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Ist man bereit, für eine Suppe seine Seele zu geben? Lance Daly erzählt von einem Mann, der während der Großen Hungersnot in Irland 1847 beginnt, seine Familie zu rächen – und auf die Unmenschlichkeit der britischen Besatzung aufmerksam macht.

Black 47 (2018)

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Die Große Hungersnot

Von 1845 bis 1852 hat Irland 25 Prozent seiner Bevölkerung verloren: Rund eine Million Menschen – etwa 12 Prozent der Bevölkerung – starben, weil sie verhungert sind, weitere sahen sich wegen der großen Not zur Auswanderung gezwungen. Die Große Hungersnot war die Folge von mehreren Missernten, ausgelöst durch die damals unbekannte Kartoffelfäule. Kartoffeln waren das Grundnahrungsmittel der irischen Bevölkerung, sie waren einfach, billig und schnell anzubauen, sie ernährten auch Großfamilien in dieser Zeit unter englischer Herrschaft.

Lance Daly findet für diese Zeit in Black 47 ausgebleichte Bilder eines Landes und seiner Menschen in großer Not: Oftmals notdürftig bekleidet schauen ausgemergelte Gesichter und Körper apathisch zu, wie Feeney (James Frecheville) auf einem Pferd an ihren Unterkünften vorbeireitet – sofern sie überhaupt ein Obdach haben. Denn die meisten der Iren waren zu dieser Zeit Pächter englischer Großgrundbesitzer, die sie sofort aus ihren Häusern warfen, wenn sie die Pacht nicht mehr entrichten konnten. Deshalb verloren die Menschen ihren einzigen Schutz vor der Kälte. Auch Feeneys Familie musste ihr Haus verlassen, nur seine Schwägerin und deren Kinder leben anfangs noch. Von ihr erfährt er, wie es seiner Mutter und seinem Bruder ergangen ist: Weil seine Mutter sich weigerte, dem Katholizismus zu entsagen und dafür im Gegenzug etwas zu essen – eine Suppe – zu bekommen, ist sie verhungert. Und sein Bruder wurde von einem Richter zum Tod durch den Strang verurteilt, weil er bei dem Diebstahl eines Schafes erwischt wurde.

Feeney ist entsetzt von dem Zustand seines Landes, von der Situation seiner Familie. Hat er doch einst seine Seele verkauft – zumindest in den Augen seines verstorbenen Bruders – als er als Irish Ranger für die britische Armee in Übersee gekämpft hat, um Geld zu verdienen. Und doch ging es ihm in dieser Zeit um seine Kameraden, nicht um die Krone, wie später zu erfahren ist.

Diese Einstellung hat Folgen: Denn nun ist Feeney desertiert, will in die USA und seine restliche Familie mitnehmen. Doch er kommt zu spät, die englischen Besatzer haben schon Maßnahmen eingeleitet, er verliert auch noch die wenigen Verwandten, die er noch hatte. Daraufhin schwingt er sich zum Rächer auf und tötet der Reihe nach die Männer, die seine Familie auf dem Gewissen haben. Seine Taten erregen Aufmerksamkeit und so schickt sich die Krone an, ihn mit der Hilfe eines ehemaligen Kameraden aufzuspüren: Hannah (Hugo Weaving) soll ihn finden und entgeht dafür als Gegenleistung seinem eigenen Tod durch den Strick, mit dem er für die Ermordung eines Verdächtigen bestraft werden soll. Zusammen mit dem getreuen Soldaten Pope (Freddie Fox) macht er sich auf den Weg nach Connemara.

Noch heute hat Irland eine niedrigere Bevölkerung als es 1845 hatte – aufgrund von An Gorta Mór, the Great Hunger. Bis heute hat sich kein irischer Filmemacher dieser Zeit angenommen, zumal es auch kaum visuelle Zeugnisse dieser Jahre gibt: Sogar in den wenigen Fällen, in denen Maler nach Irland kamen, haben sie sich eher der Landschaft gewidmet. Lance Black inszeniert Irland nun als Landstrich einer apokalyptischen Katastrophe, allerdings irritiert bisweilen, dass die weiten Aufnahmen der Landschaft und Hütten im Hintergrund fast gemalt aussehen. Sicherlich sind die ausgebleichten Farben ein Stilmittel, um das ausgezehrte Land zu versinnbildlichen, jedoch stellt sich hier die Frage, ob mehr Naturalismus nicht die bessere Wahl gewesen wäre.

