Der Buchladen der Florence Green (2017)

Es war einmal eine Frau ...

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Die Liebe zum Lesen oder zu Büchern auf die Leinwand zu bringen, ist ein durchaus schwieriges Unterfangen. Lesen ist ein innerlicher Vorgang, bei den Büchern gibt es aber zumindest ein Objekt, das man anfassen kann. Leider wird hier allzu häufig auf die gleichen Bilder zurückgegriffen: eine Hand streicht über Buchrücken, ein gerade geliefertes Buch wird aufgeklappt und die Nase nähert sich vorsichtig diesen neuen Seiten an.

Genau diese Bilder finden sich auch in Isabel Coixets The Bookshop, einer Adaption von Penelope Fitzgeralds Roman Der Buchladen der Florence Green aus dem Jahr 1978. Erzählt wird die Geschichte von Florence Green, die sich in den 1950er Jahren in einem kleinen Küstenort in den Kopf gesetzt hat, einen Buchladen zu eröffnen. Gleich zu Anfang erklärt eine Stimme aus dem Off, welchen Reiz das Lesen ausmacht: das Eintauchen in fremde Welten zum Beispiel, oder dieses einzigartige Gefühl, wenn man ein Buch gerade ausgelesen hat und die Geschichte im Kopf noch nachwirkt. Auch Florence Green ist dem Lesen verfallen, seit ihr Mann gestorben ist – 16 Jahre ist das her, wie später zu erfahren ist. Und eines Tages, als sie wieder einmal ein Buch ausgelesen hat, hat sie einen Entschluss gefasst: Sie will in dem kleinen Ort einen Buchladen eröffnen!

Angesichts dieses Beginns und der Geschichte könnte man auf eine rauschende Zelebration der Bibliophilie hoffen. Eine Hommage an die Liebe zu Büchern, ein Fest des Lesens. Aber leider fällt Isabel Coixet weder in ihrem Drehbuch noch ihren Bildern etwas ein, was über das Berühren von Buchrücken und Schnüffeln in neuen Büchern hinaus geht. Da hilft auch der verträumte Blick von Emily Mortimer nur wenig, wenn sie ein Buch liebevoll berührt.

Auch die Handlung steuert wenig bei. Natürlich sind nicht alle in dem Ort begeistert von Florence Greens Vorhaben: ihr Banker ist missgünstig, ihr Anwalt ist hinterlistig und die einflussreiche Violet Garmart (Patricia Clarkson) hatte andere Pläne für das Gebäude, in dem Florence den Buchladen eröffnen will. Daher setzt sie fortan alles daran, erst Florences Vorhaben und später den Laden zu zerstören. Einzig der sehr zurückgezogen lebende Mr. Brundish (Bill Nighy) freut sich über die Eröffnung und bittet Florence Green, ihm Buchpakete zu senden, die sie nach ihrem Belieben zusammenstellen soll.

Gut und böse ist hier auf den ersten Blick zu erkennen – dafür sorgen die übertriebenen Gesten und Mimiken, die karikaturesken Anlagen der Figuren, insbesondere der Gegenspieler. Daher ist es auch verwunderlich, warum Florence Greene niemals misstrauisch ist, wenn ihr der örtliche Möchtegern-Gesellschaftslöwe Milo North (James Lance) immer wieder Ärger einbringt. Die Off-Erzählerin sieht das als Beweis für Florences gutes Herz. Allein ob das in diesem Dorf angebracht ist, darf bezweifelt werden.

Fraglich bleibt auch, warum abgesehen von Mr. Brundish und Christine (Honor Kneafsey), ein Mädchen, das ihr im Laden hilft, niemand auf der Seite von Florence Greene zu stehen scheint. Es ist nur wenig über ihre Vergangenheit zu erfahren, vielleicht war sie immer eine Außenseiterin in dem Ort. Aber in dem Moment, in dem ein anderer Buchladen eröffnet, bleibt jeder einzelne Kunde bei ihr aus, obwohl es doch vorher welche gab. Auch findet sie keine moralische Unterstützung oder wenigstens ein paar aufmunternde Wort. Offenbar ist ein Dorf, in dem – nach Einschätzung eines örtlichen Fischers – niemand liest, ein Platz voller schlechter Menschen, die lieber Gerüchte verbreiten und nichts fürs Lesen gewonnen werden können.

Zu der hölzernen Figurenzeichnung und der vorhersehbaren Geschichte kommt noch eine Inszenierung, in der anfangs immer wieder unmotiviert Personen ins Bild genommen werden, bei denen man ahnt, sie könnten später eine Rolle spielen – und im zweiten Teil des Films gibt es dann immer mehr Landschaftsaufnahmen mit der Handkamera, die wohl Spannung oder Dramatik suggerieren sollen. Allein, die Erzählerin aus dem Off hat schon verraten, dass die Geschichte nicht gut ausgehen wird. Und so kann man noch nicht einmal darauf hoffen, dass Florence aufbegehrt.

Ohnehin erklärt die Stimme aus dem Off viel zu viel. Vielleicht sollte damit eine gewisse Nähe zum Geschichtenerzählen geweckt werden. Aber in einem Film funktioniert das auf diese Weise nur selten. Da hilft es auch nicht, dass Julie Christie die Erzählerin spricht und wird es allenfalls zur netten Randbemerkung, dass Christie auch in Truffauts Adaption von Ray Bradburys Fahrenheit 451 mitgespielt, das neben Nabokovs Lolita wichtigste Buch in dieser Geschichte.

Daher gibt es letztlich nur wenige Momente, in denen Der Buchladen der Florence Green tatsächlich emotionale Tiefe entwickelt – und sie entstehen vor allem im Zusammenspiel von Emily Mortimer und Bill Nighy, der hier eine sehr ruhige, innerliche und intensive Vorstellung gibt. Sobald man über den erheblichen Altersunterschied hinweggesehen hat – nimmt man das Geburtsalter von Mortimer und Nighy, immerhin knapp 22 Jahre –, ist hier eine zarte Romanze zu entdecken, die sich insbesondere über die Liebe zu Büchern entfaltet, eine gemeinsam geteilte Leidenschaft.

Außerdem gibt es gelegentliche Szenen, in denen ein leiser feministischer Unterton auftaucht – beispielsweise, wenn Florence Green offensichtliches mansplaining ignoriert oder unterbricht. Allerdings hätte hierfür insbesondere ihre Gegenspielerin Violet noch weitaus mehr Potential gehabt, ist sie doch eine dieser Frauen, die an ihrer Stellung in der Gesellschaft niemals offensichtlich rüttelt, sondern durch Verbindungen Einfluss ausübt. Aber ohne Hintergrund, ohne Ansatzpunkte kann auch Patricia Clarkson nicht viel erreichen. Und somit bleibt am Ende des Films vor allem die Erkenntnis, dass man wohl besser das Buch gelesen hätte.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/der-buchladen-der-florence-green