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Ein Film über kreative Krisen, Künstlerbeziehungen und das Wechselspiel zwischen Biografie und Kunst – das will Mia Hansen-Løves „Bergman Island“ sein, kommt aber über die bloße Idee nicht hinaus.

Bergman Island (2021)

Eine Filmkritik von Matthias Pfeiffer

Künstler-Problemchen auf der Insel

Überall ist Ingmar Bergman. Man kommt der Regie-Legende nicht mehr aus. Wenn der Titel des Films schon „Bergman Island“ ist und diese Insel auch noch seine Heimat Fårö, dann überrascht das auch nicht sonderlich. Die cineastische Neugier schraubt Mia Hansen-Løve (Alles was kommt, Maya, Eine Jugendliebe) mit ihrem neuen Werk jedenfalls ziemlich weit nach oben. Und die Erwartungen natürlich auch. Will die Regisseurin hier etwa das Werk Bergmans weiterführen, gar modernisieren? Man schlägt die Hände schon im Affekt über dem Kopf zusammen. Aber keine Angst: man kann jetzt schon verraten, dass sie das nicht macht.

Nun, was tut sie dann in Bergman Island? Sie schickt das Künstler-Ehepaar Chris (Vicky Krieps) und Tony (Tim Roth) nach Fårö, wo sie sich von der einzigartigen Landschaft und der Abgeschiedenheit zu neuen Drehbüchern inspirieren lassen wollen. Zudem ist ja auch noch Bergman-Woche, auf der sich Tony mit seinen Werken feiern lassen darf. Auch mit dem Schreiben läuft es bei ihm wie am Schnürchen. Seine Frau hat da weniger Erfolg. So schön die Insel auch ist, die Schreibblockade will sich auch durch die weiten Wiesen und Strände nicht lösen. Dabei hat sie sich doch extra in einer Windmühle einquartiert, um zu sich zu finden! Auch mit dem künstlerischen Paten von Fårö, Herrn Bergman selbst, kann sie sich nicht so recht anfreunden. „Künstler, die ich mag sollen gute Menschen sein“, äußert sie angesichts seiner fünf Frauen und neun Kinder, die ihn wegen seines Schaffensdrangs weitgehend entbehren mussten. Überhaupt wäre es ihr lieber, wenn der Herr Bergman doch leichtere, wenn nicht sogar fröhlichere Filme gedreht hätte.

Jetzt kann man natürlich über den Menschen hinter der Kunst streiten. Aber was im Falle Bergman Island viel mehr interessiert ist, wie viel Inspiration sich Mia Hansen-Løve vom breiten Oeuvre des Schweden geholt hat. Ästhetisch gesehen erst einmal wenig. Düstere Schwarz-weiß-Welten à la Das Schweigen oder Schande erwartet das Publikum genauso wenig wie die brutalen Farben von Schreie und Flüstern. Der ganze Film ist ziemlich hell, fast schon von meditativem Licht durchflutet, das an alles andere als an Konflikte denken lässt.

Doch Obacht, da ziehen schon welche auf! Während Tony auf den Spuren seines Vorbilds wandelt (in Gestalt einer Bergman-Safari), versetzt ihn Chris lieber und erkundet die Insel im Alleingang. Dabei stößt sie auf einen jungen Studenten, mit dem so etwas wie ein Flirt entsteht. Zudem wollen die künstlerischen Zweifel nicht aufhören, dabei hat sie schon ein komplettes Konzept für einen eigenen Film in der Schublade: die schwierige Liebe zweier junger Menschen. „Erst war es zu früh, dann war es zu spät“, beschreibt sie diese Konstellation. Die Nacherzählung ihrer Geschichte nimmt dann auch den Großteil der zweiten Hälfte von Bergman Island ein… sie spielt übrigens auf Fårö und die Hauptfigur Amy (Mia Wasikowska) ist Filmemacherin. Da kommen natürlich viele Fragen auf. Wo hört die Fiktion auf und wo fängt die Realität an? Was ist Vergangenheit und was Gegenwart? Welche unterschwelligen Konflikte verarbeitet Chris in ihrer Story und wann brechen sie auch im realen Leben hervor?

Dem Zuschauer stellt sich hingegen eine ganz andere Frage, nämlich die, was das eigentlich alles soll. Einige gute Zutaten sind gegeben, viele Erwartungen werden geweckt, doch keine einzige erfüllt. Eine Entwicklung der Figuren zeichnet sich überhaupt nicht ab, sie dümpeln genauso vor sich hin wie die Geschichte. Bergman Island ist ein Film, der keine Krisen schildert, sondern lediglich Problemchen. Alles was ein Konflikt sein könnte, arbeitet Hansen-Løve nicht aus, sondern lässt es stehen und schließlich versanden. Laut eigener Aussage fiel ihr das Schreiben des Drehbuchs so leicht wie noch nie, das „Leiden“, das sie sonst mit dem Schreibprozess verbindet, war wie von Zauberhand verschwunden. Nun hat man das Gefühl, dass in diesem Film nicht nur kein Leiden, sondern auch keine Mühe steckt. Das die Geschichte offensichtlich von ihrer Beziehung zu Olivier Assayas inspiriert ist, taugt allemal als interessante Randnotiz. Dabei hätte so viel daraus werden können. Vielleicht kein Film über Bergman, aber einer über künstlerische Inspiration, Beziehungs- ja vielleicht sogar Geschlechterkonflikte. Stattdessen sitzt man zwei Stunden herum und wartet auf den Knall. Und als dieser zu kommen scheint, ist der Film vorbei und hinterlässt ein Ende, dass einen (im negativen Sinne) sprachlos zurücklässt. Man kann zumindest erahnen, was dieses Werk hätte werden sollen, kein moderner Film nach Bergmans Rezeptur natürlich. Das muss nicht sein und ganz ehrlich, wer will so etwas auch schon sehen? Was es allerdings hätte sein können, wäre ein guter Film. Und das kann man über Bergman Island leider überhaupt nicht sagen.

Bergman Island (2021)

Ein amerikanisches Filmemacher-Paar unternimmt eine Pilgerreise zum Haus von Ingmar Bergman auf der Insel Fårö, um dort inspiriert vom Geist des großen Regisseurs an einem Drehbuch zu arbeiten. doch mit der Zeit vermischen sich Fiktion und Realität zunehmend. 

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