Das schönste Paar (2018)

Täter, Opfer, Schuld

Eine Filmkritik von Harald Mühlbeyer

Der Anfang: Ein Traum. Eine postkoitale Idylle an wildromantischer Meeresküste, zutiefst befriedigte Liebende, das reine Glück. Danach, im Urlaubsbungalow: Eine Home-Invasion-Szene, irgendwo zwischen Funny Games und "Clockwork Orange" – Jugendliche überfallen das Paar. Wissen nicht so recht, was sie mit den beiden Wehrlosen anfangen sollen. Geld? Ja, gerne. Handys auch. Jetzt soll Malte seine Liv ficken. Danach macht sich der Anführer der Junggangster dran…

Sexuelle Gewalt zu Beginn eines emotionalen Dramas: Auf gewisse Weise ist Das schönste Paar ein Parallelfilm zu Alles ist gut von Eva Trobisch. Eine Vergewaltigung, ein Trauma, die Mühen der Bewältigung – Sven Taddicken, der beispielsweise in Gleißendes Glück sein Können gezeigt hat, krisen- und krankhafte Beziehungen zu porträtieren, springt von der gräulichen Gewalt wieder hinein in einen Beziehungsalltag zwei Jahre später, der geradezu normal wirkt. Malte und Liv lieben sich, auch und gerade im Alltag, in vielen kleinen, subtil eingestreuten Details macht Taddicken das spürbar. Sie sind Lehrer, ihre Routine greift ineinander, sie sind füreinander da. Sie haben das Trauma überwunden. Meinen sie.

An diesem Tag stoßen sie mit Sekt an, es war die letzte Therapiesitzung für Liv, um das Geschehene zu verarbeiten. Ist jetzt alles vorbei? Malte jedenfalls scheint ein bisschen mehr Therapie hätte brauchen können, in der Nacht ist außer Kuscheln nicht viel mit ihm los. Doch im normalen Leben, in der Liebe füreinander funktionieren sie. Bis Malte im Imbiss den Täter wiedererkennt. Er lebt in derselben Stadt! Und er hat eine Freundin! Malte ist am Haken. Er folgt ihm. Findet heraus, wo er wohnt. Und er dringt ein in das Private des Feindes, in seine Wohnung, lässt sie auf sich wirken. Dann jagt er den Täter, stellt ihn, prügelt sich. Laufen lassen kann er ihn nicht. Festhalten auch nicht. Liv aufschrecken will er nicht. Doch damit kommt es zu einem Bruch in seinem Leben, in ihrem Leben, im Miteinander und im Selbstverständnis. Weil das Vergangene sich als nicht vergangen erweist.

In einer Szene bei einem Anwalt erweist sich die eine große Lücke des Handlungsentwurfs: Lapidar wird erklärt, dass es von der Vergewaltigung kein DNS-Material gäbe. Nun ja. Das ist nun nicht wirklich glaubwürdig, auch sollte es eigentlich am Tatort Fingerabdrücke der Täter geben. Mallorca ist ja strafverfolgungsmäßig nicht hinterm Mond. Diese Implausibilität immerhin ist nicht weiter schlimm: Insbesondere, weil Taddicken es geschickt vermeidet in das gefährlich klischeehafte Fahrwasser des Mann-sieht-Rot-Schemas zu verfallen. Gut: Juristische Ermittlung ist schwierig und ja, Jugendstrafe ist milde. Das wird auch gar nicht angezweifelt, weil Vigilantentum nicht das Interesse des Films ist: Es geht um die Beziehung der beiden Hauptfiguren, um das Aufrechterhalten ihrer Selbstbilder, um die Gesamtverfassung eines Lebens nach heftigster Erschütterung.

Taddicken entwickelt seine Geschichte sehr klug, mit kleinen, feinen Wendungen, mit klaren Charakterisierungen, mit umfassend entwickelter Psychologie: Malte, der sich für "geheilt" hielt, Liv, die weiß um die Unterscheidung zwischen Opfersein und Schuldigsein: Was sie wissen, können sie nicht mehr rückgängig machen. Was sie tun, nicht mehr ungeschehen machen. Kann es wieder gut werden, oder zumindest ertragbar, wenn so vieles zu Bruch geht?

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/das-schoenste-paar-2018