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Regisseur Nicholas Stoller und sein Co-Autor/Hauptdarsteller Billy Eichner laden uns mit ihrem Werk „Bros“ ins schwule New Yorker Leben ein – voller Anspielungen, Cameos und Gefühlschaos.

Bros (2022)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Meta-Romantik

„Bros“ wird als erste schwule romantische Komödie eines großen Hollywood-Studios vermarktet. Inszeniert wurde der Film von Nicholas Stoller, der mit ungestümen Comedys wie „Nie wieder Sex mit der Ex“ (2008), „Männertrip“ (2010) und „Bad Neighbors“ (2014) Erfolge feierte; als Produzent fungierte Judd Apatow („Superbad“). Auch wenn das Marketing etwas zu großspurig daherkommt und einige Entwicklungen des queeren Kinos der letzten Jahrzehnte zugunsten der eigenen Bedeutung ausblenden mag: Ein spannendes Projekt ist dieses Werk ganz ohne Zweifel.

Das beginnt bereits beim Casting: Neben Hauptdarsteller Billy Eichner, der mit Stoller auch das Skript schrieb, und seinem Leinwandpartner Luke Macfarlane besteht auch ein Großteil der übrigen Besetzung aus queeren Personen. Es gibt unentwegt Hinweise auf die queere Kultur, auf Apps und Ikonen, auf Filme und Serien, auf Klischees und Konventionen. Bekannte Gesichter, von Debra Messing (Will & Grace) bis Harvey Fierstein (Mrs. Doubtfire), tauchen auf, One-liner werden hin und her geschleudert, bis uns beinahe schwindelig wird.

Bros will kein Nischenkino sein, sondern ganz entschieden ein großes Publikum erreichen, wie es die US-RomComs der 1990er Jahre, von Schlaflos in Seattle (1993) bis e-m@il für Dich (1999), getan haben. Das bedeutet indes nicht, dass er sich auf Zugeständnisse an möglicherweise noch immer verklemmte Hetero-Zuschauer:innen einlässt, wenn es um schwules Dating und schwulen Sex geht. Vieles verhandelt der Film auf einer Meta-Ebene. Etwa wenn der Protagonist Bobby, der auch als Autor und Podcaster tätig ist, in einem Meeting von einem bemüht toleranten Produzenten gebeten wird, eine nette schwule romantische Komödie mit einem liebenswürdigen Pärchen zu schreiben, die der Welt zeigen soll, dass Schwule „ganz normal“ sind.

Wie sich auch die Figuren in den Hetero-Varianten des (Sub-)Genres mehr und mehr vom idealisierten Bild der niedlichen Held:innen wegbewegt haben (etwa in Apatows Dating Queen), buhlen auch Bobby und sein Love Interest Aaron sowie deren gesamtes Umfeld nicht zwanghaft um unsere Sympathien. Es handelt sich um zuweilen ziemlich enervierende Personen, die sich in erster Linie selbst im Wege stehen. Während es bei queeren Figuren in Romanen, Theaterstücken, Filmen und Serien oft um die Schwierigkeiten des Coming-outs geht, werden hier die persönlichen Schwächen und Ängste ins Zentrum gerückt.

Das bedeutet wiederum nicht, dass Diskriminierungserfahrungen im Rahmen einer queeren Biografie nicht mitgedacht werden. Bobby ist Teil des Verwaltungsrates eines Museums für LGBTQ+-Geschichte. Hier gelingt es dem Film, den Wunsch nach Sichtbarkeit einerseits selbstironisch zu reflektieren und andererseits doch ernst zu nehmen. Die Diskussionen in den Ratssitzungen gehören zu den Highlights des Werks – ebenso wie die Auftritte von Amanda Bearse (Eine schrecklich nette Familie) als Aarons Mutter, die mit Bobby beim Kennenlern-Treffen im winterlichen Manhattan herrlich aneinandergerät.

Auf audiovisueller Ebene bleibt Bros ein äußerst formelhafter Mix aus Schuss-Gegenschuss, Montagesequenzen und kurzen Split-Screen-Passagen. Das kann man wohlwollend als Anlehnung an zahllose 08/15-RomComs interpretieren. Die besten Vertreter, etwa jene von Nora Ephron, zeigten allerdings auch gestalterisch stets mehr Raffinesse, als sich mit einem schlichten Abfilmen geistreicher Dialoge zufriedenzugeben. Hier wäre eine größere Ambition im Finden einer dezidiert queeren Ästhetik vermutlich ein Gewinn gewesen.

In den USA erzielte der Film trotz positiver Kritiken an den Kinokassen kein allzu erfreuliches Einspielergebnis. Ist das Mainstream-Publikum eventuell noch immer nicht bereit, sich auf Stoffe außerhalb der Heteronorm einzulassen? Lag es am Framing der Werbekampagne? Oder sind die Gründe im Wandel der Kinolandschaft und in der Konkurrenz durch Streaming-Angebote zu finden? Das lässt sich wohl nicht ohne Weiteres beantworten. Daran, dass Bros keine gute Unterhaltung bieten würde, liegt es jedenfalls nicht.

Bros (2022)

Billy Eichner spielt im Film einen schwulen Mann mit Bindungsproblemen, der sich in einen anderen Mann (Luke Macfarlane) verliebt, der ebenfalls Probleme damit hat, eine Beziehung einzugehen.

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