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Basierend auf einer wahren Geschichte rückt Jean-Stéphane Sauvaire in „A Prayer before Dawn“ seinem Protagonisten im thailändischen Knast unangenehm nahe auf den Leib und feiert dessen Leidensfähigkeit als die Kunst des Durchboxens.

A Prayer Before Dawn (2017)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Durchboxen in der Knasthölle

In der thailändischen Metropole Bangkok schlägt sich der junge Brite Billy Moore (Joe Cole) mit gelegentlichen Thai-Boxkämpfen und kleinen Jobs als Drogendealer mehr schlecht als recht durch. Bis er eines Tages von der Polizei geschnappt wird und im berüchtigten Knast von Klong Prem landet, der den ironischen Spitznamen „Bangkok Hilton“ trägt. Dort beginnt für den Engländer eine wahre Tortur. In diesem Gefängnis herrschen ganz eigene Regeln und vor allem das Faustrecht des Stärkeren. Als einer der wenigen Ausländer ist Billy dort zunächst das ideale Opfer, bis er sich nach überstandenem Drogenentzug auf seine Fäuste besinnt und es schließlich ins Boxteam des Knastes schafft, was ihm mit der Zeit nicht nur den Respekt seiner thailändischen Mitgefangenen einbringt, sondern auch dabei hilft, diese Hölle zu überleben.

Jean-Stéphane Sauvaires Boxerdrama A Prayer before Dawn, das auf den gleichnamigen, in Buchform festgehaltenen Erinnerungen des echten Billy Moore beruht, kümmert sich wenig um die Backstory des wahren Falles. Die ist, wie das Buch schildert, geprägt von kindlichen Gewalterfahrungen, Drogensucht und zahlreichen Knastaufenthalten, bis Moore schließlich nach einer Entziehungskur im Jahre 2005 nach Thailand reiste und dort prompt wieder in den Drogensumpf geriet. Für all dies interessiert sich der Film überhaupt nicht, sondern verortet seine Hauptfigur ausschließlich im Hier und Jetzt.

Der Film bleibt nah bei seinen schweigsamen Protagonisten, dessen Wortlosigkeit durch die Allgegenwart der fremden Sprache verstärkt wird, die Moore nicht beherrscht und die durch überaus spartanisch eingesetzte Untertitel dem Zuschauer kaum je verständlich gemacht wird, und durchlebt mit ihm den kalten Entzug. Vorwiegend mit nervöser Handkamera (geführt von David Ungaro) gefilmt, durchstreift er die labyrinthischen Gänge des verdreckten und verwahrlosten Gefängnisses, durchmisst die furchteinflößenden Schlafsäle, in denen die überwiegend tätowierten, verschwitzten Körper eng an eng kauern oder liegen, begibt sich mitten hinein in die Boxkämpfe, in denen das Blut spritzt und die Knochen hörbar brechen oder in die Gruppenvergewaltigungen von Neulingen oder solche Gefangenen, die in der gnadenlosen Hackordnung  des Bangkok Hilton ganz unten stehen. 

All dies geschieht nahezu ohne (verständliche) Dialoge und beschwört eine Atmosphäre der Ohnmacht und des Ausgeliefertseins herauf, die das Leid von Billy Moore und den anderen Insassen nahezu körperlich greifbar macht. Man meint, den Geruch dieses Ortes wahrzunehmen, die Spannung in der Luft mit den Händen greifen zu können, die Verzweiflung, die Wut, den Frust und das ziellose Begehren zu spüren.

Von den zahlreichen sonstigen Knastfilmen unterscheidet sich A Prayer before Dawn vor allem durch sein Streben nach Authentizität und Schonungslosigkeit, das sich bis in die Besetzung der zahlreichen Nebenrollen zieht: Bis auf wenige Ausnahmen werden Moores Mithäftlingen von Thai-Boxern und echten Ex-Häftlingen gespielt, die, so steht zu vermuten, viele ihrer Erfahrungen mit in den Film einbringen. Hoffnung oder Mitmenschlichkeit sucht man hier vergebens (abgesehen von einer sehr fein eingesponnen Liebesbeziehung Moores zu einem transsexuellen Mitgefangenen). Und selbst wenn Billy Moore im Laufe des Films eine Entwicklung durchmacht, verzichtet der Film doch weitgehend auf die üblichen dramaturgischen Kniffe und Spannungsbögen, sondern schickt seinen Protagonisten und mit ihm das Publikum auf einen brutalen Selbsterfahrungstrip, der wie eine machtvolle Illustration des Diktums vom Survival of the Fittest wirkt.

A Prayer Before Dawn (2017)

Basierend auf dem gleichnamigen Bestseller erzählt der Film die wahre Geschichte von Billy Moore, einem jungen Boxer, der in eines der berüchtigsten Gefängnisse von Thailand geschickt wird. Um zu überleben, erlernt er dort die tödliche Kunst des Muay Thai Boxings und trifft auf Freunde, die ihn aus seiner düsteren Vergangenheit führen.

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