Jane Got a Gun

Schwierige Liebe im Wilden Westen

Eine Filmkritik von Andreas Günther

Western gibt es zwar wieder im Kino, sie sind jedoch so selten, dass sie immer etwas Besonderes bieten sollen. Jane Got a Gun mit Natalie Portman als Ehefrau und Mutter, die verzweifelt Unterstützung im Kampf gegen eine Verbrecherbande sucht, hat in seiner konventionellen Machart auf den ersten Blick nichts Herausragendes. Auf den zweiten aber doch. Denn wann war zuletzt ein Western zu sehen, der sich auch als Dating-Movie eignet?
Jane Got a Gun ist ein mindestens doppelsinniger Titel. Natalie Portmans Jane bewahrt 1871 in ihrem kleinen Haus am Rande tiefer Canyon-Spalten ein ganzes Arsenal von Waffen auf. Über ihrem Kleid trägt sie einen schweren Revolver, mit dem sie auf kurze Distanz sehr treffsicher ist, mit dem Repetiergewehr auch auf größere Entfernung. Aber "Gun" bedeutet darüber hinaus soviel wie Revolvermann gegen Geld. Den glaubt Jane zu brauchen, als Gatte Bill Hammond (Noah Emmerich) mit fünf Kugeln im Leib schwer verletzt nach Hause geritten kommt.

Mit einer langen Zange entfernt Jane vier Kugeln, an die letzte kommt sie nicht mehr heran. Bill gesteht, dass er seine Beine nicht mehr spürt – und die Bishop-Bande unter der Führung von John Bishop (Ewan McGregor), ihrer beider Feind, ihm auf den Fersen ist. Jane ist geschockt. In der Stadt besorgt sie Dynamit und Munition, ihre kleine Tochter bringt sie in Sicherheit, aber weichen oder ihren Mann aufgeben will sie nicht. Stattdessen will Dan Frost (Joel Edgerton) als Revolvermann anheuern. Doch ihr ehemaliger Verlobter ist so verbittert und eifersüchtig, dass er zunächst ablehnt.

Die Liebe hat´s schwer im Wilden Westen. Der klassische Western kennt sie eigentlich nur als Belohnung für den Helden, die nach dem Wörtchen 'Ende' winkt. Dass ein Paar wie Jane und Dan so richtig an seiner Beziehung und Liebesfähigkeit arbeitet, ist eigentlich nur aus der Spätblüte des Genres Anfang der 1970er Jahre gegenwärtig, aus Peter Fondas Der weite Ritt und natürlich von Charles Bronsons Auftritten mit seiner Frau Jill Ireland in Wilde Pferde und Zwischen zwölf und drei. Eher an diese Filme als an das indirekte Vorbild In einem Sattel mit dem Tod mit dem Sexsymbol Raquel Welch schließt Jane Got a Gun an.

Wie Jane, Bill und Dan gefühlsmäßig zueinanderstehen, entscheidet sich in einer regelrechten Schlacht, bei dem Janes Haus durchlöchert wird wie ein Schweizer Käse. Kugelhagel und Explosionen sind ein Fegefeuer. Romantische Erinnerung und brutale Gegenwart halten sich die Waage. Recht gelungen verkörpern Portman und Edgerton die Verhärtungen durch den amerikanischen Bürgerkrieg, der sie getrennt und traumatisiert hat. Obwohl die historische Akkuratesse insbesondere in ballistischer Hinsicht großen Raum einnimmt, ist Jane Got a Gun doch auch ein zeitloses Werk darüber, wie mit Opfern, Kompromissen und wechselseitiger Anerkennung Menschen nach unterschiedlichen Lebensverläufen wieder oder überhaupt zueinander kommen können. Das Patchwork-Muster, das dabei entsteht, hat sogar höchste Aktualität.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/jane-got-a-gun