Halloween (2018)

Die zweite Nacht des Grauens

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

40 Jahre ist es her, doch nun kehrt er zurück: Michael Myers … Moment mal! Ist der nicht schon ziemlich oft zurückgekehrt? Suchte er die letzte Überlebende, die sich als seine zweite Schwester erwies, nicht schon in derselben Nacht im Krankenhaus erneut auf? Jagte er nicht 10 Jahre später seine Nichte? Und im Jahr darauf abermals? Hat sich wiederum einige Jahre später nicht gar eine Sekte um ihn herum gebildet? Und kehrte er nicht bereits nach 20 Jahren zu besagter Schwester zurück, um ihr dann vier Jahre später noch mal einen sehr endgültigen Besuch in einer Nervenheilanstalt abzustatten und Teil einer Reality-TV-Show zu werden?

Ja, das stimmt (und obendrein gab es noch ein Remake des Stoffes samt Fortsetzung) – doch all dieses Horror-Nerd-Wissen kann man direkt aus dem Fenster werfen, da Halloween (in der 2018er Version) sämtliche Geschehnisse und (Verwandtschafts-)Enthüllungen seit Halloween – Die Nacht des Grauens (von 1978) auf erzählerischer Ebene ignoriert. Für Fans der Reihe gibt es diverse visuelle Anspielungen – etwa auf Sequenzen aus Halloween II – Das Grauen kehrt zurück (1981) oder Halloween H20 (1998) und sogar auf den obskuren dritten Teil von 1982, in welchem nicht einmal Michael Myers auftrat –, im Großen und Ganzen handelt es sich aber um einen bewussten Neustart, eine enthusiastische Wiederbelebung der Materie.

Das verdeutlicht bereits der hübsch gestaltete Vorspann, in welchem sich ein recht verkümmerter Kürbis allmählich wieder aufrichtet, während die dezent modernisierten Synthie-Klänge von John Carpenter ertönen. Carpenter – Regisseur, (Co-)Autor und Komponist des Originals – ist ebenso wie die damalige und aktuelle Hauptdarstellerin Jamie Lee Curtis im Bereich „ausführende Produktion“ mit an Bord; auf dem Regiestuhl nahm indes David Gordon Green Platz, der mit Werken wie Ananas Express (2008), Joe – Die Rache ist sein (2013) oder Stronger (2017) eine überaus vielseitige, bis dato eher horrorferne Filmografie vorzuweisen hat und das Drehbuch gemeinsam mit Danny McBride und Jeff Fradley verfasste.

Die Geschichte beginnt im Hochsicherheitstrakt, wo das investigative Podcast-Duo Dana (Rhian Rees) und Aaron (Jefferson Hall) den inhaftierten Michael Myers (verkörpert von James Jude Courtney sowie in einigen Szenen von der Original-Besetzung Nick Castle) für einen Beitrag über die einstigen Morde aufsucht. Der seit längerer Zeit für Michael zuständige Dr. Sartain (Haluk Bilginer) erläutert, dass der hünenhafte Mann seit vier Dekaden kein Wort von sich gegeben hat und bald in eine andere Einrichtung verlegt werden soll. Dass dieser Transfer zu so einem „schönen“ Jubiläum und just am Halloweentag stattfindet, passt natürlich. Und so dauert es nicht lange, bis der body count schon nach dem ersten Drittel erheblich höher als in Teil 1 ist und Michael in seiner weißen William-Shatner-Maske sowie im dunklen Overall in seinen Heimatort Haddonfield zurückkehrt.

Dort wohnt immer noch Laurie Strode (Curtis), die die damalige Nacht des Grauens überlebte. Sie hat mittlerweile zwei gescheiterte Ehen hinter sich und lebt abgeschottet in einem doppelt und dreifach verriegelten Haus, in welchem es eine Art unterirdischen Schutzraum gibt. Zudem hat sie Kampftechniken erlernt und sich reichlich mit Waffen ausgestattet. Ihre inzwischen erwachsene Tochter Karen (Judy Greer) wurde ihr einst vom Jugendamt entrissen; diese hat sich mit ihrem Mann Ray (Toby Huss) und ihrer Teenager-Tochter Allyson (Andi Matichak) ein Leben aufgebaut, in dem die vermeintliche Paranoia von Laurie keinen Platz haben soll. Während Allyson mit ihrem Freund Cameron (Dylan Arnold) eine Halloween-Party besucht, müssen der örtliche Officer Hawkins (Will Patton) sowie Laurie, Karen, Ray und etliche glücklose Seelen in Haddonfield erkennen, dass Michael wieder da ist.

Als Regisseur zeigt Green eine große Lust daran, Standardsituationen des Slasher-Films, die Carpenter mit Halloween in den 1970er Jahren etablierte, mal leicht, mal erfreulich originell zu variieren. So präsentiert er Plansequenzen, die Michaels blutiges Treiben einfangen; er liefert Bildzitate und klassische Schauplätze für eine gruselige Begegnung mit dem Boogeyman: Lauert er im Kleiderschrank? Steht er da in einer Ecke des Hinterhofs und kommt jedes Mal näher, wenn das Bewegungsmelder-Licht kurz erlischt? Die atmosphärische Spannung, die Carpenter erzeugte, wird dabei allerdings nur selten erreicht. Vieles ist zu hektisch, setzt zu sehr auf Action und kombiniert den Schrecken außerdem mit einem oft albernen Humor, der nur selten funktioniert. Klug sind hingegen die Momente, in denen Passagen aus Carpenters Film umgekehrt werden – etwa wenn es Laurie (und nicht, wie im Original, Michael) ist, die nach einem Fenstersturz plötzlich verschwunden ist und sich somit als erstaunlich zäh erweist.

Ohnehin ist die Beziehung und Interaktion zwischen Laurie und Michael das Reizvollste an Greens Halloween. Während Karen und Allyson eher eine bestimmte Funktion im Plot übernehmen und die übrigen Nebenfiguren entweder blass bleiben (etwa Allysons Clique) oder in ihrer Zeichnung unausgegoren wirken (wie der von Michael geradezu besessene Dr. Sartain) ist die von Curtis fulminant interpretierte Laurie nicht länger das von Angst erfüllte final girl, sondern eine Frau, die sich vorbereitet hat – und die etwas zum Abschluss bringen muss, um sich das von Michael zerstörte Leben zurückerobern zu können. Die finale Auseinandersetzung hat letztlich weniger Wucht als erhofft; sie fällt insgesamt schwächer aus als die äußerst pointierte Konfrontation in Halloween H20. Dennoch finden das Skript und dessen Umsetzung einige clevere und überraschend gut in unsere Zeit passende Worte und Gesten, um das Täter-Opfer-Schema sowie den Ausbruch daraus zu verhandeln.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/halloween-2018