Cleanskin

Eine Filmkritik von Rochus Wolff

Zeit des Zweifels

Wie sucht man eigentlich jemanden, von dem man gar nichts weiß? Wie fängt man einen Verbrecher, bevor er die Tat verübt? Ein „Cleanskin“ ist so ein Mensch, der bisher nicht auffällig geworden ist, den Behörden unbekannt – und doch wird Spezialagent Ewan (Sean Bean) auf ihn angesetzt, denn ein ganzer Koffer voll C4-Sprengstoff ist gestohlen worden, zu allem Überfluss auch noch unter Ewans Augen, und schon bald danach sprengt sich ein Selbstmordattentäter vor einem Londoner Café in die Luft. Von seiner Vorgesetzten Charlotte (Charlotte Rampling) bekommt Ewan deshalb den Auftrag, rasch und unter Verzicht auf alle üblichen Einschränkungen nach dem Kopf der Terroristen zu suchen.
„This is no time to doubt – innocent lives are at stake. Finish it.“ So lautet die Anweisung, und Ewan arbeitet sich, systematisch tötend und folternd, an seinen Indizien entlang. Dabei schreckt er nicht davor zurück, unschuldige Zeugen mit in die Ermittlungen zu verwickeln, wenn ihm das nützt: Geschwindigkeit und Erfolg heiligen alle Mittel, und dabei bleiben auch schon mal Unschuldige tot auf der Strecke.

Die Bedingungslosigkeit, mit der der Agent seine Ziele verfolgt, kontrastiert Cleanskin mit den Skrupeln des Terroristen: Ewans unbekannter Gegenspieler ist Ash (Abhin Galeya), ein junger, muslimischer Brite, der sich in den letzten Jahren radikalisiert hat und der, während er weitere Anschläge vorbereitet, mit seiner eigenen Vergangenheit konfrontiert wird und über sie nachzudenken beginnt.

Hadi Hajaig zäumt also in seinem dritten Film das Pferd Terrorismus von zwei Seiten auf, indem er nach Motivationen und Methoden auf beiden Seiten fragt – sowohl auf Seiten der Täter als auch auf Seiten der Jäger. Das verdichtet sowohl Atmosphäre als auch Spannung, sorgt aber vor allem dafür, dass sich die Sympathien und Antipathien nicht so leicht verteilen lassen, wie man dies vielleicht auf den ersten Blick erwarten würde.

Cleanskin reiht sich damit in eine Reihe von Thrillern ein, die Terrorismus zum Thema gewählt haben, aber auf die einfache Sichtweise des eher in Dichotomien denkenden Actionkinos verzichten. Das begann schon 1998 mit dem abgründigen Ausnahmezustand, in dem Bruce Willis einen rücksichtslos folternden US-General gibt, und fand zuletzt Ausdruck in Unthinkable. Samuel L. Jackson ist darin ein von der CIA für allerlei schmutzige Aktionen ausgebildeter Folterknecht, der einem Terroristen entlocken soll, wo in den USA dieser eine Reihe von schmutzigen Bomben versteckt habe. Jordans Film spitzt die Frage, was im Namen der Terrorbekämpfung erlaubt sei, auf einen ganz präzisen Punkt zu, und weigert sich bis zuletzt, den Zuschauern einen bequemen Weg aus dem selbst gestellten Dilemma zu geben.

Hajaig treibt uns nicht so weit in ein Dilemma, sondern hält die Geschichte doch deutlich mehr auf Abstand – so wenig man sich mit Ewan und Ash im Einzelnen identifizieren mag, so sehr auch ihre Motive verständlich bleiben, sie sind doch eher interessante, auch aufregende Studienobjekte. Wie so oft in guten Thrillern liegt der Kern der Bedrohung hier dann ein wenig versteckt, hinter den Kulissen. Da wird Cleanskin ganz zuletzt dann deutlich und böse – und gibt sich optimistisch, wo sich doch eigentlich eine grundlegende moralische Schwärze aufgetan hat.

Dabei funktioniert der Film zugleich und hauptsächlich auch als oberflächlicher, ziemlich schmutziger B-Thriller, in dem viel geschlagen, geschossen und gestorben wird, und der Zuschauer darf sich dann am Schluss aussuchen, ob er den politischen Subtext als Dreingabe lesen will oder die dreckigen Actionszenen als Ausdruck politischer Grausamkeiten versteht – die Kämpfe sind geerdet, ohne elegante Kampfchoreographien: das sind Schlägereien, die vage an die Bourne-Filme oder Daniel Craigs James Bond erinnern, ohne deren ausgeklügelte Inszenierungen übernehmen zu wollen.

Cleanskin

Wie sucht man eigentlich jemanden, von dem man gar nichts weiß? Wie fängt man einen Verbrecher, bevor er die Tat verübt? Ein „Cleanskin“ ist so ein Mensch, der bisher nicht auffällig geworden ist, den Behörden unbekannt – und doch wird Spezialagent Ewan (Sean Bean) auf ihn angesetzt, denn ein ganzer Koffer voll C4-Sprengstoff ist gestohlen worden, zu allem Überfluss auch noch unter Ewans Augen, und schon bald danach sprengt sich ein Selbstmordattentäter vor einem Londoner Café in die Luft.
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