Eine unbequeme Wahrheit

Vorhang auf für Al Gore

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

„Was wäre, wenn…“ ist eine allseits beliebte Fragestellung, die die Menschen immer wieder von Alternativen träumen lässt, davon, dass eine andere Welt möglich wäre. Und so ist es nach dem Anschauen des Films Eine unbequeme Wahrheit / An Inconvenient Truth nur allzu natürlich, dass man sich unweigerlich frägt, wie die Welt wohl aussehen würde, wenn im Jahr 2000 bei jener doch recht fragwürdigen Entscheidung bei den Präsidentschaftswahlen in den USA der Sieger nicht George W. Bush, sondern Al Gore gewesen wäre.
Dass die Entscheidung anders ausgefallen ist, hat die Welt nicht unbedingt ruhiger, sicherer und sauberer gemacht, ein Eindruck, der sich nach dem Film noch weiter verstärkt. Dabei ist Eine unbequeme Wahrheit / An Inconvenient Truth beileibe keine Dokumentation im Stile Michael Moores, die mit brachialer Gewalt auf den politischen Gegner einprügelt, sondern eine ebenso spannende wie fundierte Auseinandersetzung mit dem weltweiten Klimawandel, in deren Mittelpunkt eben jener Beinahe-Präsident der USA steht, der im Jahr 2000 verlor und der heute mehr denn je ein Siegertyp ist, weil er die Zeichen der Zeit erkannt hat.

Bereits seit dem Jahr 1992 engagiert sich Al Gore für den Umweltschutz und hat sich seit jener Wahlniederlage vollkommen dem Thema des globalen Klimawandels verschrieben. Mit einer aufwendigen Multimedia-Präsentation zieht der Politiker durch die Lande, begleitet von einem Medientross, der den Feldzug Gores für eine lebenswerte Zukunft mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. So ganz kann der einst steif wirkende Vizepräsident unter Bill Clinton seine etwas belehrende Aura nicht ablegen, doch man spürt bei Davis Guggenheims Film jederzeit, dass hier ein Überzeugungstäter spricht, der seine wissenschaftlich hervorragend aufbereiteten Fakten dann und wann auch mal mit einem Cartoon oder eindrucksvollen Naturaufnahmen untermauert, um das unaufhaltsame Fortschreiten der Zerstörung festzuhalten. Fast scheint es so, als habe Al Gore endlich seine eigene Bestimmung gefunden und verstehe es nun erst wirklich, die Menschen mit seinen Thesen und Argumenten zu begeistern. Und so zögert man keinen Moment, Al Gore Glauben zu schenken, wenn er von sich sagt, er habe endgültig mit der Politik abgeschlossen, um sich ganz seiner neuen Aufgabe zu widmen.

Davis Guggenheims Einblicke in den Menschen Al Gore und seine Herzensangelegenheit ergeben einen überaus spannenden, aufrüttelnden Film, der eigentlich zum Pflichtprogramm für alle Menschen rund um den Globus werden sollte – vor allem aber für jene Politiker wie George W. Bush, die leichtfertig Chancen zu einem ökologischen Umdenken verspielen, um die Machtinteressen weniger zu schützen. Eine unbequeme Wahrheit / An Inconvenient Truth ist mit Sicherheit einer der wichtigsten Dokumentarfilme der vergangenen und kommenden Jahre und hat allein schon wegen des Themas einen massenhaften Zuspruch an den Kinokassen mehr als verdient. Und es bleibt zu hoffen, dass der Film nicht nur die Menschen zum Gang ins Kino, sondern auch zum Umdenken bewegt. Es ist höchste Zeit!

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/eine-unbequeme-wahrheit