Das ist erst der Anfang - Mission Ruhestand (2017)

Cowboy vs. Playboy

Eine Filmkritik von Falk Straub

Eins haben US-Komödien den deutschen voraus. Das Rollenangebot für die Generation 60 plus, die nicht selten das komplette Ensemble stellt, ist deutlich größer. Wie diese Rollen auf die Geschlechter verteilt sind, wie die Rollenbilder aussehen und wovon die Filme handeln, steht auf einem ganz anderen Blatt, auf dem viel über die Macher zu lesen ist.

Ron Sheltons jüngster Film ist vornehmlich ein Altherrenklub, selbst wenn die erste Szene einer Frau gehört. Als Mafiabraut Delilah hängt Jane Seymour stilecht mit Perücke auf dem Kopf und viel Bling-Bling um den Hals an der Strippe ihres güldenen Telefons. Statt Haarlocken fordert sie, eher Judith als Delila gleich, im vorweihnachtlichen New Jersey den Kopf ihres Erzfeinds auf einem Silbertablett. Der ist unter dem Namen Duke Diver (Morgan Freeman) erst im Zeugenschutzprogramm ab- und als Leiter einer luxuriösen Seniorenresidenz in Palm Springs wieder aufgetaucht. Wenig später fährt dort der Ex-Militär und angebliche Entrepreneur Leo McKay (Tommy Lee Jones) vor und der Fall scheint klar. Doch dann kommt alles anders.

Das Tempo, mit dem Das ist erst der Anfang loslegt, ist beachtlich. Schneller als Delilah am Telefon kann man eine Prämisse kaum vermitteln. Dem Rest der Handlung dient die großartige Jane Seymour mit ihrer stets wechselnden Haarpracht leider nur als Running Gag. Auch Duke Diver und sein Alterssitz, in dessen Portokasse er allzu großzügig greift, sind zügig etabliert, ein paar nette, aber harmlose Scherze über das sonnige Winterwetter Kaliforniens samt Weihnachtsbaum auf dem Golfmobil und Christbaumkugeln an der Palme inklusive. Doch schon bei der Aufdröselung von Dukes verworrenem Liebesleben verheddert sich der Film in zu vielen Subplots.

Dukes Motto für einen geruhsamen Lebensabend lautet „Sex, Alkohol und Golf“. Seine Affären Marguerite (Glenne Headly), Roberta (Sheryl Lee Ralph) und Lily (Elizabeth Ashley) dienen ihm wie seine Poker-, Sauf- und Golfkumpane Joe (Joe Pantoliano), Larry (George Wallace) und Burt (Graham Beckel) lediglich der Selbstvergewisserung und dem zu diesem Zeitpunkt bereits leicht ermüdeten Publikum nur leidlich als comic relief. Den kriminellen Nebenstrang hat Sheltons Drehbuch anscheinend nur etabliert, um in der letzten Viertelstunde unmotiviert in einen Actionfilm abzudriften. Und Neuankömmling Suzie (Rene Russo), die ebenfalls nicht die ist, für die sie sich ausgibt, erfüllt wiederum die Funktion, das Liebeswerben der Männer anzufachen. Reichlich viele doppelte Identitäten, Stränge und Wendungen, die bei Shelton nur lodern und nie brennen.

Für seinen neunten abendfüllenden Kinofilm hat sich Ron Shelton nach 14 Jahren Leinwandabstinenz noch einmal auf den Regiestuhl geschwungen. Angesichts des dürftigen Ergebnisses klingt der Titel wie eine Drohung. Seinen Themen bleibt der bald 73-Jährige auch dieses Mal treu. Wie in seinen bekanntesten Komödien Annies Männer (1988), Weiße Jungs bringen's nicht (1992) und Tin Cup (1996) geht es um Männerbünde und Wettbewerbe. Erneut ist die gezeigte Männlichkeit eine brüchige, ein aufgeplusterter Hahnenkampf, der durchaus abgestraft, am Ende aber belohnt wird.

Es ist erstaunlich, wie wenig der erfahrene Filmemacher aus seinen Schauspielern herausholt. Vom Schlagabtausch eines Kevin Costner und Tim Robbins in Annies Männer, eines Wesley Snipes und Woody Harrelson in Weiße Jungs bringen's nicht oder eines Kevin Costner und Don Johnson in Tin Cup sind Freeman und Jones Lichtjahre entfernt. Die Wettkämpfe, die sich hauptsächlich auf den Golfplatz konzentrieren, könnten allerdings kaum uninspirierter sein. Gute Pointen sucht man mit der Lupe. Und wer die Qualität einer Komödie an der Anzahl der Lacher misst, wird Sheltons Film ein mangelhaftes Zeugnis ausstellen.

Um die Romanze steht es nicht besser. Deren bestimmendes Thema ist das richtige Verhalten von Männern gegenüber Frauen. Der weit gereiste, belesene und künstlerisch veranlagte Leo, nicht nur dem Outfit nach ein Cowboy alter Schule, dient Shelton und seiner Geschichte auch als Korrektiv. Während Playboy Duke lediglich von „wahrhaft edlen Kerlen“ und „wahren Ehrenmännern“ faselt, selbst gern einer wäre, aber sich permanent danebenbenimmt, bringt ihm Leo Manieren bei. Dass hinter diesen Manieren kein geringerer Macho, nur einer mit besseren Umgangsformen steckt, ist eines der großen Probleme dieser Komödie. Denn so selbstbestimmt die Sexualität der Frauen auch scheint, bleiben sie letztlich eine Altherrenfantasie. Und so selbstbewusst Rene Russos Suzie den Männern zunächst entgegentritt, ist sie am Ende auf deren Hilfe angewiesen und erliegt Leos kernigem Charme. Bei Shelton kommt das allerdings so gefällig bis belanglos daher und ist so einschläfernd gespielt, dass jede Aufregung darüber die Mühe nicht lohnt. Immerhin ist Das ist erst der Anfang schnell zu Ende.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/das-ist-erst-der-anfang