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Zurück auf dem Martinshof, pubertieren Bibi & Tina nicht nur nicht genug, sondern die Serie wartet außerdem mit Klischees auf. Ob die Musical-Einlagen dagegen ansingen können?

Bibi & Tina (TV-Serie, 2020)

Eine Filmkritik von Rochus Wolff

Satz mit hex, das war wohl nex.

Das mediale Tohuwabohu rund um Bibi Blocksberg, die junge Hexe, ist mittlerweile zu einer Vielfältigkeit angeschwollen, dass ich neulich sogar in einem Text vom „Bibi & Tina Cinematic Universe“ las. Dem wohnt ein Kernchen Wahrheit inne, weil rund um die junge Frau Blocksberg ein fein säuberlich nach Altersgruppen aufgeteiltes Medienangebot entstanden ist, im Kern in zwei Hälften aufgeteilt: Hier die Marke „Bibi Blocksberg“ für die präpubertäre Kindergarten- und Grundschulcrowd, dort „Bibi & Tina“ für das etwas ältere Publikum.

Alle Segmente werden mit Büchern, Hörspielen, Serien und Filmen beglückt; in den vergangenen Jahren hat vor allem Detlev Bucks Filmreihe Bibi & Tina für Aufmerksamkeit gesorgt. Nachdem deren Hauptdarstellerinnen, Lina Larissa Strahl und Lisa-Marie Koroll nun für weitere Fortsetzungen zu alt geworden sind, setzt eine neue Serie für Amazon Prime ungefähr da an, wo Bucks vorletzter Film Bibi & Tina — Mädchen gegen Jungs aufgehört hatte: Es gibt viel Geschlechterkrampf.

Die neue Bibi (Katharina Hirschberg in ihrem Debüt) und die neue Tina Martin (Harriet Herbig-Matten) verbringen also wieder einen Sommer auf dem Martinshof. Tina schmust mit Alexander von Falkenstein (Benjamin Weygand), Sohn des wie stets trottelig-überzogenen Grafen Falko (Holger Stockhaus), und erstmal ist halt knackiger Sonnenschein und strahlende Sommerfarben angesagt. Allerdings nicht ganz so knallig wie in den Filmen — Detlev Buck, obwohl als Showrunner immer noch beteiligt, durfte wohl nicht finale Hand an den Farbregler legen.

Schade eigentlich, denn es hätte der Serie womöglich etwas überirdisch-irreales gegeben, die den ganzen Quark, der sich da in zehn Folgen à 25 Minuten abspielt, wenigstens ironisch hätte überhöhen können. Natürlich ist trotzdem von Anfang an klar, dass das hier nicht wirklich bierernst gemeint sein kann. Stockhaus schiebt seinen Falko per Overacting und Albernheiten soweit in die Parodie, dass man es fast schon als bösartige Spitze gegen Adelsgeschlechter lesen muss; und in jeder Folge gibt es mindestens eine vollständige Gesangs- und Tanzeinlage, die wohl einen Hauch von Bollywood in die bräsig-saubere deutsche Provinzlandschaft bringen soll.

Leider fehlt es den Einlagen dafür dann doch sowohl filmästhetisch als auch und vor allem musikalisch an Mut: Das ist schnuckeligster Hier-rein-da-raus-Pop mit leichten Schlagseiten in andere Musikrichtungen, wenn mal die lokale Rockband spielen darf. Harmloser geht es wirklich nicht – und leider auch kaum desinteressierter. In einem großen Auftritt in der letzten Folge, als ein großes Festival vorbereitet werden soll, ist es der Serie schon total wurscht, ob Gesang und Mundbewegungen auch nur annähernd synchronisiert sind.

Aber das ist natürlich Herummäkeln an Details. Viel bedauerlicher ist, mit welcher Gleichgültigkeit hier alles erzählt ist. Es gibt, das hat Detlev Buck auch sehr explizit in Interviews erzählt, als unterliegendes Grundthema die Sorge um die Natur und das sich wandelnde Klima. Letzteres taucht zu Beginn der Serie mit großer Trockenheit auf, die dann aber nach einer Folge vorbei ist, weil erst ein Unwetter und später ein Sturm kommt – anschließend ist aber auch das schnell vergessen. Ein weiteres Naturschutzthema wird dann in der letzten Folge mit dem erzählerischen Holzhammer durchgeprügelt. Subtilität ist dieser Serie Sache nicht.

Das gilt auch für die Beziehungen zwischen den Figuren, für alle Konflikte und sonstigen „Themen“, die da auftauchen mögen. Der Alterszielgruppe schwingen immerzu Beziehungsthemen mit, alles brav hetereonorm und ohne auch nur den Hauch echter Konflikte – oder echter Emotionen. Man möchte schreien, so fad, so unfassbar gleichmütig werden hier romantische Gefühle im Teenageralter hin- und herbehauptet. Wo ist da die Leidenschaft, wo sind die Selbstzweifel? Oder wenigstens die Zweifel am anderen?

Alles brav erzählt, auch brav nach Lehrbuch: In jeder Folge gibt es einen eigenen kleinen Konflikt, der meist bis zum Ende aufgelöst ist, ein Cliffhanger versucht Binge-Interesse zu wecken, und zwei Handlungsbögen um Chico (Christoph Moreno) aus Spanien und Kim Win Win (Julia Strowski) legen sich über die Dauer der gesamten zehn Folgen. Strowskis Figur ist dabei – als einzige nicht-weiße Figur – so hart an rassistischen Stereotypen über Asiatinnen entlanggeführt, dass einem die Spucke wegbleibt. Zum „Ausgleich“ verschwindet sie für die allermeisten Folgen dann wieder komplett in der Versenkung.

Bibi & Tina schwankt über seine gesamte Laufzeit von milde sympathisch bekloppt (selten) über zum Augenverdrehen uninteressant (meistens) bis zu unerträglich furchtbar (nicht selten genug); und natürlich ist es schon schlimm genug, dass den Macher_innen zu diesem Stoff nichts einfällt, das an Harmlosigkeit noch unter der üblichen ZDF-Samstagabendunterhaltung bleibt.

Aber wie gelangweilt muss selbst die 13-jährige Zielgruppe sein, dass sie sich hiermit noch weniger langweilen könnten? Das ist doch eine Beleidigung für den pubertären Zustand an sich.

Bibi & Tina (TV-Serie, 2020)

Bibis Sommerferien bei ihrer besten Freundin Tina beginnen ziemlich aufregend. In kürzester Zeit wird der Martinshof von Dürre, Dauerregen und einem heftigen Sturm heimgesucht. Außerdem will die Unternehmerin Kim Win Win in der Gegend Kies abbauen. Bibi und Tina müssen etwas unternehmen! Ob ihnen der geheimnisvolle Spanier Chico helfen wird? Die Freundinnen erwartet ein turbulenter Sommer!

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