Sommer vorm Balkon (2005)

Eine Filmkritik von Katrin Knauth

Die Magie sexueller Botenstoffe

Sommer 2005, Berlin-Prenzlauer Berg: Zwei Freundinnen sitzen bei reichlich Rotwein, Wodka und Cola auf dem Balkon. Beide auf der Suche nach Mr. Right schwatzen sie bis in die frühen Morgenstunden über die Dinge des Lebens, vor allem über die Liebe. Und wenn die eine feststellt, „Es wird gar nicht dunkel“ und die andere entgegnet, „Es wird schon hell“, scheinen sie mal wieder jegliches Zeitgefühl im Rausch der lauen Sommernacht verloren zu haben.

Die unbeschwerten Szenen, mit denen Andreas Dresens neuer Film Sommer vom Balkon beginnt, laden uns zum Schmunzeln ein. Was wir da auf der Leinwand sehen, kennen wir. Wie gern wir doch selbst die rotweingetränkten, süßen Nachtstunden im Hochgefühl der Jahreszeit nicht zu Ende gehen lassen wollen. Dresen bringt uns in seinem Sommerstreifen immer wieder zum Lachen, doch der Film wäre keine echte Dresen-Komödie, wenn dieser nicht ein bitterer Beigeschmack von Einsamkeit und Tristesse untergemischt wäre. Denn Dresen ist bekannt dafür, die Leute in den Vordergrund zu rücken, die nicht unbedingt auf der Sonnenseite des Lebens stehen. Er macht es seinen Figuren nicht einfach, doch am Ende zeigt er, dass sie nicht immer nur Verlierer sind und es irgendwie schaffen, durchzukommen.

Im täglichen Leben von Katrin (Inka Friedrich) und Nike (Nadja Uhl) geht es folglich auch nicht ganz so unbeschwert zu wie der Film anfangs suggerieren mag. Katrin, allein erziehende Mutter und arbeitslose Schaufensterdekorateurin, fällt es zunehmend schwerer, mit ihrem Schicksal klarzukommen. Sie ist ängstlich, verklemmt und aggressiv zugleich. Den Anforderungen ihres Lebens ist sie nicht mehr gewachsen, im Alkohol sucht sie ihren Trost. Inka Friedrich, die an der Seite von Axel Prahl bereits in Dresens letztem Film Willenbrock (2004) brillierte, spielt die Katrin mit einer Eindringlichkeit, aus der sich gut folgern lässt, dass deren Eigenschaften ihr selbst wohl nicht ganz unbekannt sind.

Nike ist das ganze Gegenteil von Katrin und trotzdem oder gerade deswegen so gut mit Katrin befreundet. Allein ihr Kleidungsstil spricht Bände. Knallig, bunt, frech und der String guckt dabei immer schön aus der Hose heraus. Nike hat ein Herz für alte Menschen, um die sie sich als Altenpflegerin voller Hingabe und Aufopferung kümmert. Unbeschwert, flott und ungeniert geht sie durchs Leben. Bis sie eines Tages Ronald (Andreas Schmidt), den Truckerfahrer, trifft und sich Hals über Kopf in ihn verliebt. Ronald ist der vollkommen falsche Mann für Nike, er ist borniert und unverschämt, doch sie glaubt, mit ihm den Richtigen gefunden zu haben. Dass die Richtigen meistens die Falschen sind, glaubt wiederum Katrin besser zu wissen, die aus Abneigung gegen Ronald in einen heftigen Streit mit Nike gerät. Und so nimmt das Geschehen seinen Verlauf, getragen von Wärme, Schmerz und Humor – den ganzen Sommer über.

Der Film wurde nach einer kurzen Vorbereitungszeit von knapp drei Monaten an 35 Tagen an Originalschauplätzen am Prenzlauer Berg in Berlin gedreht. Dresen arbeitete mit einem sehr kleinen vertrauten Team, das aus einem Dutzend Leuten bestand, die multifunktional eingesetzt wurden. Nebenbei musste Dresen auch noch an seinem Film Willenbrock schneiden. „Das Ganze war ein bisschen wahnsinnig“, gibt Dresen rückblickend zu, „doch plötzlich ging alles irre schnell und unkompliziert – das Projekt war von Anfang an von einem guten Geist getragen: Jeder hatte Lust darauf und ließ dafür alles andere stehen und liegen.“

