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Die DC-Verfilmung „Blue Beetle“ macht das Superheld*innen-Kino diverser, ist aber leider ein halbgarer Mix aus allen möglichen Zutaten und Stimmungen. Eine gelungene Alternative zum üblichen Wir-müssen-die-Welt-retten-Radau sieht wahrlich anders aus!

Blue Beetle (2023)

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Superkraft Familie

Der Kinostart des Animationsabenteuers „Spider-Man: Across the Spider-Verse“ sorgte Anfang Juni 2023 fast schon für kollektives Aufatmen. Superheld*innen-Filme können tatsächlich noch überraschen, sich von Mustern lösen, visuell völlig freidrehen und das Publikum auf einen wirklich staunenswerten Ritt entführen. Was mittlerweile, nach unzähligen oft sehr ähnlich gebauten Blockbustern, totgeritten schien, erlebte eine furiose Wiederauferstehung und feierte mit dem Protagonisten Miles Morales, einem afroamerikanisch-puerto-ricanischen Teenager, ganz ungezwungen die im Weltenretter*innen-Kosmos lange Zeit schwach ausgeprägte Diversität. Mehr Abwechslung, neue Repräsentation garantiert auch die DC-Comic-Adaption „Blue Beetle“, die um einen jungen Mexikaner mit Superkräften kreist und als Verneigung vor der Latinx-Kultur gedacht ist. Das Endergebnis entpuppt sich jedoch als unausgegorener Ideen-Mix mit Klischeeeinlagen und plumpen erzählerischen Volten.

Jaime Reyes (Xolo Maridueña) ist entsetzt, als er nach erfolgreichem College-Abschluss in seine Heimatstadt Palmera City zurückkehrt. Seiner Familie, bestehend aus Mama Rocio (Elpidia Carrillo), Papa Alberto (Damián Alcázar), Schwester Milagro (Belissa Escobedo), seiner gemütlichen Oma (Adriana Barraza) und seinem Onkel Rudy (stiehlt den anderen oft die Show: George Lopez), droht der Verlust ihres bescheidenen, aber geliebten Eigenheims. Jaime will daher auf dem Arbeitsmarkt angreifen, träumt vom großen Erfolg, muss sich allerdings zunächst mit einem Aushilfsjob in der Villa der Großindustriellen Victoria Kord (Susan Sarandon) begnügen. Dort lernt er deren Nichte Jenny (Bruna Marquezine) kennen, die mit ihrer profit- und machtgierigen Tante auf Kriegsfuß steht. 

Nur wenig später drückt ihm ebenjene Jenny eine Fastfood-Schachtel in die Hand mit der Bitte, sie nicht zu öffnen und sie gut zu verwahren. Angefeuert von seinen neugierigen Verwandten, wirft Jaime dennoch einen Blick hinein und weiß anschließend nicht, wie ihm geschieht. Der darin liegende blaue Käfer, ein Skarabäus genanntes, auf außerirdischer Biotechnologie basierendes Relikt, erwacht zum Leben und setzt sich in Jaimes Rücken fest. Die Folge: Plötzlich ummantelt ihn eine Rüstung, die ihn erst mal unkontrolliert bis in die Umlaufbahn sausen lässt. Dummerweise benötigt Victoria Kord den Skarabäus für ihr neuestes Produkt, das ultimative Sicherheit verspricht. 

Ganz unterschiedliche Einfälle in einen Topf zu werfen und sie kräftig zu verrühren, kann herrlich anarchische Filme hervorbringen. Groß ist aber auch die Gefahr, dass alles zu einem seltsam beliebig anmutenden Brei verkommt. Bei Blue Beetle ist eher Letzteres der Fall. Recht plakative Kritik am US-Imperialismus, an einem rücksichtslosen Kapitalismus, an Diskriminierung und Ausbeutung wechseln sich ständig mit teilweise albernen Spaßeinlagen, großen Pathosgesten und Transformers-artigem Gekloppe ab. Jaimes Geschichte soll bitteschön lustig sein, ernste Töne anschlagen, Zusammenhalt beschwören und uns mit Spektakel verwöhnen. Irgendwie fehlt dem Ganzen jedoch Herz und Seele, selbst wenn der Protagonist und seine Sippe nicht unsympathisch sind. 

Offenkundig möchten die Macher um Regisseur Ángel Manuel Soto dem Publikum ein Gefühl für das Leben in einer Latinx-Gemeinschaft geben. Mehrfach greifen sie dabei allerdings auf sattsam bekannte Klischees zurück, ohne diese auf überraschende Weise zu brechen. Jaimes Familie ist laut, überdreht, eng verbandelt, während Jenny ohne Eltern und mit einer skrupellosen Tante dasteht. Verwandtschaftliche Geschlossenheit als eine Art Superstärke zu markieren, ist ein spannender Gedanke. Vor allem gegen Ende greift das Drehbuch aber auf denkbar abgegriffene Versatzstücke wie die Motivationsrede eines Verstorbenen zurück, um den Plot voranzutreiben.

Nicht allzu gut sieht es auch auf der dunklen Seite aus. Widersacherin Victoria Kord ist eine Schurkin mit 08/15-Plänen, die Standardsätze von sich gibt und wenig Charisma versprüht. Susan Sarandon kann man dabei keinen großen Vorwurf machen. Viel zu dünn ist das, womit sie hier arbeiten muss. Wie unbedarft der Film mitunter konstruiert ist, zeigt überdies das Beispiel ihres Handlangers Conrad Carapax (Raoul Max Trujillo). Dessen tragische Vorgeschichte wird im Showdown nämlich unglaublich platt aufgelöst. 

In puncto Actioninszenierung gibt Blue Beetle eine ordentliche Figur ab – nicht mehr und nicht weniger. Wirklich nervig sind dagegen manche cool gemeinten Dialogzeilen aus der Mottenkiste. „Du hättest mich töten sollen, als du die Chance dazu hattest!“ ist einer dieser schrecklich ausgelutschten Sprüche. Gerade wegen seiner Verortung in der lateinamerikanischen Kultur hätte der Film eine eigene Identität entwickeln, dem Superheld*innen-Kino eine aufregende Facette hinzufügen können. Genau daran scheitert die wild zusammengestoppelte Mischung aus Ernst, Komik und familiärer Erbauung jedoch in weiten Teilen. Was festzuhalten bleibt: Dank Blue Beetle weiß man die Qualitäten von Spider-Man: Across the Spider-Verse noch mehr zu schätzen.

Blue Beetle (2023)

Der frisch gebackene College-Absolvent Jaime Reyes kehrt hoffnungsvoll in seine Heimat zurück. Doch er muss feststellen, dass sein Zuhause längst nicht mehr so ist, wie er es einst zurückgelassen hat. Während er noch auf der Suche nach seinem Platz in der Welt ist, greift das Schicksal ein. Jaime gelangt unerwartet in den Besitz des „Skarabäus“ – eines uralten Relikts, das auf außerirdischer Biotechnologie basiert. Als der geheimnisvolle Käfer ihn als symbiotischen Wirt auswählt, sieht sich Jaime plötzlich mit einer fantastischen Rüstung ausgestattet, die ihm außergewöhnliche Kräfte verleiht. Schnell wird klar, dass sich sein Leben durch den Fund für immer verändern wird: Jaime wird zum Superhelden Blue Beetle.

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