Divinity (2023)

Modern Midnight Movie

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

„Frankenstein“ (1931) meets „Jason und die Argonauten“ (1963) meets „Eraserhead“ (1977). So in etwa lässt sich die Pastiche-Anmutung des in Schwarz-Weiß gedrehten Films „Divinity“ von Eddie Alcazar auf den Punkt bringen. Gerecht wird diese Aneinanderreihung von Titeln dem Seherlebnis allerdings nur bedingt. Gewiss bedient sich der Regisseur, der als Sohn einer alleinerziehenden bolivianischen Mutter in Albuquerque, New Mexico aufwuchs und sich in seinem Studium in San Francisco mit visuellen Effekten und Animationsfilmtheorie befasste, diverser Motive aus Klassikern und B-Movies der Vergangenheit. Das bedeutet indes nicht, dass es ihm nur um Retro-Gefühle geht.

So wirkt Divinity weniger wie ein Film, der alte Werke und Ästhetiken zitiert, um an den Shabby Chic von einst zu erinnern und diesen wohlig zu feiern, sondern vielmehr wie eine moderne Weiterführung, die zugleich das Zeitlose in früheren Arbeiten hervorhebt. Etliches an Frankenstein oder Horror-, Grusel-, Science-Fiction-, Fantasy- und Experimentalfilmen der 1950er bis 70er Jahre mag aus heutiger Sicht ziemlich albern daherkommen. Im Kern wurden darin aber Sujets verhandelt und in eine kinematografische Form gebracht, die uns immer noch beschäftigen. Und gerade die vermeintlich billigen, exzentrischen Produktionen, die nicht darauf ausgelegt waren, massentauglich zu sein, widmeten sich diesen Themen zuweilen auf eine besonders spannende Art.

Alcazar, der auch das Drehbuch schrieb, schildert in Divinity eine dystopische Welt, in der sich alles um ewige Jugend und Unsterblichkeit dreht. Der Forscher Sterling Pierce (Scott Bakula) hatte zu Lebzeiten ein Anti-Aging-Serum entwickelt, das den Tod des Menschen verhindern sollte. Inzwischen ist Sterling jedoch (ironischerweise) verstorben – und sein Sohn Jaxxon (Stephen Dorff) hat die wissenschaftliche Errungenschaft des Vaters genutzt, um daraus ein äußerst profitables Geschäft zu machen.

Die Leute in Jaxxons Umfeld, etwa dessen Bodybuilder-Bruder Rip (Michael O’Hear), sehen aus wie Persönlichkeiten, denen wir auf Social-Media-Plattformen wie Instagram folgen können: gestählte Muskeln, makellose Gesichter, verführerische Posen. Jaxxon genießt derweil seine Machtposition. Doch nicht nur eine Gruppe junger Frauen, angeführt von Ziva (Bella Thorne), stellt sich gegen ihn. Auch zwei Alien-Brüder (Moises Arias und Jason Genao) wollen Jaxxons Pläne durchkreuzen.

Die Besetzung des Films lässt in ihrer Mischung aus frischen Gesichtern, Ex-Teen-Idolen wie Moises Arias (Hannah Montana) und Bella Thorne (Shake It Up) sowie älteren B-Film- und TV-Stars wie Stephen Dorff (Blade) und Scott Bakula (Zurück in die Vergangenheit) an die Casting-Strategie von Gregg Araki denken, in dessen Werken sich meist ein vergleichbarer Mix aus (semi-)bekannten Schauspieler:innen und neuen Talenten finden lässt. (Mit-)Produziert und, wie es im Vor- und Abspann heißt, „präsentiert“ wird Divinity wiederum von einem anderen namhaften Regisseur: Steven Soderbergh. Dass dieser in Alcazar und dessen Projekt großes Potenzial gesehen hat, ist absolut nachvollziehbar.

Zu den visuellen Höhepunkten gehört die Kombination von Live-Action- und Stop-Motion-Aufnahmen. Im Stil des legendären US-Tricktechnikers Ray Harryhausen setzt Alcazar hier einen betont artifiziellen Kampf von monströsen Ausmaßen in Szene, der letztlich einnehmender ist als viele teure CGI-Schlachten.

(Gesehen im Rahmen des Transit Filmfests 2023)

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/divinity-2023