Benda Bilili!

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Ein Musikmärchen aus den Straßen von Kinshasa

Beim Filmfestival von Cannes 2010 fielen sie schon auf. Wenn man dort abends über die Croisette schlenderte, begegnete man oft einer ganzen Gruppe sichtlich gut gelaunter Männer in Rollstühlen und seltsamen Gefährten. Einen Reim auf die Funktion dieser Männer konnten sich allerdings nur die wenigsten machen. Nur wer sich mit den neuesten Trends der Musik auskannte oder das Glück hatte, den Film Benda Bilili! zu sehen, der im Frühjahr an der Cote d’Azur den Auftakt der „Quinzaine des Réalisateurs“ bildete, wusste natürlich, dass dies die Protagonisten dieses Films waren. Sie sind Staff Benda Bilili, eine Band aus dem Kongo. Wie es der Titel bereits andeutet, erzählt Benda Bilili! die Geschichte ihres Lebens – eine unglaublich ergreifende Geschichte, die so märchenhaft klingt, dass sie einfach wahr sein muss.
Es war ein Zufall, dass die beiden französischen Filmemacher Renaud Barret und Florent de La Tullaye auf den Gegenstand ihres Filmes stießen. Während Dreharbeiten zu einem anderen Projekt in Kinshasa trafen sie im Jahre 2004 zufällig auf eine Gruppe von Musikern, die im Zoo der kongolesischen Hauptstadt probten und ansonsten auf der Straße lebten. Fasziniert vom Lebensmut der von Polio gezeichneten Männer und ihrer Musik, die das harte Leben im Ghetto widerspiegelte, begannen sie spontan zu drehen, weil sie spürten, dass hier etwas Besonderes entstehen könnte. Ihr Gespür gab ihnen Recht. Und neben der Band, deren sagenhaften Aufstieg aus dem Ghetto auf die Bühnen der Musikwelt wir verfolgen können, ist auch der Film selbst etwas Besonderes geworden. Wobei beides natürlich zusammenhängt.

Über mehr als fünf Jahre hinweg begleiten Renaud Barret und Florent de La Tullaye die Geschichte der Band von ihren Anfängen über die Aufnahme des jungen Roger Landu, der sich als Virtuose auf der selbstgebauten Satongé (eine Art einsaitige Gitarre) entpuppte, bis hin zum sensationellen Erfolg ihres Debütalbums Très très fort und den daraus resultierenden Einladungen zu Festivals in Europa und anderswo. Doch es geht bei Benda Bilili! nicht nur um die Musik der Band, sondern auch um die desolaten Lebensumstände der Mitglieder, die als Polio-Opfer und Ghettobewohner gleich in zweifacher Hinsicht zu den Außenseitern der kongolesischen Gesellschaft gehören. Die Musik, die anfangs vor allem dazu dient, ihre Gedanken in Worte zu fassen und von ihrem Schicksal zu erzählen, entpuppt sich im Lauf der Zeit immer mehr als (vielleicht einziger) Ausweg aus ihrem Schicksal, als einzige Chance, die sich ihnen, den Ausgestoßenen, überhaupt noch bietet.

Technisch ist der Film nicht immer ausgereift, man spürt die Spontaneität und die fehlende Infrastruktur in Kinshasa. Und doch stören die teilweise wackeligen Aufnahmen und die wegen des verfügbaren Lichtes manchmal etwas dunklen Bilder bei nächtlichen Aufnahmen nicht — im Gegenteil. Denn wie der Film, so sind auch seine Protagonisten nicht unbedingt Virtuosen im klassischen Sinne, aber Musiker mit viel Herz und Leidenschaft.

Vor allem ist Benda Bilili! ein Film geworden, bei dem der (musikalische) Funke auf das Publikum überspringt. Wenn die Band nach einer aufregenden Anreise ihr erstes Konzert in Europa gibt, dann spürt man als Zuschauer die Energie und Freude, die von den Musikern ausgeht, freut sich mit ihnen über den sagenhaften Aufstieg und möchte am liebsten aufspringen aus dem gemütlichen Kinosessel und mittanzen. Zu diesem Zeitpunkt ist der Grad der Identifikation mit der Band bereits so hoch, dass man manches vorher bereits ahnt oder befürchtet, das dann später so eintreten wird. Denn durch den Ruhm zeigen sich erste Risse im Zusammenhalt von Staff Benda Bilili! – es ist auch ein Generationskonflikt, der sich hier anbahnt. Denn Roger, der mit Abstand jüngste der Band, hat noch beinahe sein ganzes Leben vor sich, während der spiritus rector Ricky müde ist und bereits darüber nachdenkt, was nach ihm kommen wird.

Schon lange beschäftigten sich die beiden Filmemacher mit der vitalen Musikszene des Kongo. Durch ihr Interesse entstanden Filme wie Jupiter’s Dance (2006) über die Band Okwess und Victoire Terminus (2008) über Boxerinnen im Kongo. Benda Bilili! dürfte wohl dank seiner erhöhten Aufmerksamkeit, die sich auch dem sagenhaften Aufstieg der Band selbst verdankt und die schließlich dafür sorgte, dass der Film in Cannes zu sehen war, zum größten Erfolg der beiden Regisseure werden. Wer weiß, vielleicht gelingt dem Film ja auch an den Kassen der Programmkinos ein kleines Wunder. Denn Märchen wie diese sollten eigentlich das Zeug dazu haben, das Publikum zu begeistern. Mann kann nur hoffen und wünschen, dass sich die Botschaft des Films und seine überschäumende Musikalität und Energie herumspricht und möglichst viele Zuschauer ins Kino locken. Manchmal braucht es eben ein Wunder, um einen Traum wahr werden zu lassen. Das gilt nicht nur für die Musik, sondern erst recht für das Kino.

Benda Bilili!

Beim Filmfestival von Cannes 2010 fielen sie schon auf. Wenn man dort abends über die Croisette schlenderte, begegnete man oft einer ganzen Gruppe sichtlich gut gelaunter Männer in Rollstühlen und seltsamen Gefährten. Einen Reim auf die Funktion dieser Männer konnten sich allerdings nur die wenigsten machen.
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Meinungen

Hubert Endhardt · 28.02.2011

Der Film kommt sehr authentisch rüber. Die Musik springt über und man staunt mit welcher Hoffnung und Energie die Männer ihr schieriges Leben meistern. Sie sind ja tatsächlich immer noch in Europa unterwegs, zum Glück also keine Seifenblase.