Die Rachegeschichte verbindet Black mit einem Duell zwischen zwei Männern, die eine gemeinsame Geschichte haben – und nimmt hier immer wieder deutliche Westernanleihen. Allerdings verfügt Hugo Weaving über weit mehr Charisma als James Frecheville und versteht es zudem, die Gebrochenheit und den Zwiespalt eines Mannes sichtbar zu machen, der zu viel Gewalt und Tod in seinem Leben gesehen hat. Dagegen bleibt Frechevilles Feeney allzu erstarrt und ausdruckslos.

Fraglos ist die Große Hungersnot ein wichtiges Kapitel in der irischen Geschichte, die auch heute noch von Ungerechtigkeit und Unterdrückung zu erzählen versteht. Jedoch verbinden sich hier Logiklücken und eine allzu gewollte Inszenierung mit einem bisweilen langsamen Tempo und einer vorherzusehenden Geschichte, womit Lance Daly die Aufmerksamkeit arg strapaziert. Noch dazu rückt die eigentliche Katastrophe – die Hungersnot – sehr in den Hintergrund eines Rachewesterns. Da wäre mehr möglich gewesen.

Black 47 (2018)

Irland zur Zeit der großen Hungersnot im Jahre 1847:  Zwei Jahre lang hat der irische Ranger Feeney für die britische Armee gekämpft, doch nun ist er desertiert, um endlich wieder bei seiner Familie sein zu können. Doch obwohl er im Krieg unendlich viel Grausamkeit hat erleben müssen, ist er entsetzt, als er bei seiner Rückkehr feststellen muss, wie sehr der Hunger die Menschen in seiner Heimat verroht hat.

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Meinungen

Martin Zopick · 14.02.2021

1847 war wirklich ein schwarzes Jahr für Irland: Hungersnot und Zerstörung wüteten im Land, das unter der englischen Kolonialherrschaft besonders zu leiden hatte. Die englischen Großgrundbesitzer exportierten Weizen ins Mutterland. Die verarmte ländliche Bevölkerung verhungerte, weil aufgrund der Kartoffelfäule ein Grundnahrungsmittel weggefallen war. Die Landbesitzer richteten den Export hauptsächlich in Richtung England.
In dieser äußerst prekären Situation kehrt Feeney (James Frecheville) in seine Heimat zurück. Er hatte in Afghanistan in der englischen Armee gedient, war desertiert und wollte zu Hause nach dem Rechten schauen. Seine Mutter war gestorben, sein Bruder gehängt, das Elternhaus unbewohnbar gemacht. Schwägerin Ellie (Sarah Green) und Neffe erfroren. Inspektor Hannah (Hugo Weaving) soll ihn finden und seiner Strafe zuführen. Im Dialog, der leider bei totaler Dunkelheit stattfindet, hören wir, dass beide Männer Kriegskameraden waren. Kameradschaft steht gegen Nationalität. Ob es an der Technik lag oder ob es Absicht war, weiß ich nicht. Nach einem gewaltsamen Auftritt bei Lord Kilmichael (Jim Broadbent) kämpfen beide auf derselben Seite gegen die Engländer. Das Verständnis der Handlung wird noch durch Lord Kilmichaels verbales Geschwurbel erschwert. Obwohl die Option nach Amerika auszuwandern im Raum steht, verweilen letztendlich einige Dörfler schweigend an einer Wegkreuzung. Sie leiden wohl total deprimiert vor sich hin, bis einer den erlösenden Satz sagt ‘Komm, gehen wir nach Haues!‘ Wo auch immer das sein soll.
Gute Ansätze, technische Unzulänglichkeiten und ein offenes Ende. Bemerkenswert bleibt die Atmosphäre der trostlosen Armut, die den Zuschauer zwar optisch packt, aber emotional nicht weiter berührt.