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Mit seinem neuen Film verbeugt sich Regisseur Damian Chazelle vor dem vielleicht schönsten Musical aller Zeiten, verpasst es aber, seinem Drehbuch den letzten Schliff zu geben.

Babylon - Rausch der Ekstase (2022)

Eine Filmkritik von Markus Fiedler

Opulenter Bilderrausch ohne viel Substanz

Mit nunmehr 37 Jahren hat Regisseur und Drehbuchautor Damien Chazelle seinen mittlerweile vierten großen Film gedreht. Nach dem grandiosen Whiplash, dem wundervollen „La La Land“ und dem etwas aus der Art geschlagenen Aufbruch zum Mond verbeugt sich Chazelle nun tief vor dem legendären Musical „Singin‘ in the Rain“ (dt. „Du sollst mein Glücksstern sein“) aus dem Jahr 1952, dessen Plot auch das Rückgrat für seinen Film Babylon liefert. Chazelle nimmt sein Publikum mit in das Hollywood der späten 20er-Jahre, in dem sich der Stummfilm langsam gen Ende neigt und die ersten Tonfilme die Fans begeistern.

Und schon in der ersten Szene des Films gibt der Regisseur den Kurs vor, der sich durch den ganzen Film zieht: Er mischt grandiose Optiken und skurrile Einfälle mit peinlich überzeichneten Plattitüden, und einem ordentlichen Schuss unappetitlichen Zutaten. So lustig es ist, dass Hauptfigur Manny einen lebendigen Elefanten zu einer Party bringen soll, dessen Dekadenz an römische Orgien erinnert, so unlustig ist es, dass einer seiner Helfer von dem Tier sekundenlang mit Exkrementen übergossen wird. Es soll nicht die letzte geschmackliche Grenzerfahrung sein.

Falls Chazelle darauf aus war, die Widersprüche der Glamourwelt Hollywoods aufzuzeigen, so ist ihm dies in absoluter Vollendung gelungen. Denn seine optisch grandiose Party, die inhaltlich allerdings wirkt, als habe jemand die schlimmsten Klischees zu einer Orgie zusammengetragen, die aufzutreiben waren, folgen Dreharbeiten im Freien, die ebenso brillant gefilmt, aber um ein Vielfaches unterhaltsamer und origineller sind. Da werden tatsächlich den ganzen Tag etwas störrische Statisten in Wikingerkostümen in der Wüste aufeinandergehetzt. In solchen Szenen entfaltet sich das komödiantische Potenzial von Babylon erstmals vollständig.

Dieses Auf und Ab an inhaltlicher Qualität ist Chazelles zuverlässiger Begleiter über die vollen drei Stunden des Films. Highlights wie ein Drehtag mit dem neuen Tonfilm und den damit verbundenen Problemen stehen Szenen gegenüber, die so platt anmuten, dass sie nicht wirken, als ob sie zum gleichen Film gehören. Der Tiefpunkt ist wohl der völlig übertriebene Horror-Sex-Dungeon, der das Finale des Films einleitet. Optisch wieder grandios, aber auch ekelhaft und abstoßend – und bisweilen furchtbar albern.

Vier Charaktere stellt Chazelle in seinem Zeitgemälde in den Fokus. Den mexikanischen Aufsteiger Manny (Diego Calva), der auf den ersten Blick der schönen und wilden Nellie (Margot Robbie) verfällt, noch bevor sie ein großer Filmstar wird und er selbst auch Karriere macht. Den Publikumsliebling Jack Conrad (Brad Pitt), der den Hedonismus verkörpert wie kaum ein anderer, von der Liebe seiner Fans aber zu abhängig wird. Und schließlich der schwarze Trompeter Sidney Palmer (Jovan Adepo), dem der Preis, ein afro-amerikanischer Filmstar zu sein, bald zu hoch wird.

