Big Game (2015)

Eine Filmkritik von Falk Straub

Des Wahnsinns fette Beute

Der uneheliche Sohn eines Ölscheichs geht in den finnischen Bergen auf Großwildjagd. Seine Beute ist ein Mensch. Klingt komisch? Ist auch so! In Big Game beweist Regisseur Jalmari Helander ein weiteres Mal Mut zum Größenwahn.

Wer das Filmland Finnland bislang irgendwo zwischen der lakonischen Melancholie der Brüder Aki und Mika Kaurismäki verortet hat, könnte sich verwundert die Augen reiben. Seit einigen Jahren kommt manch seltsam schimmernde Genre-Perle aus dem dünn besiedelten Staat – häufig mit Hilfe ausländischer Geldgeber. 2006 schickte Antti-Jussi Annila einen Schmied nach China: Jade Warrior mischte finnische Mythologie mit Martial Arts. Zwei Jahre später gerieten beim selben Regisseur zwei Brüder im Jahr 1595 in übernatürliche Nachwehen des Krieges: Sauna hieß Annilas eigenwilliger Arthouse-Horror. 2012 grüßten in Timo Vuorensolas Iron Sky Nazis von der dunklen Seite des Mondes. Und in Rare Exports (2010) machte Jalmari Helander den Weihnachtsmann zur Gruselfigur, bevor er nun in Big Game zur Jagd auf ganz besonderes Großwild ansetzt.

Auch Big Game ist eine internationale Co-Produktion. Da die finnische Landschaft zwar Seen und Wälder, aber keine beeindruckenden Berge bietet, wurden Außen- wie Innenaufnahmen komplett in Bayern gedreht. Die Zugspitze bildet den malerischen Hintergrund, vor dem sich ein Plot entfaltet, den Produzent Petri Jokiranta völlig legitim als „größenwahnsinnige Idee“ bezeichnet.

Der 13-jährige Oskari (Onni Tommila) soll innerhalb eines Tages und einer Nacht vom Jungen zum Mann reifen. Er zieht allein in die Natur, um ein Tier zu erlegen. Die Tradition der Dorfgemeinschaft verlangt es so. Doch nicht einmal Oskaris Vater glaubt an seinen Sohn, der im Umgang mit Pfeil und Bogen ein mehr als jämmerliches Bild abgibt. Der Initiationsritus wird empfindlich gestört, als der sinistre Hazar (Mehmet Kurtuluş) seine eigene Jagd beginnt. Mit Hilfe des Secret Service-Mitarbeiters Morris (Ray Stevenson) schießt der uneheliche Sohn eines milliardenschweren Scheichs die Maschine des US-Präsidenten (Samuel L. Jackson) über Finnland ab. Hazar hätte das Staatsoberhaupt gern als Trophäe über seinem Kamin hängen. Während der Vize-Präsident (Victor Garber) und sein Beraterstab um den verschrobenen Experten Herbert (Jim Broadbent) im weit entfernten Krisenzentrum hilflos zusehen, schlägt sich Oskari mit dem Präsidenten mutig durch die finnischen Wälder und Berge.

Bereits in seinem Überraschungserfolg Rare Exports setzte Jalmari Helander auf eine überzeichnete Geschichte voll überzeichneter Figuren. Das ist in Big Game nicht anders – und kein Grund zur Kritik. Schließlich warten Helanders Vorbilder, die er von E.T. — Der Außerirdische bis Stirb Langsam fleißig zitiert, mit ähnlich hanebüchenen Inhalten und Schurken auf. „Ich wollte mich vor den Action-Blockbustern der 1980er Jahre verneigen“, hat der Regisseur in einem Interview gesagt. Und der Größenwahn, mit dem Helander dies tut, steht dem Film (zunächst) recht gut zu Gesicht. Als der US-Präsident inmitten brennender Bäume aus seiner Rettungskapsel steigt, bleibt Oskari erst einmal auf Distanz. Aus zwei leeren Joghurtbechern und einem Bindfaden hat er ein Telefon gebaut, das er dem Fremden zuwirft. „Kommen Sie in Frieden?“, fragt Oskari den Mann, der vom Himmel fiel, über die Schnur. Nach dieser ersten Annäherung ist schnell klar, wer von beiden den Ton angibt. „Mein Wald, meine Regeln“, tritt der junge Finne dem mächtigen Amerikaner mutig entgegen. In diesen Szenen kommt Big Game der (visuellen) Magie und dem Humor des jungen Steven Spielberg sehr nahe. Danach entfernt er sich jedoch rasant immer weiter von seinen Vorbildern und offenbart Schwächen, die den Filmgenuss bereits bei Rare Exports trübten.

