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Wer ins Krankenhaus muss, soll sich dort wohlfühlen wie in einem guten Hotel. Und zwar auch zu den finanziellen Bedingungen der gesetzlichen Krankenkassen. Dieses Ziel will der Geschäftsführer eines Kreiskrankenhauses in Thüringen mit ganz konkreten Plänen erreichen, die zum Teil tollkühn klingen.

4 Sterne Plus (2022)

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Kommunale Klinik mit Kaminfeuer

In einer Zeit, in der nicht wenige kleine kommunale Krankenhäuser in ländlichen Regionen von der Schließung bedroht sind, weil ihr Betrieb unrentabel ist, entwickelt David-Ruben Thies einen kühnen Plan. Der Geschäftsführer des Kreiskrankenhauses Eisenberg in Thüringen, zu dem auch eine Fachklinik für Orthopädie gehört, will Kassen- und Privatpatient*innen mit dem Luxus eines Vier-Sterne-Hotels anlocken. Er lässt den Neubau des Krankenhauses vom italienischen Stararchitekten Matteo Thun entwerfen und möchte darin die Klischees vom ungemütlichen, unpersönlichen Hospital ausmerzen. Sogar dem typischen Klinikgeruch soll es an den Kragen gehen – mit einem Kaminfeuer in der Eingangshalle.

Der Dokumentarfilm von Antje Schneider (Die schöne Krista, mit Co-Regisseur Carsten Waldbauer) porträtiert Thies als einen Visionär mit zahlreichen Reformideen. Er will das deutsche Krankenhauswesen patientenfreundlicher machen und am Beispiel der Waldkliniken Eisenberg zeigen, wie das geht. Thies, der seine berufliche Laufbahn als Krankenpfleger begann, sieht sich gerne im Ausland um, wie Kliniken dort mit Pflegenotstand, Ärztemangel und Geldknappheit umgehen. Sein ärztlicher Direktor Georg Matziolis warnt ihn, dass es in Deutschland immer schwieriger sein werde, Anästhesieärzte zu bekommen. Ein schönes Gebäude locke noch keinen Arzt an, wichtig seien für Mediziner vielmehr Gehalt, Freizeitwert und Karrierechancen. Thies reist also nach Vietnam, um sich zu erkundigen, ob sich dort Anästhesieärzte für Deutschland finden lassen. Aber dieser Schritt führt nicht zum Erfolg. 

Der umtriebige Mann verblüfft seine Gesprächspartner*innen oft mit ungewöhnlichen Ideen. Manche würden ihn vielleicht sogar insgeheim für spleenig halten, weil er sich selbst in Detailfragen richtig hineinknien kann. So möchte er, dass die Ärmel der Arztkittel gekürzt werden, wegen der Infektionsgefahr, und schneidern soll die neuen Kittel am liebsten ein Pariser Modedesigner. Bei einer Führung durch den Rohbau der neuen Klinik kündigt er einen Vorratsschrank für Zigarren an, aus dem sich die Orthopädiepatient*innen bedienen könnten.

In die Beobachtungen des Films schleicht sich mitunter eine leichte Komik ein, wenn Thies so vieles versucht, mit Inbrunst vertritt und auf moderate Resonanz stößt. Oder wenn er in der Klinik beim Versuch scheitert, den Kaffeeautomaten zu bedienen. Auch Thies’ Neigung sich mit berühmten Persönlichkeiten zu umgeben – der Stararchitekt, die Künstler für die Eröffnungsfeier, die dann aber wegen der Corona-Pandemie bescheidener ausfällt – könnte das Filmpublikum leicht zu der Annahme verleiten, der Mann sei geltungsbedürftig und überehrgeizig. Während der Bau weitergeht, empfängt Thies politische Delegationen, hält Vorträge, ist oft auf Reisen. Die filmische Dramaturgie vielfältiger Beobachtungen, die jeweils aus kurzen Szenen bestehen, fördert den Eindruck, dass sich der Protagonist womöglich verzettelt. 

Eine seiner Erkundungsreisen führt Thies in ein niederländisches Krankenhaus, aus dem er wertvolle Anregungen für seine Eisenberger Klinik mitbringt. Er will auch Großraumbüros einrichten, in denen sich Ärzte und Pflegepersonal stationsübergreifend begegnen. Dabei verweist er auf eine Studie, wonach Diagnosen schneller und besser gestellt werden, wenn das Personal mehr miteinander redet. Aber Thies befürchtet Widerstand von deutschen Ober- und Chefärzten, wenn ihnen das eigene Zimmer genommen werden soll. Thies hat in seiner Klinik bereits herkömmliche Stationen durch sogenannte Units ersetzt, in denen sich nur ein bis zwei Krankenschwestern um eine kleine Patientengruppe kümmern. Auf diese Weise lässt sich die Pflege seinen Worten zufolge verbessern, ohne notwendigerweise höhere Kosten zu verursachen. 

Der Dokumentarfilm erscheint wichtig, gerade wegen solcher Passagen, die zeigen, wie sich in kleinen Schritten, mit einzelnen Maßnahmen, Verbesserungen zum Wohle der Krankenhauspatient*innen erzielen lassen. Ob es jetzt auch ein Kaminfeuer in der Klinik geben muss, sei dahingestellt. Aber vielleicht braucht es markante, leidenschaftliche Persönlichkeiten wie den Geschäftsführer Thies, um längst nötige Reformen im Gesundheitsweisen gegen den Trägheitswiderstand der Politik und Verwaltungen zu verteidigen. Die Waldkliniken Eisenberg jedenfalls lagen im Vergleich deutscher Krankenhäuser, den das F.A.Z.-Institut durchführt, schon zweimal auf dem ersten und einmal auf dem dritten Platz in ihrer Größenkategorie. Zu den Kriterien zählen unter anderem niedrige Komplikationsquoten und hohe Patientenzufriedenheit. Spätestens mit dieser Texteinblendung vollendet der informative und unterhaltsame Film den Beweis, dass jemand mit verwegenen Ideen keineswegs ein Narr sein muss.

4 Sterne Plus (2022)

Insolvente Krankenhäuser, fehlendes Personal, multiresistente Keime – David Thies, Geschäftsführer einer Kreisklinik in Thüringen, hat das Jammern satt. Er plant das Krankenhaus der Zukunft und will damit neue Maßstäbe setzen. Dafür rüttelt er an Konventionen, politischen Vorgaben, auch an geliebten Ritualen. Doch nicht alle teilen seinen Ehrgeiz, das Krankenhauswesen zu reformieren: Thies gerät an Grenzen, deren Ausmaß er nicht vorhergesehen hat. Wie weit kann er gehen? Was kann er bewirken? (Quelle: Filmfestival Max Ophüls Preis 2022)

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