Sommer vom Balkon dreht sich im Kern um das Leben der beiden Freundinnen Katrin und Nike. Doch gleichzeitig spielen sich auch viele andere kleine Geschichten ab. Sie erzählen aus dem Leben von Menschen unterschiedlicher Generationen, die alle auf der Suche nach menschlicher Wärme und Aufmerksamkeit sind. Dank eines sensationellen Drehbuches, für das Wolfgang Kohlhaase den Preis der Jury auf dem diesjährigen Filmfestival in San Sebastian gewonnen hat, und eines großartigen Schauspielerensembles, ist Andreas Dresen eine witzig-charmante Komödie der Extraklasse gelungen.
 

Sommer vorm Balkon (2005)

Sommer 2005, Berlin-Prenzlauer Berg: Zwei Freundinnen sitzen bei reichlich Rotwein, Wodka und Cola auf dem Balkon. Beide auf der Suche nach Mr. Right schwatzen sie bis in die frühen Morgenstunden über die Dinge des Lebens, vor allem über die Liebe.

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Meinungen

Wolfhard · 21.08.2022

Ich habe den Film gestern wieder auf RBB als x-te Wiederholung gesehen. Ich war wie beim ersten mal einfach nur Begeistert und bald habe ich auch die Dialoge drauf.

Anke · 03.10.2008

Also ich fand den Film einfach großartig, endlich mal nichts Abgehobenes und Unrealistisches. Es kommt wirklich das Berliner Lebensgefühl rüber. Vielleicht versteht man das nur, wenn man auch in Berlin (Ost) wohnt!

Heidelinde Neubert · 22.02.2008

Hallo, ich möchte hier auch einmal ein paar Worte zum "Sommer vor den Balkon" sagen. Also, Nadja Uhl, Inka Friedrich und Andreas Schmidt sind einfach eine Wucht!! Toller Film, prima gedreht, hautnah!! Überzeugend!! Bin begeistert, obwohl dies alles für mich konservativen Oldtimer nicht meine Welt ist, aber so ist dort eben das Leben!! Grüße von Heidi

Héctor · 16.12.2006

Ich bin sehr enttäuscht. Eine schlechte deutsche kopie von "die fabelhafte welt amelies". kein rithmus. vorhersehbar. Die schauspieler sind das beste.

Schmidt · 16.07.2006

"Sommer vorm Balkon" ist ein hübscher Film, recht amüsant und gut gespielt. Aber mit der Vielzahl von Themen wirkt er überladen und etwas ziellos. Außerdem ist der Film etwas zu lang - aber das Ende (...und so weiter) löst das ja auf.

EDE · 30.03.2006

Der Film war das mit Abstand schlechteste, was ich seit langer Zeit gesehen habe. Mega-Ober-Langweiler; m.E. voll von Klischees und Frauenfeindlichkeiten. Einfältige Dialoge, schlechte Szenen immer darauf bedacht, Voyeure nicht zu kurz kommen zu lassen. Versuchter Rundumschlag mit Alltagsproblemen, um möglichst viele Zuschauer miteinzubeziehen - dies ist 100%ig mißlungen. Ebensoviel Hintergrund wie Lacher bei den Zuschauern im Kino, nämlich nicht einen. Fazit: Vom Besuch ist absolut abzuraten - lieber einen Sommerabend auf dem Balkon zu verbringen.

Daniela Wohlan · 21.06.2022

Ich habe den Film von einer Kollegin geliehen bekommen. Gekauft hätte ich ihn nicht, weil er auf mich von Anfang an deprimierend wirkt. Als Katrin in der Psychiatrie landet und Nike mit diesem LKW-fahrenden Zuchtbullen horizontale Mambos tanzt und sich von ihm anhören muss wie der Herr sein Gulasch isst war bei mir der Film aus dem Player. Solche Typen kann man in den Sommerferien an der Autobahn aussetzen wie man es leider gerade dann mit Tieren macht. Wenn das eine Komödie sein soll dann stimmt mit meinem Humor irgendwas nicht 🤔. Da ist mir "Wir sind die Neuen" sympathischer😁

Angela Dresdner · 17.03.2006

Für mich eindeutig der schlechteste Dresen bisher. Wirkte auf mich unberechtigt deprimierend.

