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15 FilmemacherInnen reden über das Kino als Ort der Filmbegegnung. „6Minuten66 ist ein Debattenbeitrag zur aktuellen Lage des deutschen Films und den Herausforderungen durch neue Medien für audiovisuelles Erleben. Nicht mehr. Auch nicht weniger.

6Minuten66 (2019)

Eine Filmkritik von Harald Mühlbeyer

Kinogedanken

Wer Filme liebt und das Kino, muss nicht notwendigerweise das Aussehen der Regisseure kennen. Außer bei Hitchcock natürlich, der ist ja ‚ne Weltmarke. 15 deutsche Regisseurinnen und Regisseure der jüngeren Generation (und es ist dabei größtenteils egal, wer was sagt – weshalb in dieser Kritik auch (meistens) Namen weggelassen werden) wurden von Katja und Julius Feldmeier in ein Hotelzimmer gebeten. Einer nach dem anderen hat 6 Minuten 66 Sekunden Zeit, um zu antworten auf Fragen wie: Stirbt das Kino? Stirbt der Ort Kino? Stirbt Kino als Kunstform, als Sprache? „6Minuten66“ dauert eine Stunde lang; nicht jeder der Interviewten nutzt seine Zeit voll aus; manche sagen so ziemlich das gleiche; andere spielen mit den Gedanken oder mit dem Hotelzimmer. Ein Debattenbeitrag ist der Film allemal.

Die ersten Kandidaten des Filmes antworten brav. Es geht um Kino als sozialen Raum, um die Echokammer der Emotionen, darum, wie man auf sich selbst zurückgeworfen ist: Der Zuschauer, der Film, die Dunkelheit drumrum … Das ist einigermaßen erwartbar. Und wirkt mitunter auswendig dahergesagt – es wurde ja auch schon häufig über diese Probleme gesprochen, über den Zustand der deutschen Filmemacherei, über die Zuschauer, die dem deutschen Film oder dem Film als Kunst überhaupt eher fernbleiben, über Wirtschaftlichkeit und Kommerz und über die Marketingschwierigkeiten. Manche sprechen Lösungsansätze an: Obligatorisch für geförderte Filme solle kostenlose Werbezeit im Fernsehen sein für Filmtrailer, beispielsweise – was außer acht lässt, dass die Trailer ja auch nicht unbedingt ihre Filme schmackhaft machen, weil sie entweder zu sehr auf die Kunst hinauswollen oder lediglich kurzgeschnittene, viel zu vollständige Filmzusammenfassungen sind. Oder: Man solle VoD stärker einbinden, mit interaktiven Events bei Premieren und der Möglichkeit, die FilmemacherInnen per Social Media zu befragen – was ein bisschen im Widerspruch steht zum ebenfalls angesprochenen Erlebnisraum Kino steht, wo man sich auf den Film einlässt; und das ist nun mal eine (höchst willkommene!) Einbahnstraßenkommunikation von der Leinwand her.

Die Thesen sind also nicht wirklich alle in Einklang zu bringen. Über manche könnte man nachdenken – viel Zeit bleibt aber nicht, 6Minuten66 ist nun mal von den Spielregeln her begrenzt und manche Interviewten werden auch vor der Zeit abgeschnitten. Einige Filmemacher geben offen zu, mit dem Kino selbst wenig anfangen zu können (Axel Ranisch beispielsweise, der sehr sprunghaft redet; was er eigentlich meint, geht da geradezu verloren, das ist ja auch ein Problem seiner letzten TV-Arbeiten beim Tatort oder, uäh, beim Klamauk-Quatsch Familie Lotzmann auf den Barrikaden: Dass sie mit offenbar viel zu kurzer Aufmerksamkeitsspanne inszeniert sind und eine Szene mit der anderen nichts zu tun hat. Aber das nur nebenbei.) Andere der Befragten werden offenbar in der Filmmontage abgeschnitten, wahrscheinlich haben sie wenig zu argumentieren. Andere brechen von sich aus vor der Zeit ab. Einer zieht sich aus und geht ins Bad.

Am Schönsten sind die Filmteile, in denen die Interviewten spielerisch antworten. Einer muffelt, wie egal und irrelevant das alles ist, und man ahnt, dass das nicht nur resignativ, sondern auf paradoxe Art hoffnungsvoll ist. Eine Regisseurin hat ihren Hund dabei und spielt mit ihm Ball. Einer fummelt an der Kamera rum, weil auch mal die filmische Hardware gewürdigt werden müsse. Einer nutzt seine Zeit, um für uns zu tanzen.

Dieses Spielerische ist vielleicht die unausgesprochene Botschaft des Films; das kann aber nicht dem Konzept von 6Minuten66 angerechnet werden, sondern den Performern vor der Kamera. Die Grundfrage ist eben nicht sonderlich originell. Große Antworten kann es da nicht geben. Und dass im Subtext herauskommt, dass der Spaß am Kino im Spielen vor der Kamera liegt – das ist zwar schön, kann aber eben nicht per Fragebogen heraufbeschworen werden. So wirklich geht der Film nicht auf. Er ist eine Momentaufnahme, gefertigt für die Aktualität, als Beitrag zur Debatte, der aber auch ohne ihn nur wenig fehlen würde.

Und: Mit einer Länge von einer Stunde ist er zu kurz, um in dem Medium, das er feiert, gezeigt zu werden – auch interessierte Programm- und kommunale Kinos werden den Film nicht zeigen können.

6Minuten66 (2019)

In ihrem dokumentarischen Interviewfilm setzen sich Katja und Julius Feldmeier und mit ihnen15 Regisseur*innen (Dietrich Brüggemann, Nikias Chryssos, Katrin Gebbe, Helene Hegemann, Sonja Heiss, Cüneyt Kaya, Laura Lackmann, Jakob Lass, Tom Lass, Burhan Qurbani, Axel Ranisch, Christian Schwochow, Mia Spengler, Thomas Stuber, Tini Tüllmann) mit der Frage „Stirbt der Ort Kino, stirbt das Kino als Kunstform und Sprache?“ auseinander. 

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