Birdwatchers (2008)

Eine Filmkritik von Silvy Pommerenke

In Flip-Flops durch den Regenwald

Brasilien: Sattes Grün, schillerndes Wasser und exotische Tiere bilden die Kulisse für ein Touristenausflugsboot. Aber nicht nur das, sondern am Uferrand stehen bedrohlich aussehende Guarani-Kaiowa Indianer, die mit nicht mehr als einem Lendenschurz, etwas Kriegsbemalung und Pfeil und Bogen ausgestattet sind.

Der gepflegte und reisefreudige Nordamerikaner und Europäer hat seinen Urlaubsspaß, gruselt sich ein wenig und weiß, dass er abends wieder in seinen vier Wänden sicher nächtigen kann. Was er nicht weiß ist, dass die Guarani zu Beginn des 21. Jahrhunderts längst nicht mehr so karg bekleidet herumlaufen, sondern dass es sich hierbei lediglich um ein Fake handelt. Die Gruppe Indios hat sich nur des Geldes wegen verkleidet, und um den Gringos ein unvergessliches Schauspiel zu bieten. Dass sie sehr wohl in der Jetztzeit angekommen sind, erkennt man, nachdem Lia (Alicélia Batista Cabreira) das Geld für dieses Schauspiel eingesammelt hat und die kleine Gruppe auf dem Lastwagen sitzt. Der bringt sie zurück in ihr Reservat, und sie schlüpfen wieder in T-Shirt, Jeans und Flip-Flops. Krasser könnte man die aufeinanderprallenden und gegensätzlichen Welten filmisch nicht einfangen, und auch später werden diese konträren Welten in vielfacher Weise aufgegriffen. Sinnbildlich stehen diese Bilder für Zivilisation versus Natur – offenbar muss man letzteres zerstören, um ersteres zu gestalten. Dabei gibt es viele Opfer. Unter anderem die Ureinwohner Amerikas, die ihrer Freiheit beraubt wurden und vielfach nur noch den Selbstmord als einzigen Ausweg sehen.

Wenn Osvaldo (Abrísio da Silva Pedro) die Geister der Verstorbenen sieht – oder vielmehr spürt – dann wird dies in klassischer Horrorfilmmanier gedreht: wackelige Handkamera, nur wenige Bilder pro Sekunde und gruselige musikalische Untermalung. Diese Elemente unterstreichen die nicht greifbare und nur für Osvaldo erlebbare immaterielle Welt, die dadurch auch für den Zuschauer sichtbar wird. Auch musikalisch wird die Dichotomie des Filmes aufgegriffen, denn traditionelle indianische Musik wechselt sich mit europäischer klassischer Musik ab, die in einem seltsamen Widerspruch zu den Konturen des Regenwaldes steht. Ebenso widersprüchlich gestalten sich die Guarani in Turnschuhen und Jeans, erst recht Irineu (Ademilson Concianza Verga), der in einer Shopping-Mall sein gerade beim Zuckerrohrernten verdientes Geld verprasst. Um genau diese Widersprüche geht es aber in Birdwatchers, denn er erzählt von den Ureinwohnern Brasiliens, an denen in der Vergangenheit ein fürchterlicher Genozid verübt wurde, und der auf subtilere Weise bis in die Jetztzeit hineinreicht. Der humanistisch gebildete Europäer bzw. Nordamerikaner lebt nach seinen eigenen Regeln, die nicht mit den Jahrtausende alten Mythen und Traditionen der Indianer übereinstimmen. Während der „weiße Mann“ den Guarani das Land in der Vergangenheit weggenommen und die Ureinwohner in Reservate verbracht hat, wollen die Guarani zurück zu ihren alteingesessenen Plätzen, wo die Ahnen begraben sind – sie nennen das „retomadas“. Dummerweise befindet sich dieser Ahnenplatz auf dem Feld des Großgrundbesitzers Lucas Moreira (Leonardo Medeiros), der mit seinem direkt eingespritzten Allradantrieb kritisch die Ankunft der Indigenas beobachtet. Während Osvaldo und seine Leute Hütten am Feldrand bauen, stellt Moreira Roberto (Claudio Santamaria) als bewaffneten Wachposten auf, der die Guaranis daran hindern soll, sich weiter auszubreiten. Was er nicht ahnt ist, dass seine rebellische Tochter Maria (Fabiane Pereira da Silva) derweil mit Osvaldo anbändelt und ihn von seinen Vorbereitungen auf das Schamanentum abhält. Letztendlich spitzt sich die Situation zwischen den beiden Parteien zu, die zu einer fürchterlichen Selbstjustiz führt …

Birdwatchers ist ein absolut sehenswerter Film, der in poetischer und hypnotischer Weise von dem Genozid an den Ureinwohnern Amerikas erzählt, der aber gleichzeitig den Stolz und die Würde der Guaranis in den Mittelpunkt stellt: Ein indigenes Volk, das sich seiner Wurzeln auf schmerzliche Weise bewusst ist und sich dem kapitalistischen Größenwahn nicht unterwirft. Dabei bleiben sie immer friedliebend, setzen Waffen nur zu ihrer Verteidigung ein und leben im Einklang mit der Natur – trotz der vermeintlich luxuriösen Errungenschaften des „weißen Mannes“. Spannend wie ein Thriller, informativ wie ein Dokumentarfilm und mit berauschenden Bildern versehen, ist es mehr als bedauerlich, dass es 2008 bei einer Nominierung in Venedig für den Goldenen Löwen blieb.
 

Birdwatchers (2008)

Brasilien: Sattes Grün, schillerndes Wasser und exotische Tiere bilden die Kulisse für ein Touristenausflugsboot. Aber nicht nur das, sondern am Uferrand stehen bedrohlich aussehende Guarani-Kaiowa Indianer, die mit nicht mehr als einem Lendenschurz, etwas Kriegsbemalung und Pfeil und Bogen ausgestattet sind.

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