Das Schloss im Himmel

Heidi im Wunderland

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Irgendwie sieht sie aus wie Heidi, das Waisenmädchen Sheeta. Und wie die kulleräugige Alpenbewohnerin ist auch ihre japanische Schwester im Geiste stets bemüht, Gutes zu tun. Dazu bekommt Sheeta alsbald reichlich Gelegenheit, denn das Mädchen ist im Besitz eines magischen blauen Kristalls, hinter dem sowohl der Schurke Musca als auch eine Bande grimmiger Luftpiraten unter Führung von Mama Dora, einer gar schröcklichen Megäre, her sind. Der Kristall ist nämlich der Schlüssel zu einem sagenumwobenen Königreich namens Laputa, das durch die Lüfte schwebt und noch nie von einem Menschen gesichtet wurde. Auf der Flucht vor den Luftpiraten fällt Sheeta aus dem Luftschiff, in dem Musca sie entführt hat, und rast dem Boden entgegen. Doch die magischen Kräfte des Steins bremsen ihren freien Fall ab. Als sie aus ihrer anschließenden Ohnmacht wieder erwacht, sieht sie sich dem Waisenjunge Pazu gegenüber. Als der Junge von Sheetas Geschichte und ihren Verfolgern erfährt, erklärt er sich bereit, dem Mädchen zu helfen. Fortan sind die beiden Jäger und Gejagte zugleich: Gehetzt von Musca und Mama Doras Bande jagen die beiden zugleich dem Geheimnis um Laputa und Sheetas rätselhafter Herkunft nach, Und natürlich geht es ganz nebenbei auch noch darum, die Welt zu retten…
Zwanzig Jahre, nachdem Das Schloss im Himmel / Tenkû no shiro Rapyuta fertig gestellt wurde, kommt das Werk des wohl bekanntesten japanischen Anime-Regisseurs Hayao Miyazaki nun in die deutschen Kinos, was wohl auch am Erfolg der Nachfolge-Filme Chihiros Reise ins Zauberland und Das wandelnde Schloss liegt. Neues hat der Film allerdings kaum zu bitten, vielmehr repräsentiert er den tricktechnischen Stand des Jahres 1986 und auch die pseudo-politische Botschaft des Films atmet deutlich den Zeitgeist der Achtziger. Die Moral von der Geschicht ist ungefähr von der ethischen Preisklasse wie diverse Michael-Ende-Geschichten, nur vielleicht noch ein wenig naiver und konservativer: Die Bösen sind hoch technisiert und benutzen ihre Maschinen dazu, den Rest der Menschheit zu unterjochen, wobei das wahre Glück des Menschen in der harmonischen Eintracht zwischen Mensch, Natur und der in Japan unvermeidlichen Geisterwelt liegt, was ja eigentlich nicht falsch ist, hier aber auf recht schlichte und beinahe anrührend naive Weise vorgetragen wird. Dazu passen die süßlichen Bilder, die trotz manches Schurken die Story mit optischem Zuckerguss der klebrigen Sorte überträufeln. Eso-mythologischer Quark der späten Achtziger oder – wenn man das Ganze wohlwollend schildern will „ein phantastisches Märchen für Jung und Alt“. Schönheit und Sinnhaftigkeit liegt eben doch im Auge des Betrachters. Wem’s gefällt…

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