Verliebt in meine Frau (2018)

Wenn Männer fantasieren

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Die Paarung „älterer Mann und blutjunge Frau“ wird im Kino deutlich häufiger bedient als der umgekehrte Fall. Frankreichs Schauspielstar Daniel Auteuil nimmt in seiner vierten Arbeit als Regisseur eben diese Kombination auf die Schippe und entfacht ein phasenweise unterhaltsames Spiel mit Klischeevorstellungen, dem allerdings noch stärkere Brechungen gut zu Gesicht gestanden hätten.

Als der Verleger Daniel (Daniel Auteuil) auf der Straße seinem alten Kumpel Patrick (Gérard Depardieu) begegnet, berichtet dieser voller Begeisterung von seiner neuen Partnerin und regt zum Kennenlernen ein gemeinsames Abendessen an. Ein Vorschlag, der Daniel großes Kopfzerbrechen bereitet, da seine Ehefrau Isabelle (Sandrine Kiberlain) bestens mit Patricks Ex befreundet ist. Nichtsdestotrotz lädt er den frisch Verliebten in seine geschmackvolle Intellektuellenwohnung ein und schafft es mit kleinen Manipulationen, Isabelles Ablehnung aufzuweichen. Am Abend des Dinners kommt Daniel zur Verärgerung seiner Gattin beim Anblick der jungen und attraktiven Emma (Adriana Ugarte) aus dem Staunen nicht mehr heraus und verstrickt sich mehr und mehr in amouröse Tagträume. 

Die Adaption von Florian Zellers Bühnenstück L’envers du décor, das im deutschen Sprachraum unter den Titeln Hinter der Fassade oder Die Kehrseite der Medaille bekannt ist, stürzt sich mit einem kräftigen Augenzwinkern auf die im Kino nicht selten lang und breit ausbuchstaffierten männlichen Liebesfantasien. Immer wieder lässt Auteuil das Publikum im Verlauf des etwas gezwungenen Beisammenseins an den Gedanken und den geheimen Wünschen Daniels teilhaben, der von Mal zu Mal unkonzentrierter wirkt, sich um Kopf und Kragen redet und für einige peinliche Momente sorgt. Betont kitschig malt der Film einen vom Gastgeber imaginierten Besuch bei Emmas spanischer Verwandtschaft aus und verleiht den Hirngespinsten des entzückten Protagonisten auf diese Weise einen lächerlichen Anstrich. Noch absurder wird es, wenn sich der Verleger vor seinem geistigen Auge an den Ort versetzt, an dem sich Patrick und Emma angeblich zum ersten Mal getroffen haben. 

Verliebt in meine Frau entlarvt die teilweise recht platten Altherren-Sehnsüchte der Hauptfigur in ihrer ganzen Albernheit, gibt Daniel aber nicht zum Abschuss frei. Dank Auteuils schwungvoller, die Konfusion wunderbar zum Ausdruck bringender Darbietung bekommt das Ganze eine amüsant-schelmische Note und lädt ein ums andere Mal zum Schmunzeln ein. Das Zuschauerinteresse hält sich auch deshalb, weil meistens nur verzögert erkennbar ist, ob eine Szene in der Realität oder in Daniels Gedankenwelt stattfindet. Mit zunehmender Dauer dreht die Geschlechterkomödie das Wechselspiel immer weiter, läuft allerdings auf einen Schlusspunkt hinaus, den man sicherlich noch etwas besser – soll heißen: differenzierter – hätte vorbereiten können. 

Fragen lassen müssen sich die Macher, warum einige aufgerufene Plattitüden nicht noch umfassender ironisch gebrochen wurden und weshalb der Film seinen Figuren nur wenig Entfaltungsraum gewährt. Angesichts der demaskierenden Agenda wäre es schön gewesen, wenn die als Projektionsfläche benutzte Emma irgendwann über eben diese Rolle hinauswachsen würde. Tatsächlich bleibt sie bis zum Schluss jedoch ein Abziehbild, das abgesehen vom attraktiven Äußeren keine nennenswerten Eigenschaften erhält. Obwohl ganz am Ende Isabelles Cleverness beschworen wird, wirkt auch die von Sandrine Kiberlain gewitzt verkörperte Ehefrau unterentwickelt, was ebenso auf Depardieus Patrick zutrifft, den das Drehbuch arg stereotyp und damit wenig einprägsam zeichnet.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/verliebt-in-meine-frau-2018