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In seinem Debüt blickt Edouard Bergeon auf ein Landleben, das sich von der Landlust zum Landfrust entwickelt. Eine Familiensaga von politischer Dringlichkeit.

Das Land meines Vaters (2019)

Eine Filmkritik von Falk Straub

Von der Last des Landlebens erdrückt

Zum Jahresende hin weht aus Frankreich ein Film in die deutschen Kinos herüber, der ausnahmsweise einmal keine Wohlfühlkomödie ist. Das Spielfilmdebüt des Journalisten und Dokumentarfilmers Edouard Bergeon steckt zwar voller glücklicher Momente wie die sommerliche Szene, die das Filmplakat ziert, erzählt im Kern aber eine bittere, von Bergeons eigener Familie inspirierte Geschichte. Ein nüchterner, bewegender Blick aufs Landleben.

Als Pierre Jarjeau (Guillaume Canet) im Sommer 1979 von einer Ranch aus dem amerikanischen Wyoming nach Frankreich auf den Bauernhof seines Vaters Jacques (Rufus) zurückkehrt, ist alles eitel Sonnenschein. Die Felder stehen in voller Blüte. Pierre rast mit seinem Motorrad übers Land und schließt Claire (Veerle Baetens) in die Arme, mit der er bald eine Familie gründen wird. Den Kopf voller neuer Ideen übernimmt er den Hof, den sein Großvater und Vater aufgebaut haben. Doch schon hier ziehen erste Wolken auf.

Pierre bekommt das Gut nicht vererbt, sondern muss es seinem Vater abkaufen. Auch die Äcker behält der Alte, die er fortan an seinen Junior verpachtet. Wie wenig er von dessen Auffassung von Landwirtschaft und Viehzucht hält, bringt der großartige Rufus mit kaum merklichen Gesten zum Ausdruck. Der Film zeigt seine Figur wiederholt stumm auf den Bauernhof, die Ställe und die Felder blicken. Ein tiefer Atemzug drückt all seinen Missmut aus. Auch ganz am Ende ist es das Gesicht des Alten, der das Kinopublikum aus dem Film entlässt. Er blickt auf ein Grab, hat seinen Sohn überlebt.

Dass Bergeon nicht an einem idealisierten Landleben, wie es unzählige Zeitschriften perpetuieren, interessiert ist, wird schnell klar. Nach einem Sprung in die Zukunft ist die Handlung im Jahr 1996 angekommen. Inzwischen sind Pierre zwar die Haare, aber nicht die Ideen ausgegangen. Er und Claire haben zwei Kinder im Teenageralter, Thomas (Anthony Bajon) und Emma (Yona Kervern). Die Schafzucht seines Vaters hat Pierre gegen die Zucht junger Ziegen ersetzt. Doch Nachfrage und Preise fallen, weshalb Pierre darüber nachdenkt, eine zusätzliche Hühnermast aufzuziehen. Geld dafür ist keins vorhanden. Wenn Claire nicht halbtags in der Ortsverwaltung arbeitete, stünde nicht einmal Essen auf dem Tisch. Doch mit der Landwirtschaftskooperative im Rücken erhält die Bauernfamilie den nächsten Kredit.

Bergeon blickt auf eine Landwirtschaft außer Kontrolle, auf Bauern, die den Gesetzen des Marktes gnadenlos ausgeliefert sind. Wer nicht wächst, verhungert auf der eigenen Scholle. Mit Landlust hat das nichts zu tun. Die können sich sowieso nur reiche Großstädter leisten, die am Wochenende dem urbanen Lärm entfliehen. Bauern wie Pierre, der rund um die Uhr ackert und am Ende trotzdem nichts übrig hat, vergeht irgendwann die Lebenslust. Landfrust macht sich breit. Bergeon erzählt das mit langem Atem. Filmmusik setzt er nur in wenigen emotionalen Höhepunkten ein. Technische Spielereien oder opulente Bilder sind ihm fremd. Er begleitet seinen Protagonisten unaufgeregt durch dessen Abwärtsspirale, bis dem Publikum der Atem stockt.

Pierres Geschichte ist die Geschichte von Edouard Bergeons Vater Christian. Der Name auf dem Grabstein ist seiner, nicht Pierres. Und so holt der Regisseur ganz am Ende seines Debüts ein Stück Realität in die Fiktion. Danach ist ein kurzes Video seines Vaters zu sehen, dass ihn bei einem Hoffest zeigt. Er strahlt und scherzt, genau so, wie Guillaume Canet ihn als Pierre auf die Leinwand bringt. Ein Mann, der trotz aller Rückschläge immer zu Späßen aufgelegt ist und mit seinen Kindern herumalbert. Aber eben auch ein Mann, den die Last des Landlebens irgendwann erdrückt. Auch das ist in dem kurzen Video am Ende des Films zu sehen. Die müden Augen und ein Gesicht, das gute Miene zum deprimierenden Spiel macht.

Edouard Bergeon hat bereits einen Dokumentarfilm über diese Thematik gedreht. Denn sein Vater ist beileibe nicht der einzige Bauer, der sich in den vergangenen 20 Jahren das Leben genommen hat. Die Zahlen sind alarmierend. Nicht zuletzt darauf macht dieses Debüt aufmerksam. In einem Interview bringt der Regisseur seinen Film perfekt auf den Punkt: Das Land meines Vaters ist eine Familiensaga, die eine menschliche Perspektive auf die Entwicklung der Landwirtschaft der letzten 40 Jahren bietet.“

Das Land meines Vaters (2019)

Thomas war gerade in der Pubertät, als sein Pierre sich umbrachte. Und nun sorgen Umstände dafür, dass die Tragödie von einst wieder in sein Leben zurückkehrt und es ist Zeit für den Sohn eines Bauern, sich mit seiner Vergangenheit und dem schweren Erbe zu konfrontieren, das auf ihm wie eine Bürde lastet.

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