Dazu gesellen sich einige starke Nebenrollen wie die beinharte Klatsch-Journalistin, gespielt von Jean Smart, der fachlich fähige, aber emotional unterentwickelte Produzent George (Lucas Haas) und der halbverrückte Gangsterboss James McKay, den Tobey Maguire anlegt wie die frühe Version des Batman-Schurken Joker. Dazu passt der Auftritt von Margot Robbie als lebenshungrige Underdog-Actrice Nellie, deren Kerze an beiden Enden brennt: Sie erinnert letztlich ein wenig zu sehr an ihre Paraderolle als Joker-Freundin Harley Quinn. Die ausgelassene und frivole Verrücktheit nimmt man ihr jederzeit ab, die emotionale Tiefe der Figur bleibt hingegen zu oft auf der Strecke.

Dem gegenüber steht eine makellose Leistung von Brad Pitt als in die Jahre kommender Star ohne Fortune, dem seine Karriere unter den Fingern zerrinnt. Pitt verleiht seinem Charakter eine leise Tragik, die er bis zum Ende konsequent durchhält und für einige der emotionalsten Momente von Babylon sorgt – ganz ohne Krawall.

Und doch ist es vor allem der Krawall, der in Erinnerung bleibt. Denn was Kameramann Linus Sandgren und Cutter Tom Cross in Verbindung mit dem fiebrig-treibenden Score von Justin Horwitz unter Regisseur Chazelle auf die Leinwand bringen, dem können sich Kinofans, die eben diese berauschenden Bilder sehen wollen, kaum entziehen. Schon die erste Plansequenz auf der Party ist schlicht atemberaubend, selten war eine lange Kamerafahrt so dynamisch und dabei so hypnotisch wie hier.

Immer wieder präsentiert Chazelle mit seinem Team optisch höchstes Kinoniveau, was die Ambivalenz des Inhalts umso trauriger macht. Denn zumindest für Babylon gilt: Der Regisseur Damian Chazelle ist dem Drehbuchautor Damian Chazelle deutlich überlegen. Der kann sich den ganzen Film über nicht entscheiden, ob er Hollywood nun verehrt oder doch abstoßend findet und ist mit sich lediglich dann im Einklang, wenn es um die Verbeugung vor Singin‘ in the Rain geht, dem Chazelle mit einigen anderen Gene Kelly-Klassikern bereits in La La Land Tribut zollte.

Versöhnlich ist sicher, dass Chazelle keinen Zweifel daran lässt, wie sehr er das Ergebnis liebt, das aus dem chaotischen Konstrukt aus Studio-Politik, Kreativität, Lebenslust – und Last hervorgebracht wurde: den Hollywood-Film, dem er in der letzten Szene seines Films eine ganz wundervolle Liebeserklärung macht. Sein in der Zeitschrift Variety geäußertes Ziel, „ein Epos alter Schule zu drehen, dem es gelingt, über eine Handvoll Figuren zu zeigen, wie sich eine Gesellschaft wandelt“, hat er mit seinem in einzelne Szenen zerfallenden Drehbuch allerdings deutlich verfehlt. Was bleibt, ist ein Bilderrausch, dem es aber deutlich an Substanz mangelt, um selbst ein Klassiker zu werden.

Babylon - Rausch der Ekstase (2022)

Babylon spielt in den 20er-Jahren, der goldenen Ära Hollywoods, in der die ersten Tonfilme den Stummfilm ablösen und eine neue Branche entstehen lassen.

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Meinungen

Paul · 26.03.2023

Kopfschmerzen machte nur der Film. 15 Minuten waren interessant, mal was innovatives zu der Zeit in der Schauspielkunst. Aber der Rest war mühselig und fragenaufwerfend wo die Intelligenz der Charaktere bleibt. Auch wenn es hieß, dass die Schauspieler zu der Zeit dekadent und derb wurden, fragte man sich warum man so übertreibt in dem Sinne, dass es doch nicht mehr anschaulich ist.

Mara · 05.02.2023

Diego Calva ! ,ich habe mich in dich verliebt .
Ein Film für Kino Liebhaber der extra Klasse ,,zu viel ,eigentlich alles zu viel und trotzdem grosse kino ein muss .

