Escape Room (2019)

Ausweg verzweifelt gesucht

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Escape Rooms erfreuen sich seit einigen Jahren größerer Beliebtheit. Ob als Partyprogrammpunkt, Familienerlebnis oder Teambuilding-Maßnahme – immer häufiger lassen sich Menschen in geschlossene Spielräume stecken und versuchen, innerhalb einer bestimmten Zeit durch das Lösen von Aufgaben und Rätseln in die Freiheit zu gelangen. Interaktiver Nervenkitzel mit Netz und doppeltem Boden, versteht sich. Schon 2017 nutzten zwei Filme ein solches Szenario, um Horrorgeschichten zu entrollen, entpuppten sich allerdings als unterirdische Möchtegern-Schocker. Besser – wenn auch nicht vollends überzeugend – geht es nun der US-amerikanische Regisseur Adam Robitel an, der 2018 mit Insidious – The Last Key in den deutschen Kinos vertreten war.

Escape Room handelt von sechs vorab nicht miteinander bekannten Personen, die sich nach einer Einladung zu einem abenteuerlichen Knobelspaß mit der Aussicht auf einen 10.000-Dollar-Gewinn im Warteraum eines alten Bürogebäudes einfinden. Anwesend sind neben der schüchternen Physikstudentin Zoey Davis (Taylor Russell) auch der Escape-Room-Spezialist Danny Khan (Nik Dodani), die Ex-Soldatin Amanda Harper (Deborah Ann Woll), der Supermarktmitarbeiter Ben Miller (Logan Miller), der Börsenexperte Jason Walker (Jay Ellis) und der LKW-Fahrer Mike Nolan (Tyler Labine). Sie alle staunen nicht schlecht, als Ben beim Versuch, das Zimmer zu verlassen, plötzlich den Türgriff in der Hand hält. Offenbar hat das rasch lebensbedrohliche Spiel bereits begonnen.

Rigorose Logikverfechter dürften mit Robitels Thriller ihre Probleme haben. Escape Room ist ein sogenannter High-Concept-Film, der sich weniger für Plausibilität und mehr für den Spannungsfaktor interessiert. Die griffige Prämisse – sechs Fremde als Gefangene eines mörderischen Gruppen-Games – zielt auf kurzweiliges Mitfiebern ab. Nicht mehr und nicht weniger. Fast schon erwartungsgemäß rudimentär fällt die Zeichnung der Protagonisten aus, denen das Drehbuch von Maria Melnik (American Gods) und Bragi F. Schut (Der letzte Tempelritter) keine komplexen Persönlichkeiten zugesteht. Hintergrundgeschichten werden angerissen, haben letztlich aber vor allem funktionalen Charakter. Denn irgendwann begreifen die Spieler, dass sie aus einem ganz bestimmten Grund für das Escape-Room-Abenteuer ausgewählt worden sind. Als dramaturgisch nicht ganz glücklich erweist sich die unterschiedlich umfangreiche Vorstellung der Hauptfiguren im Anfangsdrittel, aus der man ableiten kann, wer später am längsten durchhält. Aufgepfropft wirken überdies die gesellschaftskritischen Anmerkungen, die gegen Ende auf wenig subtile Weise Eingang in die Dialoge finden.

All das lässt einen enttäuschend einfallslosen Horrorfilm vermuten. Umso mehr erstaunt es, wie unterhaltsam Escape Room in vielen Momenten daherkommt. Obwohl die Figuren skizzenhaft entworfen sind, versuchen sie, ihren Kopf einzuschalten, und ergehen sich nicht – wie man es in ähnlichen Reißern allzu oft sieht – in endlos-ermüdenden Streitereien. Immer mal wieder kitzelt die Extremsituation Aggressionen und Auseinandersetzungen hervor. Die meiste Zeit bemühen sich die Eingeschlossenen jedoch darum, an einem Strang zu ziehen und sich gemeinsam aus ihrer misslichen Lage zu befreien. Die Rätsel, mit denen sie konfrontiert werden, sind keineswegs bahnbrechend, erfüllen aber durchaus ihren Zweck und werden in manchen Szenen sogar mit nervenaufreibenden körperlichen Herausforderungen kombiniert. Besonders hervortun kann sich in diesem Zusammenhang die durchtrainierte Deborah Ann Woll, deren Amanda einige halsbrecherische Stunts vollbringen muss.

Entscheidend für den insgesamt ordentlichen Gesamteindruck ist das abwechslungsreiche und mit viel Liebe zum Detail eingerichtete Szenenbild. Zoey und ihre Mitstreiter kämpfen sich durch Räumlichkeiten mit verschiedenen klimatischen Bedingungen und bekommen es mit einer auf dem Kopf stehenden Billard-Bar zu tun, der zweifellos interessantesten Location des ganzen Films. Vor allem hier fühlt man sich an Vincenzo Natalis packendes Kammerspiel Cube von 1997 erinnert. Dessen klaustrophobische Intensität erreicht Robitels Escape Room sicher nicht. Einen kleinen, effektiven Spannungstrip darf man aber allemal erwarten. Ob man diesen unbedingt – wie im etwas ungelenken Finale angedeutet – auf eine Fortsetzung ausdehnen muss, steht freilich auf einem anderen Blatt.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/escape-room-2019