Denn kaum ist der erzählerische Motor schwungvoll angeworfen, gerät er auch schon ins Stottern. Stellen, die einer Straffung bedurft hätten, erzählt Helander genüsslich aus und langweilt damit. Die Beziehung zwischen dem mächtigsten Mann der Welt und seinem aufmüpfigen jugendlichen Gehilfen kommt hingegen viel zu kurz. Eine Nacht am Lagerfeuer samt netter Anekdoten über harte Kerle reichen hier weder aus, um das Duo für den Überlebenskampf in der Wildnis glaubwürdig zusammenzuschweißen, noch, um die Komik auf den nächsten Level zu heben. Der anfangs gelungene Schlagabtausch dieses seltsamen Paares gerät zum lahmen Running Gag. Neben dem durchwachsenen Drehbuch aus Helanders Feder liegt das auch an den beiden Hauptdarstellern.

Während Ray Stevenson, Jim Broadbent und Mehmet Kurtuluş ihre verschrobenen bis grenzdebilen Nebenfiguren lustvoll auf die Leinwand werfen, bleibt Samuel L. Jackson allenfalls routiniert. Der junge Onni Tommila ist als dessen Sidekick mit zunehmender Laufzeit sichtlich überfordert, ist sein Spiel doch arg begrenzt. Hier hätte der Regisseur besser auf einen Profi gesetzt, anstatt wie schon in Rare Exports seinen eigenen Neffen zu besetzen.

Immerhin: Die Action kann sich – zumal für eine europäische Co-Produktion – durchaus sehen lassen. An ihre amerikanischen Vorbilder reicht sie freilich nicht heran. Mit geschätzten 8,5 Millionen Euro liegt das Budget aber auch nur bei einem Bruchteil üblicher US-Produktionen. Dieser Action wird letztlich das letzte bisschen Logik geopfert. Selbst wer sich auf die abgedrehte Ausgangssituation einlässt, stößt sich im Verlauf des Films an der Handlung. Statt vom gesunden Menschenverstand wird das Verhalten der Protagonisten nur noch davon bestimmt, die Steilvorlage zum nächsten Stunt zu liefern. Das einfallslose Drehbuch versucht erst gar nicht, die Vielzahl der sich häufenden Ungereimtheiten zu kaschieren.

Jalmari Helander wird das aller Voraussicht nach nicht aufhalten. Bereits nach Rare Exports hatte der Finne Angebote aus Übersee. Um mehr Kontrolle über sein nächstes Projekt zu haben, zog er es jedoch vor, Big Game in Europa zu drehen. Sicherlich kein Fehler. Denn aller erzählerischen Schwächen zum Trotz beweist Helander auch in seinem zweiten abendfüllenden Spielfilm, dass er mit wenig Geld Bilder erschaffen kann, die nach Hollywood aussehen. Vielleicht folgt der Regisseur also bald einem Landsmann nach, der bereits vor 30 Jahren im hohen Norden Actionkino machte und nach nur einem Film von der Traumfabrik abgeworben wurde: Renny Lauri Mauritz Harjola, besser bekannt als Renny Harlin und seines Zeichens Regisseur von Stirb langsam 2.
 

Big Game (2015)

Der uneheliche Sohn eines Ölscheichs geht in den finnischen Bergen auf Großwildjagd. Seine Beute ist ein Mensch. Klingt komisch? Ist auch so! In „Big Game“ beweist Regisseur Jalmari Helander ein weiteres Mal Mut zum Größenwahn.

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Meinungen

Leon · 11.07.2015

Ich fände den Film richtig super