Fiete · 16.03.2006

Wirkt aus dem Leben gegriffen, nichts für Leute die im Kino etwas anderes als das normale Leben sehen wollen. Mit dem Film kann man sich nicht vor einem stumpfsinnigen Leben verstecken und sich ablenken.

· 12.03.2006

Sehr guter Film der nachdenklich macht. Authentisch und mit trockenem Humor. Schauspielerische Leistung aller Mitwirkenden top, sodass man sich zuweilen in einen Dokumentarfilm versetzt glaubt. Jederzeit zu empfehlen.

Arthur Oleszczuk · 07.03.2006

da muss ich chris vom 13.02.2006 mal verbessern, der film wurde auf super16 gedreht, ( kodak 16mm Filmmaterial )und dann durch ein digital intermediate, wieder auf 35mm gefazt, (ausbelichtet)...
wenn das nicht aufgefallen ist, dann spricht dass für das intermediate, denn normalerweise sehen 35mm kopien von 16mm filmen sehr grobkörnig aus, das tut Sommer vorm Balkon nicht...

Alexander Masche · 05.03.2006

Sommer vom Balkon“ - Ein Andreas Dresen- Film, geschrieben vom Drehbuch des täglichen Daseins.

Es ist Sommer und hüben wie drüben sitz man auf seinem Balkon, atmet den Duft frisch gemähten Rasens, lacht, weint, trinkt und singt.
Die beiden Freundinnen Katrin (Inka Friedrich) und Nike (Nadja Uhl) sitzen ebenfalls draußen. Katrin kann ihrem Sohn aufgrund leerer Kassen den Wunsch neuer Turnschuhe nicht erfüllen. Der widerum ist verliebt und baut heimlich Höhlen auf dem Dachboden. Nike pflegt alte Menschen, macht gerne Überstunden beim Vorlesen alter Groschenromane und buhlt nebenbei um die Gunst eines in Feinripphemd gekleideten Vollblut- Truckers namens Ronald (Andreas Schmidt). Sie fährt mit dem Fahrrad zur Arbeit.

Probleme und Personen, die so alltäglich sind wie die morgendliche Monotonie des Zähneputzens, schmücken den neuen Film von Andreas Dresen. Was ist so faszinierend am Gewöhnlichen, dass es sich lohnt etwas so Unspektakuläres auf Film zu bannen?

Es ist der Kampf ums Überleben, nicht auf der Titanic, nicht in den unendlichen Weiten des Weltraums, sondern auf einem Balkon, irgendwo im Nirgendwo der Berliner Großstadtanonymität. Die Monster, vor denen sich die Figuren im Film fürchten, sind nicht grün und glibberig, sie kommen auch nicht in der Nacht, sondern einmal im Monat als rechteckiger Kontoauszug aus dem Automaten. Es sind die Nichtigkeiten, welche der Schweriner Andreas Dresen in den Fokus rückt, die kleinen Dinge des Alltags, die er mit einem Charme detaillierter Gegenwartsverzweiflung zu den Wichtigkeiten erklärt. Serviert von zwei authentischen Protagonisten, 2 Ameisen im großen Hauptstadthaufen, die von Tag zu Tag um ihren Platz in der Gesellschaft schuften, schafft es Dresen, den Zuschauer für sein soziales Mittelmaß zu begeistern. Ohne zu dramatisieren versetzt er den Kinobesucher in eine Melancholie des Menschseins. Der hohe Wiedererkennungswert seiner Hauptdarsteller, die Normalität ihrer Probleme und der Verzicht auf theatralische Extreme, wandelt jedes Kinoticket in einen Fahrschein durch die eigene Nachbarschaft. Andreas Dresen hat es geschafft, den sozialkritischen Film wieder ein Stückchen ehrlicher zu machen. „Sommer vom Balkon“ ist keine 90 minütige Moralpredigt auf unsere Gesellschaft, es drückt und klemmt nicht beim Verlassen des Kinosaales. Unter seiner Regie wandelt sich das befremdliche Zelluloid in heimisches Fensterglas, die Leinwand, auf die wir schauen, in die Gardinen von Familie Schulz, am Ende der anderen Straße. Das, was wir in seinem Film sehen, ist das was jeder von uns Tag ein, Tag aus unter der Regie seines eigenen Schicksals lebt.
Es ist die Ironie der Identifikation, die den Charme des Films ausmacht, das Gefühl eine wie Katrin und Nike zu kennen, mit ihres Gleichen durchs Leben zu ziehen.

