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Am 24. März 2016 starb der Sänger Roger Cicero im Alter von 45 Jahren. An seinem sechsten Todestag startet ein Dokumentarfilm in den Kinos, der außer seiner eigenen auch die Karriere seines berühmten Vaters beleuchtet.

Cicero - Zwei Leben, eine Bühne (2022)

Eine Filmkritik von Falk Straub

Seite an Seite

In diesem Dokumentarfilm geht es nicht um einen Meister der Redekunst, worauf der Titel schließen lassen könnte, sondern gleich um zwei Meister: einen der Sanges- und einen der Improvisationskunst am Klavier. Regisseur Kai Wessel, bislang eher für historische Stoffe und Fernsehkrimis bekannt, porträtiert ein außergewöhnliches Vater-Sohn-Gespann, dem kein langes Leben vergönnt war.

Als am 24. März 2016 die Nachricht vom Tod Roger Ciceros die Runde machte, zeigte sich die Musikwelt betroffen. Kenner dieser Welt kamen nicht umhin, die Tragik hinter dieser Nachricht zu bemerken. Der 1970 in West-Berlin geborene Sänger starb an den Folgen eines Hirninfarkts und wurde nur 45 Jahre alt. Bereits sein Vater Eugen Cicero, ein begnadeter Jazzpianist, starb 1997 nach einem Hirninfarkt mit nur 57 Jahren. Nicht die einzige Parallele.

Es gab eine Phase in Roger Ciceros Leben, da spielte auch bei ihm ein ungesunder Lebenswandel eine große Rolle. Da nahm auch er, wie es der Schlagzeuger Charly Antolini über Rogers Vater Eugen blumig formuliert, zu viele „Erfrischungsgetränke“ zu sich. Eugen war gerade gestorben und Roger von Amsterdam, wo er Jazzgesang studiert hatte, nach Deutschland zurückgekehrt. In Hamburg sang er die Nächte in Musik-Clubs auf der Reeperbahn durch und war den Versuchungen dieser sündigen Meile nicht abgeneigt. 

Bis zu seinem Durchbruch mit dem Album Männersachen (2006) und der Single Zieh die Schuh aus war es noch ein weiter Weg, auf dem es lange nicht so aussah, als würde Roger es überhaupt schaffen (wollen). Denn für viele seiner Weggefährten und Beobachter – zu denen in diesem Film prominente Köpfe wie der Trompeter Till Brönner, der Pianist Joja Wendt und die Singer-Songwriter Johannes Oerding und Gregor Meyle zählen – war Roger Cicero ein Teamplayer, der sich nicht in den Vordergrund drängte; ein Mann für die zweite Reihe.

Ganz anders der Herr Papa. Zwar gab sich auch Eugen Cicero, der 1940 als Eugen Ciceu im rumänischen Klausenburg (Cluj-Napoca) geboren wurde und sich Anfang der 1960er-Jahre während einer Konzerttournee in den Westen absetzte, in der Öffentlichkeit ruhig und zurückhaltend. Er suchte das Licht der Öffentlichkeit aber auch und sonnte sich darin. Er lebte in einer Villa, trug Pelzmäntel und fuhr schicke Autos. Einer schlecht(er) bezahlten Karriere als Jazzvirtuose zog er ein gut dotiertes Engagement in Paul Kuhns SFB Big Band vor. Und wo sein Sohn Roger, nachdem er eine Kehrtwende zu einem gesunden Lebensstil vollzogen hatte, sich in die Arbeit stürzte, da begnügte sich der Vater später im Leben mit wenigen Auftritten, die ausreichend Geld in die Kasse spülten.

