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In ihrem Dokumentarfilm „1001 Nights Apart“ beleuchtet Sarvnaz Alambeigi zwei Generationen von iranischen Tänzer:innen – und mit welchen Hürden sie konfrontiert werden.

1001 Nights Apart (2022)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Just Dance?

Das Kino hat früh erkannt, welche Kraft in der Kunstform des Tanzes steckt. Von den Filmen mit Fred Astaire und Ginger Rogers über „Footloose“ (1984) und „Strictly Ballroom“ (1991) bis hin zu „Maos letzter Tänzer“ (2009), „Nurejew – The White Crow“ (2018) oder dem in Georgien spielenden „Als wir tanzten“ (2019) – immer wieder zeigt sich auf der Leinwand das widerständige Potenzial, das im Tanz steckt.

Die Filmemacherin Sarvnaz Alambeigi geht diesem Thema in ihrem Werk 1001 Nights Apart auf dokumentarischer Ebene nach. Schauplatz des Films ist der Iran – ein Staat, in dem das Tanzen und sogar die bloße Verwendung des Wortes Tanz strikt verboten sind. Und so sind die Menschen im Land dazu gezwungen, im Verborgenen zu tanzen. Alambeigi und ihr Kameramann Mahdi Azadi begleiten eine kleine Gruppe von tanzbegeisterten jungen Leuten, die sich in einem geheimen Studio in Teheran tänzerisch weiterentwickeln und ausleben möchten.

Spannend sind hier sowohl die lebhaften Diskussionen im Studio innerhalb der Gruppe als auch die kurzen Einblicke in den Alltag der einzelnen Gruppenmitglieder, in denen wir etwa erfahren, wie sie jeweils zum Tanz kamen und welche Bedeutung diese Kunstform in ihrem Leben einnimmt. In der Vorstellung der einzelnen Mitglieder offenbart sich nicht zuletzt auch der beeindruckende Facettenreichtum des Tanzes – von ruhig und filigran bis hin zu energisch und wild. Allein das Porträt dieser jungen Menschen, die gemeinsam in ihrem Versteck gegen ein absurdes Verbot rebellieren, macht 1001 Nights Apart zu einem faszinierenden Erlebnis. Doch dies ist für Alambeigi nur der Ausgangspunkt für eine Konfrontation zwischen dem damaligen und dem heutigen Iran.

Die Regisseurin ist auf eine alte Aufnahme des einstigen Sheherazade-Balletts gestoßen, die vor circa 40 Jahren entstand – also noch bevor die jungen Tänzer:innen, die hier im Mittelpunkt stehen, überhaupt geboren wurden. „Ich habe keine persönliche Verbindung zu den Bildern, die wir gerade gesehen haben“, äußert eine der Tänzerinnen. Und doch ist da plötzlich eine gewisse Neugier: Wer waren diese Personen – und was haben sie erlebt? Und so entsteht die Idee, eine Verknüpfung zwischen den beiden Generationen iranischer Tänzer:innen zu schaffen. Während die Gruppe im Studio an persönlichen Choreografien arbeitet, nehmen Alambeigi und ihr Team Kontakt zu den Beteiligten des damaligen Balletts auf, die einst ins Exil fliehen mussten.

Unter anderem mit Fotografien aus der Zeit lässt 1001 Nights Apart die Vergangenheit aufleben. Werbeplakate, die über vier Dekaden in einer Abstellkammer keinerlei Beachtung erfuhren, werden hervorgeholt und betrachtet. In Telefonaten, Videochats und persönlichen Treffen schildern die Ex-Tänzer:innen, wie es ihnen ergangen ist. Die Herstellung einer Zusammenarbeit zwischen Alt und Jung erweist sich indes als schwieriger, als zunächst erhofft. Der Film fängt sowohl die individuellen als auch die politischen Hürden ein, die eine freie Entfaltung der iranischen Tanzkultur selbst im Ausland erschweren oder gar unmöglich machen.

„Ich kann immer noch nicht fassen, dass jemand einen Film über all das macht“, meint eines der ehemaligen Mitglieder des Sheherazade-Balletts – ein heute beinahe 60-jähriger Mann, der inzwischen als Bühnentechniker am Scapino-Ballet in Rotterdam tätig ist. 1001 Nights Apart demonstriert bei allen Hindernissen, auf die das Team stößt, wie wichtig es ist, sich zu erinnern – und zugleich nach vorne zu schauen.

1001 Nights Apart (2022)

Im Iran darf man nicht tanzen – und es ist sogar verboten, das Wort Tanz zu benutzen. In einem versteckten Studio in Teheran versucht sich eine Gruppe von jungen Leuten dennoch das Tanzen selbst beizubringen. Ihnen ist wenig von der reichhaltigen Geschichte des iranischen Tanzes vor der Revolution von 1979 bekannt. Die damals international anerkannten TänzerInnen waren ins Exil gezwungen worden, bevor die ambitionierten jungen Leute geboren waren. (Quelle: Real Fiction Filmverleih)

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