Bayern sagenhaft

Peinliche Heimattümelei

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Ob es in Bayern irgendwelche spannenden regionalen Sagen gibt? Gut möglich, aber um sie geht es in diesem Dokumentarfilm von Joseph Vilsmaier (Nanga Parbat, Herbstmilch) nicht. Dafür nimmt die Kamera einmal einen wirklich sagenhaften Semmelknödel von 200 Kilogramm ins Visier, der in Aldersbach im Rahmen der Ausstellung Bier in Bayern gekocht wurde. Der Mann, der ihn probiert, verzieht allerdings das Gesicht und Sprecherin Monika Gruber beeilt sich zu versichern, dass es mit Bier sicher besser rutscht. Ja, den Untertitel Ein kurioser Reigen von Joseph Vilsmaier hat sich der Film Bayern – sagenhaft verdient, auch schon wegen des Ochsenrennens, das den lustigen Höhepunkt der Tour zu verschiedenen Stätten der Brauchtumspflege bildet.
Lebenslust, Tradition und historische Bezüge sollen ein unterhaltsames Gefüge ergeben, zum Beispiel, wenn der frühere Oktoberfest-Wirtesprecher Richard Süßmeier, der den Spitznamen Napoleon der Wirte trägt, in einer Spielszene den echten Napoleon verkörpert, der Bayern zum Königreich machte. Die Texte aus der Feder von Hannes Burger, der jahrelang die kabarettistischen Reden zum Starkbieranstich auf dem Münchner Nockherberg schrieb, kommentieren das Gezeigte mit leutseligem Humor. Weil der 78-jährige Vilsmaier sein Heimatland so liebt, werden auch der Münchner Circus Krone, der FC Bayern, diverse Wirtschaftsbranchen und Dienstleistungsunternehmen mit schönen Bildern bedacht.

Vilsmaier hat nichts anderes als einen Werbefilm gedreht, in dem alles gut, strahlend, ja geradezu großartig zu sein hat und der folglich vor peinlichen Klischees nur so strotzt. Als die Erwähnung der Weihnachtsmärkte ansteht, heißt es, dass Kinder ihre größte Freude an ihnen haben. Realistischer wäre es gewesen, zu sagen, dass Büroleute nach Dienstschluss die größte Freude daran haben, in Gruppen zwischen den Strohstern- und Bratwurstbuden herumzustehen und sich einen Glühwein hinter die Binde zu kippen.

Natürlich besteht Bayern nicht nur aus München und dem malerischen Alpenvorland und so sieht sich der Film gezwungen, zumindest alibihaft auch an die anderen Regionen zu erinnern. Die Bewohner des Hopfenlandes Hallertau seien schon „a eigene Rass“, heißt es einmal, aber im Grunde nur, weil sich dieser anerkennende Spruch halt gut macht und vielleicht auch einen launigen Übergang zum nächsten Schauplatz ergibt. Im Bild zu sehen war nämlich zum Beleg dieser Eigenheit lediglich ein Hopfenfest mit Zupfwettbewerb. Schon einmal hat Vilsmaier seine Heimat dokumentarisch gewürdigt, 2012 in Bavaria – Traumreise durch Bayern, das im Stil von Deutschland von oben gedreht wurde. Nun bildet eine Helikopterfahrt mit Monika Gruber an Bord die dramaturgische Klammer für Stippvisiten etwa in die Oberpfalz oder bis hinein nach Franken. Doch wenn es heißt, dass der Hubschrauber Kurs auf Regensburg nimmt, peilt er in Wirklichkeit einen Himalaya-Park im Landkreis Regensburg an. Dieser hält als Beleg für die Weltoffenheit der Bayern her und schon zieht es den Film wieder zurück in den Süden, weil nun die Zugspitze an der Reihe ist.

Am Anfang schaut die als Astronautin verkleidete Monika Gruber in einer Spielszene von ihrer Raumstation hinab auf, nein, nicht die Erde, nicht Europa, nicht Deutschland, nein, auf Bayern schaut sie herab und wird sofort von Heimweh übermannt. Nach ihrer vorzeitigen Rückkehr in den größten Flächenstaat Deutschlands hätte es viel zu entdecken gegeben, was über Oktoberfest-Rummel und Alpenpanorama hinausgeht. So hat zum Beispiel Walter Steffen in Fahr ma obi am Wasser die Geschichte der Flößerei im bayerischen Oberland aufgerollt und in Bavaria Vista Club Musiker vorgestellt, die traditionelle Volksmusik mit neuen Klängen mischen. Nicht-Bayern und Zugereiste dürfen schon annehmen, dass Einheimische ihre Heimat etwas differenzierter und genauer vorstellen oder beschreiben würden als das nächste Fremdenverkehrsamt. Vilsmaier fällt aber nichts ein, was über die Klischees hinausgeht und die Sicht auf die dahinterliegende Realität freigibt.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/bayern-sagenhaft