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Tessa und Hardin sind zurück, in „After Forever“, dem vierten Teil der Filmreihe. Leider haben die beiden nichts dazugelernt.

After Forever (2022)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Bitte nicht für immer

Liebe Tessa, lieber Hardin, …

ich verfolge eure On-Off-Beziehung nun schon seit vier Jahren. Weil das als Filmkritiker nun mal mein Job ist. Ich habe, hier für dieses Medium, bereits über die Filme „After Passion“ (2019), „After Truth“ (2020) und „After Love“ (2021) geschrieben. Immer habe ich möglichst kundig zu erklären versucht, dass es sich dabei um Leinwandadaptionen einer von Anna Todd erschaffenen Romanreihe handelt, die auf Basis von Fan-Fiction zum einstigen Boygroup-Mitglied Harry Styles entstanden ist. Ich habe mich bemüht, in diesen filmischen Werken Stärken zu entdecken – etwa den durchaus ansprechenden Look des ersten Teils, den die Kunstfotografin Jenny Gage in Szene gesetzt hat, oder die Anflüge von Screwball-Humor, die der Regisseur Roger Kumble im zweiten Teil einzufügen vermochte. Auch wurde ich nicht müde zu loben, wie in allen Teilen die Wichtigkeit von Safer Sex und Consent in den zahlreichen intimen Momenten betont wird.

Zugegeben: Über manches habe ich mich wohl auch lustig gemacht. Die Dialoge – das muss ich leider so sagen – kommen größtenteils aus der Groschenheft-Ecke. Dafür könnt ihr beide natürlich nichts, das ist (im aktuellen Fall wie auch bei Teil 3) die Schuld der Drehbuchautorin Sharon Soboil beziehungsweise in der literarischen Vorlage begründet. Auch diesmal müsst ihr einerseits Hemingway zitieren (ohne dass ihr den Eindruck erweckt, ihn wirklich gelesen zu haben – oder tue ich euch da womöglich Unrecht?) und andererseits Sätze von euch geben, die selbst der ambitionsloseste Arztroman-Autor oder die unmotivierteste Seifenoper-Schreiberin höchstwahrscheinlich noch mal gründlich überarbeiten würden. Das stelle ich mir sehr frustrierend vor.

Ebenso frustrierend ist es leider, jetzt zum vierten Mal über das zu schreiben, was euch so widerfährt. Im Grunde müsste ich mich da einfach wiederholen – weil ihr es ja auch tut. Denn eure Beziehung ist und bleibt, entschuldigt die Direktheit, eine absolute Katastrophe. Es macht schlichtweg keinen Spaß, euch dabei zuzusehen, wie ihr euch immer wieder nur im Kreis dreht (und auch immer wieder selbst feststellt, dass das passiert, ehe es dann von Neuem beginnt). Streit, Versöhnung, Sex. Gefolgt von Streit, Versöhnung, Sex. Und noch mal Streit, Versöhnung, Sex. Zwischendurch sagst du, Hardin, halb reumütig, halb aggressiv, dass du Tessa „immer wieder in die Scheiße“ reinziehen würdest, woraufhin du, Tessa, dramatisch entgegnest: „Bitte stoß mich jetzt nicht weg!“ Ähm, hallo? Das ist doch bitte nicht euer Ernst!

Euer nunmehr viertes Abenteuer beginnt mit einem Was-bisher-geschah-Zusammenschnitt, der an Endlosserien erinnert, und endet mit der Einblendung „Fortsetzung folgt…“ Ich muss euch ehrlich sagen: Ich kann nicht mehr, ich mag nicht mehr. Es gibt epische Liebeserzählungen voller Tragik und Hürden, die mich dauerhaft mitfiebern lassen, und es gibt willkürlich aneinandergereihte Missverständnisse und Probleme, die ohne Tiefe touchiert werden, bis das nächste romantisch gemeinte Intermezzo alles kurzzeitig übertüncht. Bedauerlicherweise fällt eure Geschichte in letztere Kategorie.

Ihr könnt jetzt gewiss sagen: „Ach, was weißt du denn schon?“ Schließlich bin ich 37 Jahre alt und damit wohl kaum Teil der Zielgruppe. Das stimmt schon. Aber ich habe Coming-of-Age-Stoffe immer geliebt. Und dabei habe ich nicht – wie es vermutlich zu meinem Selbstbild als Filmkritiker passen würde – nur jungen Ikonen wie Setsuko Hara, James Dean, Bud Cort oder Winona Ryder in großen kinematografischen Klassikern beim Lieben und Leiden zugeschaut, sondern (mit der gleichen Begeisterung) zum Beispiel auch den Figuren Brandon, Brenda, Dylan, Kelly und Donna aus der superseichten Teen-Soap Beverly Hills, 90210 (1990-2000) oder der etwas weniger glamourösen Jugendclique Dawson, Joey, Jen, Pacey und Jack aus Dawson’s Creek (1998-2003). Ich weiß nicht, ob diese Serien in eurem fiktiven Universum überhaupt existieren, da man euch, soweit ich mich erinnere, nie fernsehen oder streamen sieht – ihr seid ja, wie schon erwähnt, eher Büchermenschen und zitiert Hemingway. Jedenfalls konnten auch diese Figuren, so wie ihr, verdammt anstrengend sein; sie haben ebenfalls ungesunde Beziehungen geführt und oft Plattitüden von sich gegeben. Doch sie waren eben stets noch mehr als das, mehr als ein enervierender Kreislauf aus Geh-weg-Komm-zurück-Schlaf-mit-mir.

Es gibt eine Szene in After Forever, in der habt ihr mich tatsächlich kurz gekriegt. Darin stehst du, Tessa, allein in der Wohnung und denkst an glücklichere Tage mit Hardin, ehe ihr beide vor deinen Augen zu Asche zerfallt. Das ist alles andere als subtil und hochgradig kitschig – aber es ist immerhin ein Einfall, es ist die visuelle Übersetzung einer völlig nachvollziehbaren Emotion. Es erinnerte mich daran, wie intensiv alles empfunden wird, wenn es zum ersten Mal passiert – die erste Liebe, der erste Trennungsschmerz. Von dieser Intensität hätte ich sehr gern mehr gesehen. Kriegt ihr das vielleicht hin für Teil 5? Ansonsten möchte ich an dieser Stelle sagen: Macht’s gut, Tessa und Hardin. Es war, nun ja, eine Erfahrung mit euch…

PS: Hardin, sei bitte etwas netter zu deinem Stiefbruder Landon. Er ist, soweit ich das beurteilen kann, doch ein Guter. Liebe Grüße!

After Forever (2022)

Nach drei weltweit erfolgreichen Filmen kommt mit „After Forever“ der finale Teil der Buchreihe auf die Kinoleinwand. In dem Liebes-Finale sind die beiden Protagonisten Tessa und Hardin älter geworden und müssen sich nun nicht nur mit ihrer komplizierten Liebesbeziehung, sondern auch mit dem Erwachsensein auseinandersetzen. 

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Meinungen

Alex · 09.10.2022

Danke für diesen mega Text, du hast mir den Gang ins Kino erspart. Ich dachte ich geb diesem Teil doch noch eine Chance, nachdem ich aber deine Kritik gelesen habe, wäre das nur verschwendete Lebenszeit.🫠 Liebe Grüße Alex

Hans · 28.08.2022

Hammer Filmkritik! Danke dafür, du triffst es meiner Meinung genau auf den Punkt.