Abseitsfalle

Eine Filmkritik von Harald Mühlbeyer

Im Arbeitskampf

Bochum, die Perle des Ruhrgebiets – und der Waschmaschinenhersteller Perla ist, neben Kohle und Opel, zumindest in diesem Film einer der Klassiker der deutschen Industrie mit Standort in dieser Stadt. Der Vorspann macht mit Archivbildern klar: Perla gehörte zu den Großen; nun gehört es dem amerikanischen Mutterkonzern General Machines (!), und Vorstandsvorsitzender Adam (!) muss rationalisieren. 400 Stellen sollen gekürzt werden, in einem europäischen Konkurrenzkampf mit den anderen Standorten in Polen, Frankreich und England gewinnt der, der am meisten einspart. Und der, der verliert, wird komplett geschlossen.
Regisseur Stefan Hering ist studierter BWLer und gelernter Bankkaufmann, er weiß, wovon er redet, wenn er Wirtschaftsthemen anspricht. Und er weiß, diese Themen in einen Film, in eine Tragikomödie einzubauen: So ist das Zentrum von Abseitsfalle sehr stark, mit deutlichen Anklängen an die jüngere Opel-Krisengeschichte, dabei niemals unterkomplex, und doch immer übersichtlich. So dass man die kleinen Erpressungen und großen Intrigen, die Spielchen der Bonzen mit dem Werk und den Arbeitern schön präsentiert bekommt, ebenso wie das grundsätzliche Misstrauen der Belegschaft gegen jede Reformveränderung, dabei auch ihren Eifer und ihren Einsatz für Perla, für ihre Arbeit, die sie als ihr Leben betrachten. Auf welcher Seite der Film steht, daraus macht Hering nie einen Hehl. Dass er auch die andere Seite zeigt, den Druck des Wettbewerbs, den Druck von oben, die Angst um das eigene Auskommen, wenn man sich nicht auf den konzerninternen Ellbogenwettbewerb einlässt, dass er auch für die, die an den Abfindungen und Freistellungen arbeiten, Verständnis zeigt: Das macht den Film groß.

Die Peripherie um dieses Thema ist freilich sichtlich angepappt, um eine „richtige“ Handlung hinzukriegen. Karin, die irgendwie reingerutscht ist und ihre Kollegen von den Vorteilen der hohen Abfindung und des freiwilligen Ausscheidens überzeugen muss, um die Stellenabbauquote zu erreichen, verliebt sich in den Gewerkschaftsführer Mike, steht damit zwischen zwei Männern – weil sie sich zunächst im Professionellen auch dem Chef Dr. Kruger annähert, dessen Effizienz, dessen Kompetenz sie bewundert. Mike ist auch Mannschaftsführer des Perla-Fußballteams, das gerade jetzt, wo die europäischen Konzernstandorte tatsächlich ums Überleben konkurrieren, mitten im Meisterschaftskampf um den Perla-Konzernpokal steckt. Karin hat überdies einen alkoholkranken Vater, von dem keiner wissen soll – eine ganz überflüssige Nebengeschichte –, und ihre besten Freundinnen, die als Cheerleader/Pompomgörls die Fußballer anfeuern, sind für die komödiantische Note im Film zuständig.

Dies alles passt nicht so richtig zusammen, stört allerdings auch nicht. Zwar knattert und rasselt der Motor manchmal stark; aber er läuft, und läuft, und läuft, und das mitunter mit erstaunlicher Kraft. Tatsächlich hat man am Ende einige Einsichten in die kapitalistischen Mechanismen gewonnen, und dass dies nicht durch einen mehr oder weniger drögen, mehr oder weniger kritisch-sperrigen Dokumentarfilm geschieht, sondern durchs Erzählkino, das durchaus mit Mainstream-Werkzeugen arbeitet, und dass dabei nicht das Wichtige, nämlich die Aussage, unter den Tisch fällt: Das ist bewunderns- wie sehenswert.

Abseitsfalle

Bochum, die Perle des Ruhrgebiets – und der Waschmaschinenhersteller Perla ist, neben Kohle und Opel, zumindest in diesem Film einer der Klassiker der deutschen Industrie mit Standort in dieser Stadt. Der Vorspann macht mit Archivbildern klar: Perla gehörte zu den Großen …
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Meinungen

J.J.Linser · 06.12.2013

Abseitsfalle - sehr gut, Stefan. Es gehört Mut dazu, den gier-kranken Kapitalismus und dessen trichterförmige Selbstbedie-dienung Weniger offfenzulegen. Die Mehrheit leidet zunehmend und mit der Zeit schwinden die Chancen, dagegen etwas zu unter-nehmen. Und die Aera der kommerziellen Verlogenheit nimmt zu. Nur ein Beispiel: eine Bankerbagage und andere Kurzzeit-renditler will den ausgleichenden kleinen Steuerzahler glauben machen, Schulden- und Finanzkrise wären wie ein Gewitter über uns hereingebrochen - trotz totaler medialer Vernetzung der Geldinstitute und aufwendiger Softwaren, die kurzfristig gefähr-liche Tendenzen analysieren können.
Deshalb - weiter so, Stefan, wir warten drauf!

Ingo · 04.07.2013

Eine Film mit extrem hohen Realitätsbezug! Das was dort erzählt wird ist die Wirklichkeit in spannenden moteiander verbundenen Geschichten zusammengefasst. Ein so komplexes Thema in so kurzer Zeit zu erzählen und dabei noch so nah dran zu bleiben ist eine hohe Kunst. Respeckt !

Annika · 28.05.2013

Es ist dem Rezensenten entgangen, dass der Film eine Autorin hat, die "weiß, wovon sie spricht". Beatrice Meier hat jahrelang in der Wirtschaft recherchiert - unter anderem in Bochum. Sie ist dafür verantwortlich, dass die Intrigen und Spielchen eine realistisches Fundament besitzen - und nicht der Regisseur. In ihrem Drehbuch werden die Figuren ernst genommen, sie sind mehr als eine Bebilderung kapitalistischer Mechanismen.