Ai Weiwei: Never Sorry (2012)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Leben, Kunst und Widerstand

Auf den ersten Blick erscheint einem das Haus von Ai Weiwei im Künstlerbezirk Dashanzi der chinesischen Hauptstadt Beijing wie ein Gefängnis: Hohe Mauern umschließen es, eine Metalltür schottet es ab gegen die Außenwelt, zahlreiche Kameras sind auf der Straße aufgebaut und erfassen jeden Besucher, notieren jede Bewegung, die der Künstler nach außen unternimmt. Drinnen herrscht ein freundliches Chaos, vierzig Katzen streunen hier umher, spielen mit den filigranen Konstrukten, die Ai Weiwei als Modelle erschafft und eine beherrscht sogar das, wovon viele Menschen in China nur träumen können – mit artistischer Gewandtheit springt sie an einer Tür hoch, betätigt im Flug die Klinke und schafft sich so selbst ihren Weg in die Freiheit.

Allein schon diese ersten Eindrücke, die Ambivalenz zwischen äußerer Unterdrückung und innerer Freiheit und unbändigem Willen, sich nicht unterkriegen zu lassen, markieren die Richtung, die die Filmemacherin Alison Klayman mit ihrem Film Ai Weiwei: Never sorry einschlägt. Es geht ihr weniger darum, ein Künstlerporträt im klassischen Sinne zu schaffen oder ein Biopic, sondern vielmehr um ein Bildnis Ai Weiweis als „homo politicus“, bei dem Leben, Kunst und Widerstand aufs Engste miteinander verbunden sind. Und so bietet der Film zwar auch einen durchaus erhellenden Einblick in das Leben und Wirken, vor allem aber beleuchtet er die enorm wichtige Stellung des wohl bekanntesten chinesischen Künstlers als zentraler Persönlichkeit der Opposition im Lande.

Freundlich wirkt Ai Weiwei zumeist, doch der etwas korpulente Mann mit dem charakteristischen Zauselbart kann auch ganz anders – und zwar vor allem dann, wenn die chinesischen Behörden wieder einmal all ihre Macht ausspielen, um Katastrophen wie das verheerende Erdbeben in der Provinz Sichuan im Jahre 2008 herunterzuspielen. Aufgrund erheblicher Baumängel war es dort zu einer hohen Anzahl an Todesopfern vor allem unter den Schülern der Gegend gekommen, doch die Behörden verweigerten jegliche Auskunft über die genauen Umstände – bis Ai Weiwei und ein Heer von Freiwilligen in privaten Recherchen mehr als 5000 verstorbene Schüler identifizieren und öffentlich machen konnten. Seitdem haben die Repressalien gegen Ai Weiwei erheblich zugenommen, man müsse „provokante Menschen“ wie ihn „im Zaum halten“, so formulierte es der Sprecher des chinesischen Außenministeriums Hong Wei am 7 April 2011.

Das allerdings ist gottlob einfacher gesagt als getan, denn Ai Weiwei denkt nicht daran, seinen Kampf zu beenden. Nach seiner Misshandlung durch Polizisten erhebt er öffentlich Anklage gegen die Schläger, dringt mit Anwälten und Mitarbeitern in die zuständige Polizeistation ein, enttarnt die Beteiligten auf offener Straße und lässt stets alles filmen, um gegen die Willkür der Behörden etwas in der Hand zu haben. Manchmal für einen kleinen Moment wirkt das beinahe komisch, wenn Weiweis Mitstreiter die Polizisten filmen, die ihrerseits den Künstler mit einer Kamera beobachten. Zum Lachen ist der unermüdliche Kampf Ai Weiweis aber dennoch nicht, viel eher wächst im Verlauf des Films die Hochachtung vor diesem außergewöhnlichen Mann und seinem Mut, der selbst durch Verfolgung, Misshandlung und Inhaftierung nicht zu brechen ist.

Drei Jahre lang hat Alison Klayman Ai Weiwei mit der Kamera begleitet. Und wenn man dem Film Glauben schenken darf, waren das für den Künstler und die Menschen in seiner Umgebung bewegende und aufregende Jahre. So ganz nebenbei erfährt man zum Beispiel, dass es eine außereheliche Affäre gab, aus der ein Sohn entstanden ist – und wenn die Sprache darauf kommt, wird der sonst so aufmüpfige Mann verlegen und wirkt mit einem Mal beinahe schüchtern. Sei es, weil die Transparenz, für die Ai Weiwei bedingungslos eintritt, ihre Grenzen haben muss oder weil er die Menschen in seiner Umgebung einfach schützen will. So seltsam das auch anmutet innerhalb dieses Films, gehören doch unerwartete Sequenzen unweigerlich hinzu zum schillernden Porträt eines Mannes, der ein weltberühmter Künstler ist, ein führender Oppositioneller seines Landes – und eben auch ein Mensch mit Fehlern und Schwächen. Gerade das macht diesen Film und den Protagonisten so unwiderstehlich, so groß.
 

Ai Weiwei: Never Sorry (2012)

Auf den ersten Blick erscheint einem das Haus von Ai Weiwei im Künstlerbezirk Dashanzi der chinesischen Hauptstadt Beijing wie ein Gefängnis: Hohe Mauern umschließen es, eine Metalltür schottet es ab gegen die Außenwelt, zahlreiche Kameras sind auf der Straße aufgebaut und erfassen jeden Besucher, notieren jede Bewegung, die der Künstler nach außen unternimmt.

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Meinungen

rwadel · 03.07.2012

"Blamabel mal wieder Deutschland vorne weg"
Der Film ist aus den USA, Ai Weiwei hat Ausstellungen in der ganzen Welt. Wieso "Deutschland mal wieder vorne weg" sein soll bleibt das Geheimnis des Verfassers.
Es gilt hier wie fast überall: Je weniger Ahnung, desto sicherer das Urteil.

Burk · 25.06.2012

Es gibt wohl keinen Chinesen ueber den so viel Unfug geschrieben wird wie ueber den Selbstdarsteller Aiweiwei.Er hat eine Reihe abgebrochener Studienanfaenge hinter sich und wurde durch Uli Sigg, Vicepraesident des Schweizer Meienmogul Rignier und in Cooperation mit der Springerpresse ab 1994/95 als Geschaeft zum Kuenstler aufgebaut. Blamabel mal wieder Deutschland vorne weg. Ein Universitaetsrektor ist naiv genug sich da einzureihen.