Log Line

Mit Handkamera die Spielregeln des Kapitalismus offenlegen. BlackBerry war der größte Player auf dem Mobilfunkmarkt — bis das iPhone kam. Die Geschichte des Auf- und Abstiegs von BlackBerry erzählt der gleichnamige Film von Matt Johnson.

BlackBerry - Klick einer Generation (2023)

Eine Filmkritik von Sophia Derda

Work Hard, Play Hard, Fail Hard

Mein erstes Smartphone war ein Blackberry. Es muss 2010 gewesen sein, und ich war sehr, sehr stolz. Mir gefiel die Haptik, ein Handy mit Tastatur. Wie ein kleiner Laptop für die Hosentasche. 1999 brachte RIM (Research in Motion) das erste Gerät mit der Bezeichnung Blackberry 850 auf den Markt, welches nachfolgend das Zeitalter der mobilen Kommunikation einläutete. Erstmals war es möglich, E-Mails über eine mobile Internetverbindung abzurufen oder neue Termine drahtlos zu synchronisieren. Ich schrieb mit meinen 15 Jahren zwar noch nicht viele Mails, aber die Möglichkeit zu haben, fühlte sich gut an.

BlackBerry beginnt dort, wo man es für eine klassische Rise-and-Fall-Geschichte eines großen Unternehmens erwartet: in einer heruntergekommenen Bude. Die Tech-Nerds Mike (Jay Baruchel) und Doug, gespielt von Regisseur Matt Johnson, bauen Modems und tüfteln an unausgereiften Ideen herum. Filmabende und genügend Zeit fürs Zocken darf aber natürlich nicht zu kurz kommen. Erst als der Geschäftsmann Jim Balsillie (Glenn Howerton) mehr oder weniger durch Zufall von ihrem ersten Konzept für ein Smartphone erfährt, beginnt sich ihr Leben zu wandeln. Von der Bruchbude geht’s in ein richtiges Büro,und schon kurz darauf ist der Firmensitz ein großes Anwesen. Mike und Doug profitieren von dem betriebswirtschaftlichen Wissen, das Jim mitbringt. Gleichzeitig ist die technische Ausarbeitung des ersten Smartphones so genial, dass die drei mit dieser Synergie kurz nach Zusammenschluss sehr erfolgreich werden. Von Waterloo, Kanada in die Welt hinaus.

Hinter die Fassade von börsenorientierten Unternehmen zu blicken, ist ein reizvoller Aspekt des Films. Probleme werden mit Geld gelöst. Geld, das man vielleicht selbst noch gar nicht hat. Aber solange man das Geld gut anlegt und auf die richtigen Investments setzt, kann man immer erfolgreicher werden. Während des Wachstums von BlackBerry stoßen die Protagonisten immer wieder auf Komplikationen, die sich mit menschlichen Ressourcen lösen lassen. Es gehört demnach zur Tagesordnung, mehrere Millionen in das Abwerben von Tech-Experten zu investieren, um auf dem Markt an der Spitze zu bleiben. Die Spielregeln des Kapitalismus werden offengelegt.

Das Drehbuch basiert auf dem 2015 veröffentlichten Buch Losing the Signal: The Untold Story Behind the Extraordinary Rise and Spectacular Fall of BlackBerry von den Journalisten Jacquie McNish und Sean Sicoff. Mit der Geschichte im Gepäck kamen die beiden auf Matt Johnson zu, der mit seinen Indie-Filmen The Dirties (2013) und Operation Avalanche (2016) in Kanada Bekanntheit erlangte. Es war allen Beteiligten ein großes Anliegen, die Verfilmung dieses “canadian dream” mit einer ausschließlich kanadischen Cast und Crew zu produzieren. Die Gründe dafür scheinen tief verankert in der Geschichte Kanadas und der USA zu liegen. Weltwirtschaftlich oder auch popkulturell betrachtet liegt Kanada weit hinter der Weltmacht USA. Dass sich Mitte der 90er Jahre aber ein kanadisches Unternehmen bei dem Wettkampf um das erste Smartphone durchgesetzt hat, scheint von großer Bedeutung zu sein.

Es ist sehr erfrischend zu sehen, dass es BlackBerry gelingt, typische Klischees von Rise-and-Fall-Geschichten elegant zu umschiffen versucht und den Fokus auf reizvolle Charakterentwicklungen legt. Das Dreiergespann Mike, Doug und Jim ist von Beginn des Films an zum Scheitern verurteilt. Zu unterschiedlich sind die Welten der beiden Tech-Nerds zu der des Business Mannes. Auf einen großen Konflikt zwischen den dreien als Klimax des Films wird aber vergebens gewartet. Vielmehr entwickeln sich die drei voneinander weg als aufeinander zu. Mike lernt sich in der Führung eines Unternehmens zurechtzufinden, Jim arbeitet sich an Investoren ab, und Doug zieht sich vollkommen zurück. Am Ende erleben alle drei für sich alleine den Untergang von BlackBerry, ganz ohne Drama oder zerbrochene Freundschaften. Trotz alledem fragt man sich, was uns der Film eigentlich sagen will. Viel mehr Eindrücke als die des Wikipedia-Eintrags werden leider nicht geliefert. Damit wirkt der Film merkwürdig aus der Zeit gefallen.

Es fällt schwer, BlackBerry zu sehen, ohne auch nur einmal an The Social Network (2010) oder Adam McKays Arbeiten wie The Big Short (2015) zu denken. Matt Johnsons eigener bissiger Humor gepaart mit dem Mockumentary-Stil hebt BlackBerry aber von diesen Filmen zum Teil ab. Die Figuren werden nahbar, die Geschichte wirkt geerdet. Ein Vergleich mit dem Dokumentarfilm Oeconomia (2020) von Carmen Losmann ist damit fundierter.

Als Apple mit dem ersten Smartphone mit Touch-Funktion auf den Markt kam, war das Ende von BlackBerry schon geschrieben. Das Unternehmen entwickelte keine neuen Ideen, die gegen dieses Produkt ankommen würden. So bleibt BlackBerry zwar die Innovation der 90er Jahre, aber Apple lebt den Fortschritt der 2000er. 2013 habe ich mein erstes iPhone bekommen. BlackBerry spielt schon lange keine Rolle mehr für mich.

BlackBerry - Klick einer Generation (2023)

Der Film berichtet vom Aufstieg und Fall des kanadischen Unternehmens BlackBerry, das in den 2000er-Jahren das gleichnamige erste Smartphone auf den Markt brachte. Nach Rechtsstreitigkeiten verlor BlackBerry seinen Marktvorteil an die Konkurrenten Apple und Samsung. Im Mittelpunkt der Handlung steht die Geschäftsbeziehung zwischen den Mitbegründern Mike Lazaridis und Jim Balsillie.

  • Trailer
  • Bilder

Meinungen

David Weeks · 08.10.2023

Lass mich bitte wissen wenn es in die deutschen Kinos kommt