musik nochmal zu hören. Habe gleich die alten Platten wieder herausgekramt. Und auch die Bilder waren toll. Ein Film für eingefleischte Joy Division Fans.

Antje Bohnhorst · 10.01.2008

Hab in letzter Zeit mehrere Musikerbiographien im Kino gesehen und habe mich bei "Control" gefragt, ob ein Spielfilm wirklich die richtige Form für so etwas ist - dokumentarisch oder semi-dokumentarisch ist solchen Sujets, glaube ich, angemessener.

Dennoch: Ein grandioser Film mit einem unglaublichen Hauptdarsteller - und mir wurde mal wieder klar, wieviel mir die Musik von Joy Division bedeutet hat und immer noch bedeutet; dabei war ich selbst damals noch zu jung und hab sie erst ein paar Jahre später für mich entdeckt.

Naomi · 08.01.2008

Unglaublich... ich muss ihn nochmal sehen!

Rick · 19.10.2007

Absolut großartig!!