Wer früher stirbt, ist länger tot

Ein etwas anderer Heimatfilm

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Der elfjährige Sebastian (Markus Krojer) ist ein ganz schönes Früchtchen, dessen Sündenregister für den Knaben selbst kaum einen Zweifel daran aufkommen lässt, dass er dereinst mal in der finstersten Hölle schmoren muss. Getreu dem Motto „Leichen pflastern seinen Weg“ hat Sebastian nämlich schon einiges an Getier ins Jenseits befördert. Als sein Bruder Franz (Franz Xaver Brückner) ihm allerdings zu verstehen gibt, dass Sebastian auch am Tod der eigenen Mutter Schuld hat – wie sonst wäre es zu erklären, dass sein Geburtsdatum identisch ist mit dem Todestag seiner Mutter? – plagen den Jungen doch Gewissensbisse und Phantasien vom Jüngsten Gericht, so dass er schwört, fortan nur noch Gutes zu tun. Und um ganz sicher zu gehen, dass später nicht das Fegefeuer auf ihn wartet, beschließt Sebastian, einfach unsterblich zu werden. Und da er sich nicht ganz sicher ist, wie man dieses hehre Ziel bewerkstelligen kann, fragt er seinen Freund, den Radiomoderator Alfred (Jürgen Tonkel), der das Ansinnen freilich eher metaphorisch begreift. Musik, so der Tipp des Erwachsenen, hat die Fähigkeit, den Menschen zu Unsterblichkeit zu verhelfen. Also bastelt Sebastian nun neben einer Karriere als helfender Engel auch noch an seinem Durchbruch als Musiker – sicher ist sicher.
Die Wandlung vom Saulus zum Paulus misslingt allerdings nach Kräften und scheitert an Sebastians Übereifer, so dass sein Sündenkonto eher voller als leerer wird. Als der Junge schließlich glaubt, von seiner Mutter ein Zeichen zu erhalten, dass es an ihm liege, eine neue Frau für seinen Vater (Fritz Karl) zu finden, macht sich der „Musterknabe“ in spe auf die Suche und stößt dabei prompt auf die schwatzhafte Frau Kramer (Saskia Vester) Sein Vater hingegen kommt Sebastians Lehrerin Veronika (Julia Ronstedt) immer näher. Diese allerdings hat nur einen klitzekleinen Fehler – sie ist verheiratet. Und zwar ausgerechnet mit Alfred. Als Sebastian erkennt, dass sein Vater und Veronika offensichtlich füreinander bestimmt sind, sieht der Junge nur noch einen Ausweg – Alfred muss sterben…

Wer früher stirbt, ist länger tot spielt mit in den bayrischen Alpen, am Fuße des Wendelstein-Gebirges, und dementsprechend zünftig und krachledern geht es auch manchmal zur Sache. Da wird im bajuwarischen Dialekt schwadroniert, was das Zeug hält, und manche humoreske Einlage zielt eher auf den einfachen Schenkelklopfer als auf fein gesponnenen und subtilen Wortwitz. Sehr schön aber gelingt dem Regisseur Marcus H. Rosenmüller die Verknüpfung zwischen Sebastian realer Welt zwischen grünen Wiesen und blauen Bergen und seiner abstrusen und düsteren Phantasien, die durch die Erzählungen und gut gemeinten Ratschläge der Stammtischbesatzung im dörflichen Wirtshaus noch so richtig angefacht werden. Auch wenn nicht jeder Gag hundertprozentig sitzt, ist Wer früher stirbt, ist länger tot eine etwas andere Variante der allseits bekannten TV-Familiengeschichtchen und Heimatschmonzetten und festigt den Glauben, dass der Bayer an sich im Grunde seines Herzens schon immer ein Anarchist war.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/wer-frueher-stirbt-ist-laenger-tot