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Eine Flussreise durch ganz Deutschland – auf dem Stehpaddelbrett. Der Protagonist dieser Dokumentation startet im Süden auf der Zugspitze und muss sein Gepäck erst einmal zu Fuß ins Tal schleppen. Auf dem Weg nach Sylt gibt es dann mehr Wasser, als ihm lieb sein kann.

Abenteuerland (2023)

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Paddeltrip mit Hindernissen

Ausflüge ins Grüne, Freizeitsport im Gelände, naturnahe Reisen stehen hoch im Kurs. Auch das Kino profitiert seit geraumer Zeit von diesem Trend. Im Sektor des Dokumentarfilms, in dem technischer Fortschritt es sogar Laien ermöglicht, ihre eigenen Filme zu drehen, sind Selbsterfahrungstrips aller Art beliebt. Das Publikum interessiert sich für Erlebnisberichte vom Jakobsweg, Afrikareisen mit dem Fahrrad und alle erdenklichen weiteren Formen individueller Expeditionen. Die Reise muss keineswegs immer durch ferne Länder führen. Aber um sich von der Masse schon bestehender Filme abzuheben, braucht sie schon einen originellen Aufhänger, vor allem, wenn sie in Deutschland stattfindet. Christo Foerster, der Protagonist in „Abenteuerland“ von Kai Hattermann, hat einen interessanten Plan entwickelt: Er möchte von der Zugspitze im Süden bis zur nördlichsten Spitze Deutschlands auf Sylt gelangen, und zwar hauptsächlich auf Flüssen mit seinem Stand-Up-Paddle-Brett, oder ansonsten zu Fuß. Stets will er sein Gepäck mit sich tragen und im Freien schlafen.

Christo Foerster ist ein Freund des Regisseurs, Buchautor und Podcaster und hat das Konzept der Mikroabenteuer in Deutschland bekannt gemacht. Darunter versteht er Ausflüge in die Umgebung ohne Auto, die maximal 72 Stunden dauern und bei denen er unter freiem Himmel schläft. Während der Corona-Zeit bekam er dann Lust auf ein größeres Abenteuer. Mit 40 Kilogramm Gepäck in zwei Rucksäcken verabschiedet sich Foerster Anfang August 2021 von Frau und Kindern. 54 Tage später wird er sie auf Sylt, nach 1000 auf dem SUP-Brett und und 602 zu Fuß zurückgelegten Kilometern, wieder in die Arme schließen. Kai Hattermann begleitet ihn als einer der Kameramänner zeitweise und produziert den Film mit Hilfe von Sponsoren und Crowdfunding. Auch Foerster selbst liefert Filmmaterial und spricht den Kommentar mit den Eindrücken des jeweiligen Tages. 

Ein idealer Reisetag sieht für Foerster in etwa so aus: Die Sonne scheint, der jeweilige Fluss ist gut befahrbar, die Strömung weder zu schnell noch zu langsam, es gibt kaum Talsperren, die umgangen werden müssen. Am Abend findet er einen schönen Lagerplatz am Ufer, kocht sich ein Essen und hängt seine Hängematte zwischen Bäumen auf. Statt den einfachen Weg auf dem Rhein zu wählen, hat sich Foerster eine Route weiter östlich gesucht, die mehr Abwechslung verspricht: Er wird, samt spontanen Abweichungen, auf der Loisach, Isar, Donau, dem Main-Donau-Kanal, auf der Regnitz, Saale, Elbe, dem Elbe-Lübeck-Kanal, der Ostsee und Nordsee stehen und paddeln.

In der stimmungsvollen Landschaft, manchmal auch mit der Drohnenkamera von weit oben gefilmt, ist der SUP-Paddler oft der einzige Mensch weit und breit. Man staunt mit Foerster über die Einsamkeit auf den Flüssen und an ihren Ufern. Und wenn er dann mal sein Board auf dem Bootswagen durch eine Ortschaft zieht, fremdelt er schon mit der um ihre Alltagsprobleme kreisenden Gesellschaft. Eine sanfte, verschiedene Stimmungen abbildende Musik begleitet ab und zu auf unaufdringliche Weise die Aufnahmen, die auch markante Motive wie Sonnenuntergänge und Nebelschwaden eher dezent einfangen. Manchmal streut Foerster kurz Informationen über die Wasserwege ein. Was er sieht, erlebt und denkt bleibt fast durchgehend unspektakulär. Umso mehr stechen diejenigen Momente ins Auge, in denen die Tour nicht planmäßig verläuft oder gar zu scheitern droht.

Gleich zu Anfang kommt es zu absurd anmutenden Situationen, als Foerster mit seinen beiden Rucksäcken und den in die Höhe ragenden Paddeln von der Zugspitze absteigen will. Bis fast zum Gipfel hat ihn die Gondel gebracht. Aber auf dem schmalen, mit Drahtseilen gesicherten Bergpfad kommt er zu Fuß nicht recht voran, das Gepäck ist zu schwer und zu hinderlich. Die selbst auferlegten Regeln sind ihm jedoch Gesetz, er geht Wegetappen mit einzelnen Gepäckstücken lieber zweimal, als sich beispielsweise von anderen helfen zu lassen. Wenn er dann klagt, wie sehr die Beine schmerzen, drängt sich dem Publikum die Frage auf, ob das denn wirklich alles sein muss. Andernorts erwarten den Abenteurer neue unangenehme Erfahrungen, wenn es tagelang regnet und die Klamotten durchnässt sind. Oder wenn die Blasen an den Füßen schmerzen. Von solchen Erfahrungen können offenbar auch Outdoor-Erprobte wie er noch überrascht werden. 

Der Erkenntnisgewinn für das Publikum mag gering bleiben, der Film gibt aber auch nichts Prätentiöses vor, außer eben: Deutschland lässt sich auch auf reizvollen Wasserwegen durchqueren. Man braucht für ohnehin stets lohnende Naturerlebnisse in diesem Land nicht mehr als eine Hängematte, etwas Gepäck und viel Entdeckungslust. Und schon nach wenigen Tagen wird man sich dann vielleicht vom Trubel des Alltags abgekoppelt fühlen, so wie Foerster in diesem Film. Dann aber kann sich, wie man vom Protagonisten hört, auch wieder die Sehnsucht nach der Familie, nach menschlicher Nähe melden. Auf diesem Trip ist der Weg nicht das alleinige Ziel. Es reift während des Abenteurers auch das Bedürfnis, anzukommen.

Abenteuerland (2023)

Christo Foerster durchreist das eigene Land innerhalb von zwei Monaten zu Fuß und auf seinem Stand Up-Board, von der Zugspitze bis nach Sylt, verbringt dabei jeden Tag und jede Nacht in freier Natur — und zeigt so nicht nur, dass es möglich ist, außergewöhnliche, nachhaltige Abenteuer in der Heimat zu erleben, sondern auch wie schön und wild Deutschland abseits der ausgetretenen Wege ist. (Quelle: Verleih)

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