Die große Tragik dieser beider Leben war, dass der Vater den Erfolg des Sohnes nicht mehr mitbekam. Obwohl die zwei auch miteinander konkurrierten – schon allein deshalb, weil Eugen die Stimme eines Sängers nicht als gleichwertiges Instrument wahrnahm –, förderte und unterstützte er seinen Sohn, wo es nur ging. Da sind sich alle Interviewten einig. Regisseur Kai Wessel bereitet all das als narratives und visuelles Wechselspiel auf. Eine Art Jazzduett, wenn man so will. Sein Dokumentarfilm springt von einem Leben zum anderen und arbeitet sich auf der Zeitleiste stetig nach vorn. Stehen zu Beginn des Films aus Eugens Anfangsjahren nur schwarz-weiße Archivaufnahmen zur Verfügung, dann wechseln auch die Zeitzeugeninterviews von Farbe zu schwarzweiß. 

Von denen fährt Wessel eine ganze Lastwagenladung auf. Allein aus Roger Ciceros elfköpfiger Big Band, die ihn von seinem Karrierebeginn über den Abstecher zum Eurovision Song Contest bis zuletzt begleitete, kommt gefühlt jedes Bandmitglied zu Wort. Im Verbund mit den übrigen Wegbegleiter:innen und all jenen seines Vaters verliert man als Zuschauer:in schnell mal den Überblick.

Die Absicht dahinter ist verständlich. Wie so viele dokumentarische Porträts will auch dieses möglichst viele Stimmen zu Wort kommen lassen, um ein möglichst präzises Bild zu zeichnen. Ein Aspekt kommt erschwerend hinzu: Die Produzentin Katharina Rinderle hatte den Film noch zu Roger Ciceros Lebzeiten konzipiert und lange vor dessen Tod mit den ersten Aufnahmen begonnen. Nach dem unerwarteten Ableben ihres Protagonisten musste der Film erst einmal neu aufgestellt und die Finanzierung gesichert werden.

Regisseur Kai Wessel, der Roger Cicero von einer kleiner Nebenrolle kannte, die der Sänger in Wessels Film Hilde (2009) übernommen hatte, stieß 2017 hinzu. Bis zur Fertigstellung vergingen weitere Jahre, und dann bremste auch noch die Corona-Pandemie einen früheren Kinostart aus. Nach einem „Neun-Jahre-Marathon und Langstreckenlauf“, als den Rinderle das Projekt in einem Interview beschreibt, und angesichts von „1000 Stunden an gedrehtem Interviewmaterial“ ist es nachvollziehbar, so viel wie möglich im fertigen Film zu belassen. Wie so oft bei dokumentarischen Porträts wäre aber auch bei diesem weniger mehr gewesen. Denn in dem vielstimmigen Chor aus Interviewten geht die Musik ein wenig unter. 

Abe immer dann, wenn sie zu hören ist, ist sie großartig. Besonders wenn der Vater Seite an Seite mit dem Sohn musiziert.

Cicero - Zwei Leben, eine Bühne (2022)

Eugen und Roger Cicero waren Vater und Sohn, aber vor allem waren sie außergewöhnliche Künstler. Während Eugen in den 60er Jahren als Klaviervirtuose Berühmtheit erlangte und mit Starsängerinnen wie Ella Fitzgerald oder Shirley Bassey auftrat, füllte Roger Jahre später als einer der begnadetsten Sänger Deutschlands riesige Konzerthallen. Ihre Lebensgeschichten sind untrennbar miteinander verwoben und weisen faszinierende Parallelen auf – Genialität gepaart mit einer beispiellosen Leidenschaft, das Überwinden von Grenzen, der Balanceakt zwischen kommerziellem Erfolg und künstlerischer Integrität und schlussendlich der tragische Ausgang, der die Musikwelt bis heute erschüttert. (Quelle: Weltkino)

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Meinungen

Heike · 27.03.2022

Ich vermisse ihn 😍

Günther · 04.04.2022

Ich auch. Seine Musik ist noch so präsent, ich will es einfach nicht glauben dass da nie wieder was kommt.

Heinz Otto · 24.04.2022

Ich hatte Karten für ein Konzert in München, wollte Roger Cicero unbedingt mal live erleben... da stirbt er einfach weg! Ich war geschockt, maßlos traurig.🥺
Heute werde ich mir die Dokumentation über sein Leben und das seines Vaters im Kino anschauen.
Liebe Grüße
Heinz