Olaf · 28.01.2023

Grandios, ein Film, der ins Kino gehört und für mich KINO pur ist. Ich bin begeistert und ja, nach 3 Stunden auch erschöpft. Aber positiv mitgenommen. Alle Daumen hoch.

Benedikt · 28.01.2023

Unbeschreiblich(.) der Film, auf so vielen Ebenen ein künstlerisches Meisterwerk und emotional derartig vielfältig. Bin wirklich mit hoher Erwartung reingegangen und wurde dennoch maßlos übertroffen. Während andere sich hier über Länge beschweren habe ich jede Scene ausgekostet und genossen und war trotzdem total traurig als der Film vorbei war. Einzigartig eingefangenes Flair, künstlerische Gestaltung at it's finest und Schauspiel-Talent dass man so nur noch garantiert in Tarantino Filmen findet. Dieser Film hat aber selbst diese übertroffen. Für Leute die Once upon a time in Hollywood, großer Gatsby und Wolf of wallstreet feiern ist der Film vermutlich das beste was in nächster Zeit passieren kann. Würde wirklich gerne was über Storytelling etc. schreiben aber dass war in diesem Film einfach sowas von umfangreich und kaum in Worte zu fassen dass das jeder selber erfahren muss. Genießt den Zeitpunkt an dem ihr den Film noch vor euch habt. Es wird eine der besten Filmerfahrungen sein die ihr machen werdet. Hätte nie für möglich gehalten das ich in 183 Minuten so viel auf einer Leinwand erleben kann. Der Film fasst soviele Themen zusammen und stellt das Ganze in einer ebenso spannenden wie ergreifenden Komplexität in einen Film, dass ich mir dieses Meisterwerk auch noch 3 weitere Male mindestens im Kino angucken werde. Definitiv musst watch im Kino auf großer Leinwand, wenn man mal wieder wirklich in eine Welt abtauchen möchte von der man eventuell schon längst vergessen hat dass sie mal existiert hat. Ein Film den man garnicht erst verdauen möchte und von dem man sich wünscht, man könnte ihn jeden Tag wieder erneut zum ersten Mal gucken! Fantastisch, war sprachlos, das ist Hollywood und einfach nur Kunst in dessen leidenschaftlichster Ausführung. Zehnfach Oscar-reif

Ulrike · 27.01.2023

Einer der schlechtesten Filme, die ich in letzter Zeit gesehen habe! Langweilig, laut, langwierig, widerliche Szenen , unglaublich schlimmer Film in Überlänge für mich ohne Inhalt. Ein Film den man schnell vergessen möchte! Musik schlecht 👎 Nein dafür gehe ich nicht ins Kino !

Matthias · 01.03.2023

Selten so ein Quatsch gelesen. Wenn ich widerliche Szenen lese. Musik Schlecht..? Ah ok Gab ja nur ein Golden Globe dafür.
Nix verstanden würde ich eher sagen.

Jhon Dillinger · 25.01.2023

Einfach grandios, zu lang, ja, zu intensiv manchmal ja, aber bizarr skurill, pervers, hemmungsloser Bilderrausch mit atemlosen Tempo, Abgründe der Filmindustrie, die Philosophie des Medium Films zärtlich beleuchtet. Das beste was auf der Leinwand in den letzten Jahren gezeigt wurde.
Oscar sofort!!!

Nils Dubuisson · 29.01.2023

Wieviel haben die Leute bekommen um so einem positiv Bewertung. Das ist einen Schrott nach 45 Minuten müsste ich weg, so schlecht habe ich noch nie erlebt. Nie wieder

Erdbeere · 06.02.2023

Sie haben wohl den Sinn und die Botschaft des Films nicht verstanden.
Es ist ein Meisterwerk des Filmemachens! Es zeigt die Geschichte von Hollywood. Die Hauptcharakteren stehen stellvertretend für alle Schauspieler und Regisseure der Filmproduktion der 1930er. Dieser Film soll zeigen wie das Schauspielerleben etc. damals war& wie das glamouröse Nachtleben, mit dem Beginn des Tonfilms, aushörte. Man muss den Sinn des Films verstehen, ansonsten ist er sehr langweilig.