Impulso (2017)

Improvisierter Flamenco

Eine Filmkritik von Verena Schmöller

Rocío Molina gilt als Ausnahmekünstlerin: Sie tanzt den Flamenco wie keine andere. Denn: Sie improvisiert. Sie tanzt aus dem Stehgreif und in spontanen Schrittfolgen einen Tanz, der tief verwurzelt in der spanischen Kultur ist. Damit sprengt sie die Regeln der andalusischen Tradition, die heute zum immateriellen UNESCO-Kulturerbe zählt. Emilio Belmonte hat nun einen Film über die spanische Tänzerin und Choreografin gemacht.

Impulso begleitet Rocío Molina bei der Vorbereitung des Stückes „Caída del Cielo“ („Vom Himmel gefallen“, 2016), das sie im Théâtre National de Chaillot in Paris uraufführen wird – einer der renommiertesten Bühnen auf dem Gebiet des zeitgenössischen Tanzes. Der Film zeigt sie bei der Ausarbeitung der Choreografien, beim Üben und in enger Zusammenarbeit mit Sänger und Musikern, beim Ausprobieren auch ganz verrückter Einfälle und Einlagen, die mehr wie die Performance eines bildenden Künstlers wirken als wie Vorführung einer Flamenco-Tänzerin. Dabei geht die 34-Jährige täglich neu an ihre Grenzen. Sie verknüpft alte Flamenco-Traditionen mit Formen des modernen Tanzes, mit neuen Improvisationen, so genannten impulsas, und erweitert damit die Grenzen des traditionellen Flamenco. 

Als Zuschauer sieht man der Künstlerin zu, beobachtet, spürt ihre Konzentration, ihre unglaubliche tänzerische Kraft und ihren Willen, sich immer wieder neu auszudrücken. Sie stampft ihre Rhythmen, lässt sich mit aller Wucht auf den Boden fallen, trägt ihre Knieschützer wie die Symbole einer revolutionären Kunst, die auch schmerzhaft sein darf. Bereits als Dreijährige begann sie zu tanzen und stand früh auf der Bühne. Ihre erste Choreografie hat sie sich im Alter von sieben Jahren überlegt, bevor sie eine Ausbildung am Conservatorio Real de Danza in Madrid absolvierte.

Ansonsten erfährt man allerdings nicht viel über die Tänzerin. Der Dokumentarfilm bleibt unkommentiert, er konzentriert sich ganz auf die Tanzszenen. Die wenigen Informationen, die er liefert, stammen von Rocío Molina selbst und einigen wenigen anderen Interviewpartnerinnen und -partnern – eine eigentlich recht konventionelle Form der Dokumentation. Und doch funktioniert sie für diesen Film nicht, weil zu vieles ungesagt bleibt, weil die Kunst, die Rocío Molina erschafft, nicht anhand der Bilder, der bedeutenden Aufführungsorte, der wenigen Worte über sie erfasst wird. Und damit auch nicht zeigt, was der Flamenco im 21. Jahrhundert ist und wie ihn Rocío Molina mit ihrer Kunst beeinflusst.

Damit bleibt Impulso ein Film für Kenner: Wer sich – wie Regisseur Emilio Belmonte, der wie die Tänzerin in Andalusien aufgewachsen ist – auskennt im spanischen Kulturleben, im Tanz, im Flamenco, der mag die Bedeutung Rocío Molinas für den modernen Tanz allgemein und die spanische Flamenco-Tradition im Besonderen nachvollziehen können. Wer über weniger Wissen verfügt und sich vielleicht nur für Spanien oder Tanz ganz allgemein interessiert, der bleibt etwas verloren zurück. Sehr schade!

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/impulso-2017