Beerland

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Vorwiegend heiter bis angeheitert

Dass der Blick auf das eigene Land, dessen Bewohner und Gepflogenheiten um einiges komischer ausfällt, wenn es ein „Ausländer“ ist, der diese Perspektive einnimmt, davon handeln im Prinzip viele Dokumentarfilme. Wenn beispielsweise in You Drive Me Crazy Fahrschüler im Ausland um die Fahrerlaubnis und damit ein kleines Stück mobile Freiheit kämpfen, dann entsteht die Komik allein schon aus dem unvermeidlichen „clash of cultures“, bei dem die unterschiedlichen kulturellen Prägungen aufeinanderprallen. Ein weiteres Beispiel dieser Strategie des Dokumentarischen war Thomas Frickels Deckname Dennis aus dem Jahre 1996. Im Prinzip wählt auch Matt Sweetwood mit seinem Film Beerland einen ähnlichen Ansatz – mit dem kleinen Unterschied, dass hier keine Kunstfigur sich auf den weg macht, sondern der Regisseur höchstselbst, der versucht, mit seinen Recherchen über das Bier, der deutschen Seele etwas näher zu kommen. Diese unerschrockene Art der Erkundung am eigenen Leib erinnert bisweilen an die beiden US-Filmemacher Morgan Spurlock und Michael Moore und ist deshalb wohl ebenso „typisch amerikanisch“, wie der Gegenstand des Films „typisch deutsch“ ist.
Der Film beginnt mit einem gemeinsamen Besuch auf dem Münchner Oktoberfest; für dieses bajuwarische Ereignis von Weltrang sind eigens Sweetwoods Eltern aus den Vereinigten Staaten angereist und wundern sich, wie schwer es ausgerechnet hier ist, an ein Bier zu gelangen. Nach vierzig Minuten irren sie immer noch durstig über die Theresienwiese und gelangen erst mittels eines Tricks in eines der Festzelte, wo dem Durst dann endlich abgeholfen wird. Bis dahin hat sich die gute Laune durch den Anblick der zahlreichen Betrunkenen allerdings schon ein wenig abgekühlt. Von diesem Startpunkt ausgehend beginnt nun eine Reise durch das vorwiegend süddeutsche Beerland, in dessen Verlauf Matt Sweetwood Mitglied einer bierseligen niedersächsischen Schützengilde wird, eine waschechte Hopfenkönigin aus der Hallertau trifft, das Geheimnis des Bierbrauens lernt, liebevolle Zinndioramen zur Geschichte des Gerstensaftes bewundert und latürnich (Verzeihung, natürlich) etliche Flaschen des teutonischen Nationalgetränks verkostet.

Was Sweetwood auf dieser Reise erlebt, ist oftmals informativ, ohne allzu belehrend zu sein, häufig genug auch skurril, überwiegend sehr sympathisch und zeugt an manchen Stellen von einem Deutschland-Bild, das sich vor allem aus Klischees speist, die oft genug im Stile einer selbsterfüllenden Prophezeiung prompt in Erfüllung gehen. Statt des Diktums „Du bist, was du isst“ folgt der Filmemacher in Beerland eher der Devise, dass man die Seele eines Volkes (sofern es so etwas überhaupt geben sollte) am besten dann erkennt, wenn man nicht nur deren Nationalgetränk ergründet, sondern sich auch mal ordentlich mit den Deutschen besäuft. In Zeiten, in denen auch nur jeder Verdacht des übermäßigen Konsums von irgendwas Gesundheitsschädlichem die Tugendwächter auf den Plan ruft, ist das mal ne Ansage, die nicht nur den Verband der Bierbrauer freuen dürfte. Dabei kommt es doch, wie man seit Paracelsus weiß, stets auf die Dosis an. Die freilich, das muss man dann auch einräumen, wird in Beerland schon einige Male auf Werte jenseits der Fahrtüchtigkeit geschraubt.

Sweetwoods Blick auf die Deutschen und ihr Nationalgetränk ist auch geprägt von eigenen Erfahrungen des US-Amerikaners mit dem Getränk: In den USA der 1960er Jahre war Bier so etwas wie eine verbotene Frucht, ein billiges Gebräu, das nur der Unterschicht vorbehalten war. Mit diesen Vorurteilen beladen, die man dann und wann auch gerne im Mutterland des Bieres selbst zu hören bekommt, standen die Vorzeichen, dass der Gerstensaft später einmal den Anstoß zu einer tiefergehenden Beschäftigung bieten würde, denkbar schlecht. Als er dann vor mehr als zehn Jahren nach Deutschland kam, bemerkte der Filmemacher, wie sehr sich der Blick der Deutschen auf ihr Bier von seinem unterschied – und wie sehr er dadurch der Seele der Deutschen nahekommen konnte. Denn: „Eigentlich ist es ein Ausdruck davon, wer sie sind“, so heißt es im Presseheft zum Film. Ein Volk von notorischen Trinkern? Mitnichten. Sondern viel eher ein liebenswert schrulliger Volksstamm, der halt seltsame Trinkgewohnheiten und damit einhergehend komische Bräuche hat.

Betrachtet man nun allerdings die Ergebnisse, zu denen Sweetwood gelangt, so sind diese – zumindest für Deutsche – nicht sonderlich erhellend oder überraschend: Der Deutsche trinkt gerne, er schätzt Geselligkeit und Gemütlichkeit, er ist in Maßen weltoffen und freundlich gegenüber wissbegierigen Amerikanern – geschenkt. Was wir viel eher aus diesem Film lernen können, ist eine Botschaft, die auch schon You Drive Me Crazy in ähnlicher Weise transportiert: Wenn man sich mit den Menschen in einem anderen Land auf Tuchfühlung begibt und ihnen dabei nahe kommt – sei es in einem Fahrschulauto oder an dem Tisch eines Wirtshauses, dann findet man dabei oftmals nicht nur Erkenntnisse darüber, wie diese Menschen so ticken, sondern auch eine Art (zweite) Heimat.

Beerland

Dass der Blick auf das eigene Land, dessen Bewohner und Gepflogenheiten um einiges komischer ausfällt, wenn es ein „Ausländer“ ist, der diese Perspektive einnimmt, davon handeln im Prinzip viele Dokumentarfilme. Wenn beispielsweise in „You Drive Me Crazy“ Fahrschüler im Ausland um die Fahrerlaubnis und damit ein kleines Stück mobile Freiheit kämpfen, dann entsteht die Komik allein schon aus dem unvermeidlichen „clash of cultures“, bei dem die unterschiedlichen kulturellen Prägungen aufeinanderprallen.
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