Es ist Sommer und hüben wie drüben sitz man auf seinem Balkon, atmet den Duft frisch gemähten Rasens, lacht, weint, trinkt und singt. Katrin und Nike sitzen ebenfalls draußen.
Ich bin mir sicher, ich kann ihr Parfüm riechen, und das in der 16. Reihe.

· 20.02.2006

endlich mal ein deutscher film der nicht überzogen versucht sich an den filmen der hollywoodstreifen zu messen sondern seinen ganz eigenen stil hat und das wahre leben zeigt, ein film zum heulen und zum lachen... und doch sehr realistisch

Andi Mentzel · 17.02.2006

Selten habe ich ein Kinopublikum beim Hinausgehen so Lachen und
Schmunzeln sehen. Der Film bringt viele unterschiedliche Seiten zu klingen. Ein besonderer Film, sehr empfehlenswert. Mit frischer Bau-Op allerdings nicht zu empfehlen, die Narbe geht sicher auf...sicher :-)

@Chris · 13.02.2006

Wieso? "Digital ist besser" (Tocotronic)
Außerdem sagt Digital oder 35mm nichts, aber auch gar nichts über die künstlerische Qualität eines Films aus. Sommer vorm Balkon wäre auch auf 35mm immer noch ein guter Film gewesen und 24/7 immer noch ein schlechter. That's it!

Chris · 13.02.2006

"Sommer vorm Balkon" wurde wie "24/7 The Passion of Life" digital gedreht.

"Sommer vorm Balkon" ist dadurch voller Leben.

"24/7 The Passion of Life" ist ein Thesenfilm.

Wäre schön wenn deutsche Filme mehr Geld bekommen, um auf 35mm drehen zu können

Kristin · 09.02.2006

Ich war gegeistert.
Fand den Film mit der Thematik sehr lebensnah und fanastisch umgesetzt. Auch die Besetzung der Schauspieler war optimal. Ich mag Nadja Uhl sowieso gerne sehen.Das Kino hat mir wirklich Spaß gemacht.
Kompliment an alle Beteiligten.

V.M. · 08.02.2006

Mir hat der Film gut gefallen, gerade weil es sich um einen Alltagsausschnitt handelte. Der "coole Straßen-Cowboy" war vielleicht ein wenig überzeichnet, aber alle Darsteller haben hervorragend und glaubwürdig geschauspielert. Super Idee, die "Lacher" einzubauen, denn inhaltlich war es ja eher tragisch. Trotzdem wurschteln sich alle durch die Anforderungen des Lebens und bewältigen sie irgendwie, manchmal auch nur mehr schlecht als recht, manchmal ganz leidlich.

Club der Filmjournalisten Berlin · 05.02.2006

Bitte nicht vergessen: Wir haben dem Film "Sommer vorm Balkon" den
Ernst-Lubitsch-Preis 2006 zugesprochen für die "beste komödiantische Gestaltung eines deutschsprachigen Films". Dieser ttraditionelle Preis wird dem Team dieses Film während der Berlinale
übergeben

@Melanie Dück · 03.02.2006

In welchem Film warst du denn? Da muss es wohl zwei Versionen von Sommer vorm Balkom geben

melanie dück · 03.02.2006

Ein Film , der mich maßlos enttäuscht hat. Es finden keine wirklichen Gespräche statt. Er kratzt lediglich an der Oberfläche, trifft in keiner Weise den Nerv des Zuschauers. Eine spannende Geschichte, die ohne wirkliche Dialoge einfach unglaublich langweilig ist. Ein Leben, welches Realität, Emotionen und Gespräche einfach ausblendet. So ist es nicht, das Leben. Der Film - eine große Enttäuschung und Langweiler.

Der Redaktör @Prenzlbär · 26.01.2006

Weil irgendwann mal Schluss sein muss... ;-)

prenzlbär · 26.01.2006

Einfach klasse! Eine geniale Kombination aus Komödie und Tragödie. Perfekt gemacht! Warum gibts eigentlich keine 7 Sterne?

· 18.01.2006

Danke für diesen Film!

· 06.01.2006

ich mag den film wegen seiner leichtigkeit, den glaubwürdigen darstellern, dem guten drehbuch mit wunderbaren dialogen. nah am "wirklichen" leben, aber trotz aller schwierigkeiten und probleme immer mit humor, einem weinenden und einem lachenden auge...