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Die Vermeer-Ausstellung im Rijksmuseum in Amsterdam war mit 28 von 35 Werken die bisher größte ihrer Art. „Reise ins Licht“ ist zugleich eine Behind-The-Scenes-Doku, eine filmische Ausstellung und ein Exkurs in die Kunstgeschichte.

Vermeer - Reise ins Licht (2023)

Eine Filmkritik von Lukas Hoffmann

Eine Kunst-Obduktion

„Das Mädchen mit dem Perlenohrgehänge“, „Dienstmagd mit Milchkrug“, „Ansicht von Delft“… Jan Vermeer, einer der wichtigsten und bekanntesten niederländischen Maler des Barocks, ist vor allem für seine ruhigen Bilder, seine Kompositionen und seine aufwendige Maltechnik bekannt. Mit nur 35 bekannten Bildern, die ihm sicher zuzuschreiben sind, ist sein Lebenswerk vergleichsweise überschaubar, seine einzelnen Gemälde dafür umso komplexer. Für die Vermeer-Ausstellung im Rijksmuseum, die von Februar bis Juni 2023 stattfand, gelang es Kurator und Vermeer-Experte Gregor J.M Weber und seinen Kolleginnen, erstmals 28 der Werke zusammen zu bringen. Von Planungsbeginn an dabei war die niederländische Filmemacherin Suzanne Raes, die in ihrer Dokumentation nicht nur den reinen Kurationsprozess, sondern auch weltweite Verhandlungen mit Museumsleiterinnen und Sammlerinnen, die technische Analyse der Werke und die Geschichte einzelner Bilder zum Thema macht. 

Vermeer – Reise ins Licht ist somit zugleich ein Exkurs in die Kunstgeschichte, eine für das Kino komprimierte Ausstellung und ein Behind the Scenes samt Betrachtung einer Szene. Raes stellt dafür bewusst verschiedenste Charaktere in den Mittelpunkt, jeder mit einer eigenen Vergangenheit mit Vermeers Werken und mit einem anderen Bezug zu Kunst. Gregor Weber und Jonathan Janson bieten als Kunsthistoriker und weltweit größte Vermeer-Experten nicht nur einen Einblick in kuratorische sowie künstlerische Prozesse, sondern transportieren in ihren ausschweifenden Monologen auch eine förmlich ansteckende Leidenschaft. Abbie Vandivere und Anna Krekeler ergänzen diese Perspektive als Konservator- und Restauratorinnen durch eine technische, aber nicht weniger leidenschaftliche Herangehensweise.

So verliert sich die Dokumentation nie in prätentiösen Gesprächen oder endgültig formulierten Deutungen. Stattdessen wird die Aufmerksamkeit häufig auf kleinste Details, auf nachträgliche Änderungen wie einen hinzugefügten Vogelkäfig oder handwerkliche Besonderheiten in Vermeers Maltechnik gelenkt. Regelmäßig wirkt es deshalb so, als würde man eine Obduktion in einem Kriminalfilm verfolgen: Mit Gummihandschuhen und größter Vorsicht werden die Bilder aus ihrem Rahmen gehoben, akribisch betrachtete Röntgenaufnahmen der Gemälde bringen neue Erkenntnisse über ihre Entstehung und Vergangenheit zum Vorschein. Auch der Urheberschaft einzelner Werke wie „Das Mädchen mit einem roten Hut“ wird nachgegangen. 

Neben den Röntgenaufnahmen wird jedem besprochenen Gemälde auch in seiner natürlichen Optik genug Zeit auf der Leinwand eingeräumt, um es über einen flüchtigen Eindruck hinaus auf sich wirken zu lassen. Unterstützt von der Musik des rumänischen Jazz-Musikers Alex Simu, der bereits vor Drehbeginn ein eigenes Stück für jedes Gemälde Vermeers komponierte, fängt Raes all das in geblockten Einstellungen und mit einer Ruhe ein, die regelmäßig selbst an Vermeers ästhetisches Feingefühl erinnert. Dabei verliert sie trotzdem zu keinem Zeitpunkt das Gefühl für Pacing und den roten Faden der Kuration, was sich in der kompakten Laufzeit von 78 Minuten zeigt. 

Egal ob Kunstfanatikerin oder Vermeer-Fan, durchschnittliche Museumsbesucherin oder inhaltliche Neueinsteigerin, Reise ins Licht bietet für jeden Wissensstand einen Mehrwert: Persönliche Geschichten und humorvolle Unterhaltungen finden genauso ihren Platz wie obduktionsartige Analysevorgänge und der aktuelle wissenschaftliche Diskurs. Vermeers Lebenswerk wird faszinierend in Szene gesetzt, jedes kuratierte Bild bekommt eine angemessene Bühne. Zu keinem Zeitpunkt geht es um überzeichneten Stress oder Streit im Team, reißerische und polarisierende Themen finden kaum statt. Im Mittelpunkt steht allein die Kunst Vermeers.

Vermeer - Reise ins Licht (2023)

Was macht einen echten Jan Vermeer aus? Gregor Weber, ein renommierter Vermeer-Experte, kuratiert die bisher größte Ausstellung über den bekannten niederländischen Maler des Barocks im Rijksmuseum in Amsterdam. Auf Reisen zu internationalen Museen, Kunstexpert*innen und Sammler*innen trägt er nach und nach die Gemälde des Künstlers zusammen. Dabei begegnet ihm immer wieder die Frage „Ist es ein echter Vermeer?“. Der Film bietet nicht nur Einblick in Vermeers Schaffen, sondern transportiert auch die Faszination, die seine Kunstwerke heute noch besitzen. (Quelle: DOK.fest München)

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