What the Bleep do we know?

Die Reise ins Ich

Ist es möglich, so dachten sich drei amerikanische Independent-Regisseure namens William Arntz, Betsy Chasse, and Mark Vicente, einen Film zu machen, der ohne Sexualität und Gewalt auskommt und der zentrale Fragen des Daseins beleuchtet? Arntz hatte Anfang der Neunziger eine System Management Software mit dem Namen \"AutoSys\" gegründet und war damit zu einem beträchtlichen Vermögen gelangt, das er in die Finanzierung eines Filmprojekts steckte. Das Ergebnis war der Film What the Bleep do we know / Ich weiß, dass ich nichts weiß, der nun nach etlichen Preisen bei Festivals und über 1 Million Zuschauern in den USA in die deutschen Kinos kommt. Damit war What the Bleep do we know? einer der erfolgreichsten Dokumentarfilme der USA. Und einer der umstrittensten ist er sowieso...
An den Fragen, die What the Bleep do we know? stellt – das \"Bleep\" steht übrigens für das verpönte Wörtchen \"Fuck\" – kann die teilweise harsche Kritik nicht liegen. Denn der Ansatz einer genauen Untersuchung unserer Realität und unseres Einflusses darauf ist hochinteressant und teilweise sehr erhellend. Stellt sich lediglich die Frage, warum Themen der Wirklichkeit unserer Realität bislang ausschließlich Spielfilmen wie Matrix, eXistenZ oder weitegehend übersehenen Filmen wie dem hervorragenden und verblüffenden De Zee, die denkt (Das Meer, das denkt, NL 2000, Regie: Gert de Graaff) überlassen wurden. Ein Versäumnis, dass What the Bleep do we know? nun auf seine ganz eigene Weise nachholt und damit offensichtlich den Nerv der Zeit punktgenau trifft.

Was ist die Realität? Sind nicht wir es, die sie uns erschaffen? Woher wissen wir wirklich, ob wir existieren? Wovon sprechen wir, wenn wir \"Ich\" sagen? Gibt es einen Gott und wenn ja, wie können wir uns ihn (oder sie) vorstellen? Das sind neben vielen anderen die wichtigsten Fragen, mit denen sich der Film beschäftigt. Namhafte Experten wie theoretischen Physiker, Philosophen, Neurowissenschaftler und Biologen versuchen, jeweils ihre Sicht auf diese letzten Dinge zu geben, was trotz des überaus komplexen Themas auch gut gelingt. Doch es ist nicht allein der Geist einer fröhlichen Wissenschaft, den What the Bleep do we know? atmet, sondern auch den einer esoterischen Mischmasch-Soße, die immer wieder an entscheidenden Punkten laut Aussagen von Experten schwammig, ungenau oder sogar widersprüchlich wird, was für viele Kritikpunkte in den USA verantwortlich ist. Ein anderer Vorwurf an den Film, er stehe im Dienste der obskuren Ramtha-Sekte, ist offenbar hinfällig, denn in What the Bleep do we know? taucht zwar ein Medium namens JZ Knight auf, durch die ein Geistwesen namens Ramtha \"gechannelt\" wird, doch dieses Wesen hat nicht mit der erwähnten Sekte zu tun. Allerdings werfen die Vorwürfe und falschen Behauptungen ein merkwürdiges Bild auf die Hintergründe der Dokumentation, zumal wenn man weiß, dass alle drei genannten verantwortlichen Regisseure JZ Knights \"Ramtha’s Schule der Erleuchtung\" besuchten und JZ Knight selbst in der Dokumentation auftaucht. Das hinterlässt doch ein merkwürdiges \"Gschmäckle\"...

Ohne Frage besticht der Film durch atemberaubende Bilder und sehenswerte Animationen und Effekte, doch manchmal schießen der Spieltrieb und möglicherweise auch die verborgenen Intentionen der Filmemacher über das Ziel hinaus, wenn beispielsweise Zellstrukturen seltsame Tänze zu \"Addicted to Love\" auf die Leinwand zaubern. Eine Art von Infotainment und Desavouierung der Zielrichtung des Films, die sich annähernd auf Kindergartenniveau begibt. Enttäuschend und wenig hilfreich ist hingegen die Rahmengeschichte, in der Marlee Matlin (Gottes vergessene Kinder) erschreckend unprofessionell und uninspiriert als sinnsuchende Fotografin durch ein erbärmliches Drehbuch eiert.

Für Zuschauer, die sich für den Sinn des Lebens interessieren und Anregungen suchen, wozu wir eigentlich auf der Welt sind, kann der Film gelegentlich neue Ansätze bieten, doch die äußerst schwache Rahmenhandlung und die tendenziöse Färbung des Films sind zumindest fragwürdig und machen die zweifellos vorhandenen Ansätze zunichte. Trotzdem und deswegen wird der Film mit Sicherheit seine erbitterten Gegner und seine ebenso eifrigen Befürworter finden.

Bereits vor seinem offiziellen Bundesstart am 24. November 2005 wird What the Bleep do we know? / Ich weiß, dass ich nichts weiß auf Premierentour in verschiedenen deustchen Städten unterwegs sein, begleitet von verschiedenen Experten, die im Anschluss an die Filmvorführung zu Publikumsgesprächen und Diskussionen bereitstehen. Die genauen Termine finden sich auf der Homepage des Films.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/what-the-bleep-do-we-know