American Muscle – Du schuldest, du zahlst

Zu glatt für Trash

„Aus Scheiße Kompott machen“ würde man, da wo ich herkomme, sagen. Das beschreibt American Muscle wohl eigentlich am besten. Und dieses Kompott ist vielschichtiger und delikater, als man von seinen Grundzutaten erwartet hätte. Denn heutzutage einen B-Movie zu machen, ist einfach. Vorausgesetzt „B-Movie“ bedeutet hier eben nur einen Film mit billigen Mitteln herstellen, der dann im Endprodukt eben auch billig daherkommt. Einen B-Movie im Sinne der Filmgeschichte und einer spezifischen Erzählweise und Filmästhetik zu machen, ist dagegen schwierig. Immerhin gibt es solche Filme schon seit den 1930er Jahren. Viele von ihnen wurden Kult und schlossen sich so lose zu einem Genrekonglomerat zusammen, welches bei seinen Fans vor allem eines auslöst: hohe Erwartungen an jedes Produkt, das sich hier anschließen will. Nicht nur der Stil muss heute aufrecht erhalten werden, es wird auch erwartet, dass viele Insiderwitze und Metaebenen eingebaut werden, die nur der versteht, der sich auskennt. Und spätestens seit Tarantino/Rodriguez Grindhouse-Doppel und Filmen wie Machete Kills bedarf es auch eines stark ironischen Untertons, ja eines sich lustig Machens über sich selbst. Das Problem an Ironie und Selbstreferenzialität ist aber, dass sie oftmals zum Stillstand — oder besser zum ewigen sich im Kreis drehen — führen. Und hier kommen wir wieder zum Kompott.
Denn Ravi Dhars Erstling nimmt sich als Film ganz und gar ernst. Was nicht heißt, dass es hier nichts zu lachen gibt. Der Grundtonus ist allerdings einer, der seine Figuren und deren Geschichte die volle Validität ihrer Emotionen zugesteht und die Ereignisse schon fast wie in einer griechischen Tragödie entfalten lässt. Es beginnt mit John Falcon (Nick Principe), der seit zehn Jahren auf seine Entlassung wartet. Nun ist der Tag endlich gekommen. Doch bevor er geht, will er noch seinen Wettgewinn bei einem der anderen Gefängnisinsassen abholen. „Du schuldest, du zahlst“ — das ist Johns Motto. Er vergisst keine Schuld und so macht er sich sofort nach der Entlassung auf, seine Frau zu suchen und sich an den Männern zu rächen, die ihn in den Knast gebracht haben. John ist ein riesiger Kerl mit Glatze und fetten Muskeln. Sein Name „John Falcon“ weist auf einen gleichnamigen Darsteller hin, den in den USA jeder dafür kennt, dass er einen riesigen Penis hat. Der Protagonist ist also in vielerlei Hinsicht die Inkarnation von American Muscle. Und dann fährt er noch ein muscle car. Auf dem Weg zu seiner Frau schlägt, blutet und vögelt er sich durch die Prärielandschaft, immer auf gerader Linie hin zu seinem Ziel und wissend, dass dort wohl auch sein Ende wartet. In einigen Rückblenden schwelgt er dabei einerseits von Darling (Robin Sydney) — seinem Mädchen — andererseits enthüllt sich langsam die Geschichte seines Gefängnisaufenthalts.

Inhaltlich ist American Muscle sehr geradlinig und verzichtet auf Tiefe. Schnell, hart und dreckig will er sein und dem B-Movie Action Film ganz und gar gerecht werden. Das wird er auch. Fast zumindest. Denn es gibt eine große und etwas irritierende Inkonsistenz: American Muscle ist tatsächlich ein bisschen zu glatt und gut gemacht. Dass man sich als FilmkritikerIN darüber aufregt, kommt auch selten vor. Aber es bleibt sehr offensichtlich das Problem über das der Film ein wenig ins Stolpern gerät. Ravi weiß ganz klar das Genre inhaltlich zu bedienen und auch seine Figurenkonstellationen und die Ausstattung treffen ins Schwarze. Aber die Kinematographie ist eindeutig zu delikat und wohl durchdacht. Manche Einstellungen sind so überraschend gut und ästhetisch schon fast im Kunst- oder Autorenfilm zu verankern, dass die Erwartungen, hier alles im B-Movie Stil geliefert zu bekommen, ordentlich irritiert werden. Ist das jetzt schlimm? Mindert es diesen Film? Jain. Freunde des klassischen B-Movies könnten sich tatsächlich daran stören, wenn sie einhundertprozentig Klassisches erwarten. Und ja, es mindert eindeutig den Dreckigkeitsgrad, der durchaus großer Teil des Vergnügens ist.

Trotzdem bleibt American Muscle ein sehr interessanter Beitrag aus dem Offstream, der unglaublich viel rausholt aus dem bisschen, das ihm zur Verfügung stand. Bon Appétit.

American Muscle – Du schuldest, du zahlst

John Falcon hat die letzten zehn Jahre im Knast gesessen. Als er endlich aus dem Gefängnis entlassen wird, gibt es für ihn nur ein Ziel: Vergeltung. Seine Freunde, seine Familie — alle, die ihn verraten und im Stich gelassen haben, müssen nun dafür bezahlen – und es wird teuer! John steigt mit der Pumpgun und jeder Menge Wut im Bauch in seinen 68er Plymouth Duster und fährt den Highway entlang, bereit seinen Rachefeldzug zu beginnen.
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